SYSTEMS-Softwareanbieter von undurchsichtigen Vorgängen im Hardwarehersteller-Bereich betroffen:

Sorgsamer Projekteinstieg mit allen Mitteln

30.10.1981

MÜNCHEN - "Auch die Führungsspitzen deutscher Unternehmen sind mittlerweile Software-minded." Zu dieser Aussage sieht sich Dr. Klaus Neugebauer, Geschäftsführer der Münchner Softlab GmbH, im Rückblick auf die SYSTEMS veranlaßt. Welches Spektrum diese Messe inzwischen abdeckt, geht aus den diversen Etikettierungen hervor, die Besucher und Aussteller ihr zusprachen: Anwender-Messe, reine Kontaktmesse, internationale Messe, Mikro-Messe, führende Fachmesse.

Um mehr als 40 Prozent überstieg nach den Ermittlungen der Messegesellschaft die diesjährige Besucherzahl diejenige von 1979. Auf den Ausstellungsständen der Softwarebranche wurden gegen Messeschluß noch höhere Zahlen genannt. Sie reichten von 50 Prozent bei der Softlab bis zu 250 Prozent beim mbp, Dortmund (der allerdings auch in weitaus größerem Stil auf dieser SYSTEMS auftrat als zwei Jahre zuvor). Oder wie Ernst H. Kelting für die MSP GmbH, Rellingen, formulierte: "Wir hatten pro Tag mehr verfolgenswerte Kontakte als vor vier Jahren während der gesamten SYSTEMS-Woche."

Einhellig unterstrichen die Aussteller die auffallend hohe Qualifikation ihrer Gesprächspartner, die jedoch nicht nur als Experten, sondern auch als Verantwortliche und Entscheidungsträger zur SYSTEMS gekommen waren. Die Zunahme hinsichtlich Qualität und Quantität der Besucher führte man auf den Messeständen auf unterschiedliche Ursachen zurück.

Wachstumsrezepte

So meinte etwa Laszlo Tarnai, Geschäftsführer der Münchener R + S GmbH: "Die Wirtschaftslage erlaubt den Betrieben vielfach nicht länger den Aufschub von Entscheidungen; und jetzt, wo es dringend ist, sind auch die Vorurteile gegenüber der Standardsoftware plötzlich nicht mehr existent."

Andere Aussteller - so die Düsseldorfer Informatics GmbH, die gdo Dr. Heiß GmbH, Dossenheim, und die Advis Jörg E. Richter GmbH, Wiesbaden - beobachteten eine gestiegene Nachfrage nach Standard-Tools und Engineering-Methoden auf dem Software-Sektor. Auch das Angebot schlüsselfertiger Lösungen war geeignet, Neukontakte zu schaffen, wie etwa die Aachener GEI GmbH mitteilte.

Einen weiteren Grund für das starke Interesse der SYSTEMS-Besucher machten die beiden Anbieter ADR GmbH, Düsseldorf, und MSP aus. Die unmittelbare Software-Demonstration an je einem DOS- und einem OS-Terminal, meinte ADR-Geschäftsführer Werner K. Müller, sei bei den Interessenten bestens angekommen. Und MSP-Kelting ließ verlauten, es sei vorteilhaft gewesen, das Produkt "Datamanager" online demonstrieren zu können. Kelting wörtlich: "Unseres Erachtens sollte die Softwarebranche erwägen, eine jährliche Softwaremesse mit Online-Demo für jedes angebotene Produkt durchzuführen. Hier kann oft innerhalb einer halben Stunde mehr erklärt werden als auf einer halbtägigen In house-Präsentation."

Während Aussteller wie die Münchner Alldata-Service GmbH, die ADR oder die SAP GmbH, Walldorf, die Hochkarätigkeit ihrer Besucher hervorhoben, ohne hier weiter zu differenzieren, kamen von anderer Seite ergänzende Anmerkungen: So berichtete die Nordhorner Orga-Ratio GmbH von einer auffallenden Zunahme von Vertretern betrieblicher Fachabteilungen; beim mbp sprachen sehr viele Vertreter der mittelständischen Wirtschaft vor; und andere Aussteller begrüßten unerwartet viele ausländische Besucher auf ihren Ständen.

Beispiele: Bei Informatics kamen zehn Prozent der Gesprächspartner aus dem Ausland, vor allem aus Österreich und der Schweiz; die GEI besuchten viele Briten und Franzosen; Advis registrierte darüber hinaus zahlreiche Polen und Amerikaner. Zum Softlab-Stand drängte es viele Besucher aus dem gesamten europäischen Ausland, aber auch aus Japan und Korea; und bei der gdo ließen sich besonders viele Österreicher beraten. Der gelegentlich - wenn auch nur inoffiziell und sarkastisch - geäußerte Vorwurf, die SYSTEMS sei eine überaus Bayern-lastige Angelegenheit, wurde auf den Messeständen klar zurückgewiesen.

Das Problembewußtsein der Anwender, die vor der Abwicklung eines großen Projekts stehen, hat sich, wie die SYSTEMS zeigte, in der jüngeren Vergangenheit auf breiter Front fortentwickelt. Als einen Indikator dafür wertete Softlab-Geschäftsführer Neugebauer die verstärkte Sorgfalt, die die Anwender der Definitionsphase eines Projekts widmen. Neugebauer: "Man weiß inzwischen, so ein Ding ist kein Programmierjob. Die Frage lautet: Projekte, aber wie?"

Vom profunden Informationsbedarf der Interessenten berichtete auch die SAP: Jeder der über 100 auf der SYSTEMS erfaßten (und damit als "ernsthaft" eingestuften) Gesprächspartner der Walldorfer verweilte nach Angaben von Geschäftsführer Dietmar Hopp mindestens eine halbe Stunde, nicht selten aber auch volle drei Stunden am SAP-Messestand. Und Informatics-Geschäftsführer Rolf Klostermann stellte fest, die bei ihm vorsprechenden Vertreter des höheren Managements und der "gehobenen Systementwicklung" hätten sich in keinem Falle mit Global-Antworten abspeisen lassen.

Hersteller-Karussell

Was den Anwendern zu schaffen macht, sind aber nicht nur Wissensstandlücken im eigenen Hause. R+S-Geschäftsführer Tarnai beispielsweise diagnostizierte Probleme bei vielen Hardwareherstellern - so etwa bei Kienzle und Triumph-Adler - , die den Anwender beunruhigten.

In die gleiche Richtung argumentierte Neugebauer: "Den klassischen EDV-Anbieter der vergangenen zehn Jahre gibt es nicht mehr, wenn man am deutschen Markt vielleicht einmal von IBM und Nixdorf absieht. Ansonsten sind allenthalben umwälzende Entwicklungen hin zu einer ganzheitlichen Informationstechnologie zu beobachten. Man denke nur an Häuser wie Philips und TeKaDe, Bosch und TN, Olympia sowie Mannesmann und Kienzle." Dieses Karussell, empfahl Neugebauer, müsse schnellstens aufhören, sich zu drehen; denn der Nachfrager brauche klare Fronten.

Probleme hatten auch zahlreiche SYSTEMS-Aussteller selbst. So diktierte Michael Weintraub, Geschäftsführer der Münchner BGS GmbH, dem Berichterstatter in den Notizblock: "Ich bin mit dem organisatorischen Chaos der SYSTEMS, wo kein Messenachbar zum anderen irgendeine Beziehung hat, nicht zufrieden. Uns zu finden, blieb für den Messebesucher ein Lotteriespiel. Das Chaos hat uns um wesentliche Erfolgsanteile gebracht, die wir hätten realisieren können."

Chaos und Polizisten

Dem Chaos-Vorwurf schlossen sich an

- die R + S GmbH,

- die ESC Software GmbH, Düsseldorf, und (in abgeschwächter Form)

- die Orga-Ratio GmbH. Eine betont gegenteilige Haltung - trotz ihres Solitär-Standortes - nahmen ein

- die ADR GmbH,

- die Alldata GmbH,

- die Informatics GmbH sowie - die GEI GmbH.

Kritik anderer Art kam von Advis-Geschäftsführer Jörg E. Richter. Unter Hinweis auf das von der Messeleitung angeheuerte "Polizisten-Personal" meinte er: "Ich habe nicht das Gefühl, daß die Messeleitung uns als Kunden behandelt." Weitere Kritikpunkte Richters waren die glatten Hallenböden ("Für einen Sisalteppich wird das Geld doch wohl noch reichen") und der offizielle Messekatalog: Warum - so seine Frage - enthält er nicht die Stand-Telefonnummern?

Den Katalog bemäkelte auch die GEI, weil er zu spät erschienen sei, keine Produkt-Stichworte enthalte und dem Hannover-Katalog das Wasser nicht reichen könne. Robert Weber von der gdo empfand die Betreuung der Aussteller durch die Messegesellschaft als insgesamt unzureichend.