Sourcing - neue Kernkompetenz der IT?

31.07.2006
Von Tobias Ortwein
Die Skepsis gegenüber IT-Dienstleistern ist einem professionellen Umgang gewichen. Die meisten Anwender verfolgen eine dedizierte Sourcing-Strategie.
Der professionelle Einkauf von IT-Services ist komplex. Daher ist eine Blaupause oder eine Strategie erforderlich, um nicht vor jeder Entscheidung eine Grunsatzdiskussion führen zu müssen.
Der professionelle Einkauf von IT-Services ist komplex. Daher ist eine Blaupause oder eine Strategie erforderlich, um nicht vor jeder Entscheidung eine Grunsatzdiskussion führen zu müssen.
CIOs trauen ihren eigenen IT-Abteilungen sehr viel zu. Im Branchen- und Prozesswissen kaufen sie der externen Konkurrenz den Schneid ab. Zudem können sie ihrem Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen und aktuelle IT-Entwicklungen besser ins Kerngeschäft einbringen.
CIOs trauen ihren eigenen IT-Abteilungen sehr viel zu. Im Branchen- und Prozesswissen kaufen sie der externen Konkurrenz den Schneid ab. Zudem können sie ihrem Unternehmen Wettbewerbsvorteile verschaffen und aktuelle IT-Entwicklungen besser ins Kerngeschäft einbringen.

Die Begriffsvielfalt im Servicemarkt treibt Blüten: "Rightsourcing", "Bestsourcing", "Intelligent Sourcing" - die Anbieter haben viele Begriffe eingeführt, der Grundtenor ist jedoch immer derselbe. Er bedeutet: optimales Management des IT-Leistungsbezugs. Wer diesem Optimum entgegenstrebt, muss die Beschaffung von IT-Diensten professionalisieren, und dazu gehört eine entsprechende Sourcing-Strategie. Doch sind die professionellen IT-Anwender in Deutschland tatsächlich auf diese Entwicklung vorbereitet? Um dieser Frage nachzugehen, hat die computerwoche gemeinsam mit Pierre Audoin Consultants (PAC) eine Umfrage rund um das Thema "IT-Sourcing" betrieben.

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www.computerwoche.de/

576717: Mut zum Kuhhandel;

573582: Sourcing: Die Strategie ist das A und O;

576826: Anwender suchen externes Technik-Know-how;

575714: Die Kosten des Outsourcings.

Strategie - ja; Kontrolle - nein

Fast jedes Unternehmen schätzt die Vorteile einer Sourcing-Strategie, nur wenige kontrollieren aber den Erfolg. Einer aktuellen Umfrage von Pierre Audoin Consultants (PAC) und der COMPUTERWOCHE zufolge haben 80 Prozent der Unternehmen eine Vorgehensweise beim Bezug von IT-Dienstleistungen definiert, doch den nächsten Schritt zum effizienten IT-Bezug machen nur wenige. 60 Prozent der Befragten gaben an, den Erfolg der Sourcing-Strategie nicht zu messen. Sie verfügen damit über keine Mechanismen zur Schwachstellenanalyse und können die gelieferten Services somit nicht gezielt optimieren. 40 Prozent hingegen kontrollieren die Leistung ihrer internen und externen Dienstleister. Sie nannten Methoden wie Prozess-Controlling, Zufriedenheitsanalyse und Kosten-Benchmarks. Dieses Ergebnis ist nicht repräsentativ, weist aber darauf hin, dass der Outsourcing- beziehungsweise Sourcing-Markt zwar in den vergangenen Jahren auf Anwenderseite gereift ist, aber noch nicht am Ende seiner Entwicklung steht.

Die meisten haben eine Strategie

Ein bemerkenswertes Ergebnis der Befragung ist, dass 90 Prozent der Teilnehmer eine IT-Sourcing-Strategie als wichtig erachten und immerhin 80 Prozent sogar die Frage nach einer eigenen IT-Sourcing-Strategie bejahen. Wie umfassend dies tatsächlich ist, sei zwar dahingestellt, aber der hohe Wert zeigt deutlich, dass man sich heute wesentlich professioneller mit dem Thema "IT-Leistungsbezug" auseinander setzt als vor einigen Jahren. Damit dokumentiert die Umfrage einen Sinneswandel, der sich sehr gut an früheren Erhebungen und an der deutschen Outsourcing-Historie nachzeichnen lässt.

Deutsche lagern wenig aus

Die deutschen IT-Anwender schlugen in der Vergangenheit einen anderen Weg als viele ihrer Kollegen in Europa oder den USA ein. Während 2005 der Anteil an externen Ausgaben für Software und IT-Services (SITS) in den USA bei über 50 Prozent des gesamten IT-Budgets und der westeuropäische Durchschnitt immerhin bei deutlich über 40 Prozent lag, verzeichneten die PAC-Erhebungen in Deutschland nur einen Anteil von rund 38 Prozent. Diese Zahlen unterstreichen, dass Deutschland in Sachen IT - im internationalen Vergleich - eher eine "Do-it-yourself"-Gesellschaft ist.

Dementsprechend spielte in der Vergangenheit das Thema IT-Sourcing eine relativ untergeordnete Rolle, denn für Leistungsbezug und -erbringung war die interne IT in Personalunion zuständig. Wenig verwunderlich ist daher, dass nach PAC-Erhebungen noch vor fünf Jahren lediglich 30 Prozent der deutschen IT-Anwender ein Konzept für den IT-Einkauf vorweisen konnten. Und selbst dort, wo entsprechende Vorlagen existierten, erstreckten sie sich meistens nur auf dedizierte IT-Bereiche.

Seitdem hat sich auch hierzulande der Trend verstärkt, IT-Leistungsbezug und -erbringung zu entkoppeln. Um das Serviceangebot eines internen oder externen Anbieters auf der einen Seite und die IT-Servicenachfrage auf der anderen Seite in Einklang zu bringen, benötigen Anwender zwingend eine umfassende IT-Sourcing-Strategie. Insofern sind die Ergebnisse der aktuellen Studie folgerichtig - die Unternehmen sind offensichtlich dabei, ihre Hausaufgaben zu machen.

Dass das Thema IT-Sourcing mittlerweile "Chefsache" ist und im Sinne des Business Alignment eng an die Geschäftsanforderungen gekoppelt sein sollte, wurde ebenfalls durch unsere aktuelle Umfrage bestätigt: In knapp der Hälfte der befragten Unternehmen trägt die Geschäftsführung die Verantwortung für die Definition der IT-Sourcing-Stragie.

Mehrere Sourcing-Dimensionen

Ein professioneller Umgang mit dieser Aufgabe ist auch deswegen erforderlich, weil in die Sourcing-Strategie eine Vielzahl von Überlegungen einfließen (siehe Grafik "Die Dimensionen des Sourcing"). So verfolgen beispielsweise fast zwei Drittel der Unternehmen eine Multi-Sourcing-Strategie. Der Einkauf bei mehreren Dienstleistern funktioniert allerdings nicht ohne feste Regeln, die die Wechselwirkung der Services untereinander berücksichtigen.

An der "inhaltlichen Dimension", also der Art der externen Services, hat sich gegenüber früheren Befragungen wenig verändert. Über 80 Prozent der Unternehmen gaben an, im Infrastrukturbetrieb bereits mit externen Partnern zusammenzuarbeiten. Das war zu erwarten, denn diese Art der Dienstleistung gilt als "Commodity". Das heißt, ihre Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit ist wichtig, für den Geschäfterfolg sind sie jedoch nicht relevant.

Auch im Applikationsumfeld betreiben 70 Prozent der befragten Unternehmen Outsourcing. PAC geht hier von weiter steigenden Werten aus: Wenn 30 Prozent der Unternehmen in diesem Bereich keine externe Unterstützung suchen, weist das auf eine zu hohe Fertigungstiefe hin. Nur zehn Prozent der Befragten lassen dagegen ihre Geschäftsprozesse extern betreiben. Der Markt für Business Process Outsourcing (BPO) ist in Deutschland noch sehr jung und dürfte sich weniger stürmisch entwickeln als in Großbritannien und den USA.

Vorbehalte gegenüber Offshoring

Auch hinsichtlich der räumlichen Dimension hält sich Deutschland im Vergleich zu den anglo-amerikanischen Ländern zurück. 70 Prozent der befragten Unternehmen nutzen eigenen Angaben zufolge keine Offshore- und Nearshore-Kapazitäten. Die Gründe dafür sind rechtliche Probleme, mangelnde Trans- parenz, Sicherheitsbedenken, Zweifel an der Qualität beziehungsweise an der Möglichkeit eines sinnvollen Einsatzes.

An der Befragung beteiligten sich fast ausschließlich CIOs, 80 Prozent von ihnen vertrauen bei der Aufgabe, eine innovative IT-Landschaft zu schaffen, auf die Fähigkeiten der internen IT. Das ist vernünftig, denn die Verantwortung dafür zählt zu den Kernkompetenzen der hauseigenen IT-Spezialisten. Trotzdem - und das bestätigt immerhin über ein Fünftel der Befragten - nutzen IT-Abteilungen dabei auch zunehmend die Unterstützung externer Partner.

Die Stärken der internen IT

Nach Meinung der CIOs ist die interne IT zudem auf jeden Fall besser dazu geeignet, Branchenwissen bereitzustellen, Geschäftsprozesse zu unterstützen und Wettbewerbsvorteile zu schaffen. Dagegen sind höhere Verfügbarkeit, Skaleneffekte und Kosteneinsparungen aus Sicht der Anwender besser mit Hilfe externer Anbieter zu erreichen (siehe Grafik "Interne IT-Abteilungen glänzen mit Prozess-Know-how").

Diese Ergebnisse sind mit Vorsicht zu genießen, denn die CIOs bewerten hier zum Teil die Leistungsfähigkeit ihrer eigenen Abteilung. Doch die Umfrage lässt sich auch als Aufforderung an die IT-Dienstleister auffassen. Bislang haben es die externen IT-Anbieter offensichtlich nicht ausreichend verstanden, sich den Anwendern als Innovatoren zu präsentieren, die ihnen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen - über reine Kostenreduktionen hinaus.

Anwender scheuen das Risiko

Die Vergütung ist eng mit dem Grad der Zusammenarbeit verknüpft. Für strategische Partnerschaften bieten sich Modelle an, die den Dienstleister sowohl am unternehmerischen Risiko als auch am Erfolg beteiligen. Immerhin 30 Prozent der Befragten haben entsprechende Modelle bereits eingeführt, weitere zehn Prozent planen es. Dieser hohe Wert ist sicher nicht repräsentativ, beweist aber die zunehmende Offenheit der Anwender für neue Entlohnungsformen. Andere Erhebungen von PAC haben ergeben, dass im vergangenen Jahr deutschlandweit nur rund zehn Prozent aller abgeschlossenen Verträge tatsächlich "Benefit-/ Risk-Sharing"-Modelle beinhalteten.

Wenn heute der Outsourcing-Markt - wobei Sourcing nicht mit Outsourcing gleichzusetzen ist - in ein kleines Wachstumsloch gefallen ist, liegt das zum einen an der Tatsache, dass bei vielen Anwendern immer noch professionelle IT-Sourcing-Strategien fehlen. Zum anderen aber konnten die Anbieter bei den Anwendern auch einfach noch nicht das richtige Wohlgefühl schaffen, dass diese veranlasst hätte, sich vorbehaltlos den Angeboten der Dienstleister zu öffnen.

In unserer aktuellen Befragung erklärte fast die Hälfte aller Teilnehmer, dass sie die Komplexität des Provider-Managements abschrecke. Das ist erstaunlich, denn eine Sourcing-Strategie sollte diesen Aufwand reduzieren. Offenbar ist es den Anbietern auch nicht gelungen, den potenziellen Kunden glaubhaft zu vermitteln, dass der Fremdbezug von IT-Leistungen keine Governance-Probleme, versteckten Kosten, Verluste an spezifischem Wissen und Schwierigkeiten bei der möglichen Rückabwicklung verursacht. Jeweils 80 Prozent oder mehr der Befragten nennen diese Risiken des Outsourcings.

Auch die Kriterien, die bei der Partnerauswahl eine große Rolle spielen, lassen vor allem auf der Anbieterseite noch Handlungsbedarf erkennen. So erachten fast alle Anwender ein transparentes Angebot bei ihrer Partnerauswahl als "wichtig" bis "sehr wichtig". Aber wem - besonders unter den großen Anbietern - ist es mittlerweile gelungen, ein transparentes Leistungsportfolio zu entwickeln? Um es einmal überspitzt zu formulieren, bekommt ein CIO für ein Problem, dessen Lösung er ausschreibt, von fünf verschiedenen Anbietern zehn unterschiedliche Lösungsvorschläge, die zudem kaum vergleichbar sind. Hier können zum Beispiel einheitlich formulierte, standardisierte Service-Level-Agreements (SLAs) Abhilfe schaffen, die insgesamt eine neue Transparenz ermöglichen würden.

Labile Partnerschaft

Ein weiterer interessanter Aspekt ist, dass die Befragten bereits bestehende Geschäftsbeziehungen mehrheitlich als "weniger wichtig" bis "unwichtig" erachten. Das weist auf Handlungsbedarf auf beiden Seiten der Partnerschaft hin: Zum einen würdigt der Anwender noch zu selten die Vorteile, die eine langfristig angelegte Zusammenarbeit mit sich bringt, und fasst das Verhältnis zum Dienstleister offenbar als Kunden-Lieferanten-Beziehung und weniger als Partnerschaft auf. Zum anderen haben es die meisten Anbieter immer noch nicht geschafft, die Kunden eben genau von diesen Vorteilen zu überzeugen.

Die Zusammenarbeit zwischen IT-Anwender und IT-Anbieter steht vor ihrer nächsten Entwicklungsstufe. Sie muss weiter professionalisiert werden. Das setzt auf der Anwenderseite voraus, dass eine professionelle IT-Sourcing-Strategie entwickelt wird, für die das Topmanagement verantwortlich ist. (jha)