PC-World-Forum in Moskau fällt ins Sommerloch

Sowjetischer PC-Markt leidet unter fehlenden West-Devisen

16.08.1991

MOSKAU (IDG) - Die DV-Euphorie der vergangenen Jahre ist verschwunden. Die miserable wirtschaftliche Situation und die politische Unsicherheit in der Sowjetunion wirken sich zunehmend negativ auf den Computer- und speziell auf den PC-Markt aus. Darunter hatte auch das zweite "PC-World-Forum" zu leiden, das nach dem großen Erfolg im vergangenen Jahr dieses Mal mit galoppierendem Aussteller- und Besucherschwund zu kämpfen hatte.

Kamen 1990 von 134 Firmen noch 67 Unternehmen aus dem Westen auf das Gelände der sowjetischen Allunions-Ausstellung in Moskau, waren es in diesem Jahr nur noch zehn westliche Companies von insgesamt 67 Teilnehmern. Auch die Besucher, die im vergangenen Jahr die Austellungshallen regelrecht stürmten, blieben in diesem Sommer zumeist zu Hause oder in ihren Datschas.

Obwohl sie noch im April auf der ebenfalls in Moskau stattfindenden Comtek erklärt hatten, sie würden in den sowjetischen Markt einsteigen, blieben Symantec, Wordperfekt, Digital Equipment, Intel und Lotus dem PC Forum fern. Die einzigen nicht-sowjetischen Aussteller waren Nantucket, IBM, Hyundai Electronics, Digital Research, Microsoft, SAS, Siemens-Nixdorf, Olivetti, Seagate und Simog International aus Frankreich. Ashton-Tate, 1990 einer der größten Aussteller, glänzte auf dem diesjährigen PC-World-Forum durch Abwesenheit. "Der sowjetische Markt erlebt eine Bereinigung - es gibt zur Zeit keine Einsteiger, und nur die wirklich engagierten westlichen Unternehmen bleiben", sagte Bruce Marquart, East-European Business Development Manager bei Ashton Tate, der bei dem Forum als Redner auftrat.

Zur Zeit kaum Einsteiger in den Markt der UdSSR

Seagate war eine der wenigen Firmen, die auch 1991 ausstellten. "Viele Unternehmen haben den Gürtel bereits enger geschnallt, aber unser Engagement hier ist langfristig angelegt, wir haben nie auf die schnelle Mark spekuliert", erklärte Brian Ramos, stellvertretender European Marketing Manager des Festplattenherstellers. Seiner Meinung nach sei gegenüber 1990 sowohl die Zahl der Aussteller als auch die der Besucher des diesjährigen Forums auf die Hälfte zusammengeschrumpft. Er macht allerdings nicht nur die Marktentwicklung dafür verantwortlich, sondern auch den gewählten Zeitpunkt für die von der International Data Group (IDG) und ihres sowjetischen Joint-ventures ICE organisierten Ausstellung. Schließlich seien Juli und August auch in der Sowjetunion die Hauptferienmonate, die viele Bürger in ihren Datschas auf dem Land verbringen. Nur die Neuheit der Veranstaltung und die Neugier auf die westlichen Produkte habe im vergangenen Jahr -trotz der Jahreszeit - die hohen Besucherzahlen gebracht, so Ramos weiter.

Darüber hinaus war auch der hohe Eintrittspreis für die geringe Besucherresonanz verantwortlich. Bedenkt man, daß ein guter Programmierer in Moskau nicht mehr als 500 Rubel im Monat verdient, scheint der Obulus von 15 Rubel pro Tag ein zu hoher Preis.

Gelernt mit dem Auf und Ab des sowjetischen DV-Marktes zu leben hat nach eigenem Bekunden die IBM. Robert Dunwell Direktor Communications der IBM World Trade, erklärte allerdings, daß die Devisenverknappung der vergangenen Monate nicht nur das Geschäft negativ beeinflusse, sondern auch das Vertrauen des Westens erschüttere. "Seit August 1990 hat das Fehlschlagen des sogenannten 500-Tage-Plans und der Rechtsruck in der Politik dazu geführt, daß viele Unternehmen ihr Engagement in der UdSSR nochmal überdacht haben", kommentiert Dunwell. Gleichwohl sagt der IBM-Manager eine neue Periode "des Optimismus" voraus: "Gorbatschow hat seinen Kurs wieder revidiert, Jelzin war in den USA und Gorbi in London.

Ich glaube, diese Entwicklung bringt einiges an Vertrauen zurück, und die Geldgeber sehen wieder optimistischer in die Zukunft." Weil die Produktion von Öl, Gas und Edelmetallen weiter zurückgehe, vermutet Dunwell, daß die meisten Devisen (als Kredite) aus dem Westen kommen werden.

Devisen bestimmen den Umfang des DV-Marktes in der UdSSR: Ist keine oder wenig harte Währung vorhanden, gilt der Markt als gesättigt. Nach sowjetischem Verständnis bedeutet das keineswegs eine Befriedigung der Nachfrage, sondern nur, daß die wenigen Organisationen, die über Devisen verfügen, ihren Bedarf entweder gedeckt haben oder zur Zeit keine Computer kaufen wollen. Außerdem wurden in den letzten vier Jahren viele PCs aus Spekulationsgründen gekauft, die jetzt ebenfalls gegen Valuta angeboten werden.

Auch Boris Antonyuk, Chef von ICE, spricht von einer Marktsättigung, die dazu geführt habe, daß die Hardwarepreise gegenüber dem Vorjahr um die Hälfte gefallen seien. Misha Novikov, Redakteur der "PC World UdSSR", will außerdem eine Verschiebung des Kaufinteresses in Richtung weicher Ware festgestellt haben. Zur Zeit entstünden neue Software-Unternehmen, deren Zahl rapide zunehme, wenn das aufgelegte "Conversion"-Programm weitere Ergebnisse zeige. Dieses Programm soll bisher militärisch genutzte Fabriken und Forschungsinstitute für zivile Zwecke nutzbar machen.

Software-Anbieter werden immer mehr

Weil die militärischen Produktionsstätten die einzigen waren, die halbwegs funktionierten, stellen sie bereits seit einigen Jahren nicht nur Panzer und Raketen her, sondern auch Konsumartikel vom Fahrrad über Fernseher sowie PCs bis hin zu Workstations und Software.

Nunmehr gezwungen, kommerziell erfolgreich zu arbeiten, beginnen diese Organisationen mehr und mehr, ihre Software zu vermarkten.

Heikki Auvenin, Marktbeobachter für das finnische Beratungsunternehmen Asumer Oy, erklärte, daß die enttäuschenden Resultate des International Computer Forums im Juni und des PC-World-Forums im Juli einen grundsätzlichen Trend zeigen: "Der PC- und der Software-Markt werden weiter zurückgehen.

Weder die lokalen Distributionskanäle noch Support- und Maintenance-Kapazitäten sind in der UdSSR genügend entwickelt. Das liegt nicht zuletzt an den hohen Messe-Ausgaben, die in der SU tätige Firmen aufbringen müssen."

Moskauer Messen - nutzlos und teuer

Peter McBride vom englischen Hersteller Quest Automation, einem der wenigen ausländischen Unternehmen, das ein Distributionsnetz in der SU aufbaut, stimmt Auvenins Aussage zu: Wir mieten keine Stände mehr auf Moskauer Messen. Sie sind sehr teuer und bringen kaum etwas." Bob Clough, Soviet Business Development Manager bei Nantucket, vertritt die Meinung, daß Messen allein den sowjetischen Markt nicht vorbereiten können.

Die Betonung, die West-Firmen bisher auf Messen gelegt hätten, würden eher beweisen, daß sie sich nicht wirklich engagieren würden: "Sie müssen hier ständig anwesend sein, wenn sie vorankommen wollen. Sie müssen hier ein Büro einrichten den Vertrieb organisieren und den Markt aktiv vorbereiten."