Spar(berg)-Effekt

26.11.1982

Dusel hat die IBM Deutschland GmbH, obwohl bei weitem nicht alles glatt läuft. Was die Unternehmensergebnisse betrifft, ist man längst nicht mehr der Musterschüler der Armonker Konzernzentrale. So sackte das Inlandswachstum 1981 auf 1,5 Prozent ab. Doch weil viele Mitbewerber schlafen, manche sogar das Kunststück fertigbringen, dabei zu sündigen, braucht sich "Mother Blue" über mangelnden Zulauf hierzulande nicht zu beklagen.

Halten wir uns einmal vor Augen, welches Bild die IBM Deutschland derzeit bietet. Die Kehrseite der Medaille: Daß ein Topmanager wie Wilhelm ("Willi") Jägers zu Kienzle geht (Seite 1), bestätigt, was seit einem Jahr bei den Stuttgartern passiert. Viele Mitarbeiter des ehemaligen Bereichs Text- und Datensysteme (TD), fühlen sich seit der Vertriebsumstrukturierung zum 1.1. 1982 als fünftes Rad am Wagen.

Ex-TD-Chef Reiner Gohlke, auf das Nebengleis "Technischer Außendienst" abgedrängt, ließ sich von Ex-Verkehrsminister Volker Hauff nicht zweimal bitten und fährt heute wieder "Erster Klasse". Ironie des Schicksals: Der neue Bundesbahnpräsident wird vielleicht nicht verhindern können, daß aus der ITS-Posse bei der Bundesbahn noch eine IBM-Neuinszenierung wird, nachdem das Mammutprojekt "Integriertes Transportsteuerungs-System " vorerst auf Eis gelegt wurde und der bisherige ITS-Rechnerlieferant Siemens jetzt offenbar die Nase voll hat von dem Hin- und Hergeschiebe.

Die internen Kämpfe um die neue Vertriebsorganisation hatten ihren Anteil daran, daß nach Gohlke mit Jägers ein weiterer starker Mann des Vertriebs das IBM-Haus verläßt. Zufriedenstellen wird diese Analyse indes nur Marktteilnehmer, die IBM nicht kennen. Die Ursachen für die IBM-Managementkrise liegen tiefer. Mit der Ernennung des, so ein Zitat in DER SPIEGEL, "ehrenwerten Oberbuchhalters" Sparberg zum Unternehmensleiter wurde die IBM Deutschland konsequent auf Mittelmaß programmiert. Der wichtigste Unternehmensteil, der Vertriebsbereich, sieht sich in seinem Wirkungsgrad eingeengt. Mittlerweile kann sich eine stattliche Minderheit innerhalb des IBM-Vertriebs ein Berufsleben außerhalb der IBM vorstellen. Dissidenten aus Stuttgart? Daran wird man sich gewöhnen müssen.

Zwar wird bei der IBM auch erwogen, die Divisionalisierung wieder einzuführen. Das Parallelogramm der Kräfte - alle Macht den Finanzleuten - würde dadurch nicht verschoben. Zunächst will Sparberg sein Image sowohl innerhalb der eigenen Firma als auch bei den Kunden und Interessenten stärken. Den stellvertretenden Geschäftsführer Hans Peter Brockhaus, zuständig für Unternehmensverbindungen, läßt er eine Kampagne fahren, die die unternehmerischen Leistungen des neuen IBM-Chefs herausstellt. Nun weiß man aber, daß die IBM Deutschland gegenüber Paris und der World Trade in USA, wenn's um Export- oder Investitionsvolumina geht, nur geringen Einfluß hat. Wo gefertigt wird und was dann an andere IBM-Stellen geht, bestimmen die Generäle in der Armonker Zentrale. Verkaufen müssen die Töchter. Und dabei hilft ihnen, wenn auch ungewollt, die Konkurrenz.

Womit wir bei der Habenseite wären: Die Wangs und Tandems, Data Generals und Primes, um nur einige "lBM-Sekundanten" zu nennen, treiben mit ihren kleinen Affären den Anwender geradewegs in die Arme des Marktführers. Da werden die Deutschlandbosse gewechselt wie die Oberhemden - und mit ihnen die Marketingkonzepte, auf daß auch noch der letzte Nicht-lBM-Anwender verunsichert wird. Offenbar wollen die IBM-Mitbewerber keine Marktanteile.