Sonne und Wolken per Bild, Ton, Voice-Mail und ISDN Die Wetterfroesche arbeiten heutzutage in Computernetzen Von Uwe Tempelmann*

09.09.1994

Seit vier Jahren versorgt die private Muenchener Agentur Meteo Media Consult Radio- und Fernsehstationen sowie Printmedien mit Wetterberichten. Fuer den Erfolg des Unternehmen ist entscheidend, ihren Kunden aktuelle Wetterberichte in der gewuenschten Form uebermitteln zu koennen - sei es als grafisch aufbereitetes Text- und Bildmaterial mittels E-Mail, Faxmodem, Video-Signal oder als sendefertiger Ton-Bericht mittels Voice-Mail ueber ISDN. Mit Beginn der 90er Jahre begannen sich kleinere, kommerzielle Anbieter neben dem Deutschen Wetterdienst zu etablieren. Die Menge privater Radio- und Fernsehanbieter mit ihren zielgruppenorientierten Programmen verlangten nach unterhaltsamen Wetterpraesentationen. Die Bezeichnung "Wetter-Infotainment" kennzeichnet am besten diese gezielt auf die Beduerfnisse des jeweiligen Senders zugeschnittene Berichterstattung. Den rundfunkerfahrenen Pionieren im Bereich privater Wetterberichterstattung, Christian Koenig und Frank Bandle, war bei der Gruendung ihres privaten Wetterdienstanbieters Meteo Media Consult mit Sitz in Ismaning bei Muenchen klar, dass sie eine unterhaltsame Wetterpraesentation nur mittels einer massgeschneiderten und dennoch kostenguenstigen DV- und Studio- Ausruestung realisieren konnten. Zum Zeitpunkt der Gruendung 1990 noch mit PCs ausgeruestet, stellten die beiden Diplom-Meteorologen 1991 in ihrem Unternehmen sowohl Hard- als auch Software auf Nextstep um. Ausschlaggebend dafuer waren die Multitasking- und Multiuser-Faehigkeiten des objektorientierten Betriebssystems, das multimediafaehige E-Mail System von Next sowie nahezu massgeschneiderte Software-Bausteine, wie zum Beispiel das fuer Next entwickelte, durchgaengig objektorientierte Publishing-System "1Vision" von der TMS GmbH, Regensburg, das Tonstudio-Programm "Production Partner" von der RCN GmbH, Berlin, mitsamt dem DAT-faehigen Soundprogramm "Soundworks" von der Metaresearch Inc., Portland, Oregon, und der Datenbank-Server von Sybase fuer die Dokumentation von Wetterdaten. Nun muss bei einem professionellen Anbieter von Wetterberichten aus Kostengruenden ein Meteorologe mehrere komplexe Arbeitsgaenge bearbeiten koennen. Dies betrifft nicht nur die selbstverstaendliche Buerokommunikation, etwa waehrend eines Schichtdienstes nach normalem Bueroschluss, sondern vor allem Arbeiten, die bei der computergestuetzten Wetterberichterstattung im Mittelpunkt stehen. Erstellt ein Meteorologe bei Meteo Media Consult einen Wetterbericht fuer ein Printmedium, so muss er zuerst das gescannte oder ueber Modem direkt an den Rechner gesendete Kartenmaterial sichten, grafisch interpretieren und sodann in eine fuer den jeweiligen Medienanbieter adaequate Form bringen. Im einzelnen bedeutet das, dass die Grafiken verschiedene Stufen der Bearbeitung durchlaufen. Die Karten beziehungsweise vergroesserte Ausschnitte sind fuer jeden Kunden neu zu zeichnen; Wetterbewegungen wie Wind oder Regen werden mit sogenannten Radarniederschlagsbildern verglichen und auf den Karten grafisch verdeutlicht und mit Fuellfarben hervorgehoben. Standbilder fuer das Fernsehen Sodann faellt eine weitere grafische Aufbereitung der wesentlichen meteorologischen Daten an: In stilisierte Landkarten werden die ermittelten Wettertendenzen grafisch eindeutig lesbar eingezeichnet und mit Wettersymbolen versehen. Schliesslich legt man die ermittelten Daten in der Datenbank ab, die jedem Mitarbeiter des Unternehmens zugaenglich sind. Der Wetterbericht selbst wird ueber die ISDN-Leitung als Standard-Tiff-Datei (Tag Image File Format) an den Kunden verschickt. Auch fuer Produktion von Standbildern fuer das Fernsehen wird ein umfangreiches Paket an Publishing-Programmen eingesetzt. Dabei sind Litho- bzw. Grafikfunktionen angesichts der komplexen Aufgaben fuer den einzelnen Mitarbeiter besonders wichtig. Dieser bearbeitet die eingehenden Bilder und speichert sie als Standbilder in einer Datei unter einem standardisierten Format wie zum Beispiel EPS (Encapsulated Postscript) ab. Auf diese Weise koennen die Programmanbieter das Bild ohne Nachbearbeitung uebernehmen. Sie erhalten es entweder als Videoband oder mittels Datenuebertragung ueber ISDN. Fuer die Produktivitaet des Wetteranbieters stellt die rasche Uebermittlung von Standbildern einen wichtigen Erfolgsfaktor dar. Denn zumal bei sogenanntem Extremwetter muessen aktuelle Bilder von jedem Meteorologen schnell bearbeitet und uebermittelt werden koennen, um die Aktualitaet des Wetterberichts zu garantieren. Darueber hinaus betont Geschaeftsfuehrer Bandle, "dass wir als kleines Unternehmen aus Personalgruenden darauf angewiesen sind, verschiedene Vorgaenge von einer Person bearbeiten zu koennen. Bei einem Schichtwechsel oder aktuellen Wetterberichten, die innerhalb von weniger als zwei Stunden erstellt werden, muss jeder Mitarbeiter alle Bearbeitungsschritte realisieren koennen. "Dabei entstehende zusaetzliche Rechneraufgaben koennen mit Hilfe des Multitasking-Betriebssystems im Hintergrund ablaufen, was die Effizienz des Rechnereinsatzes erheblich steigert. So kommt beispielsweise eine neue Wetterkarte ueber das Faxmodem auf dem Rechner an, waehrend gerade die Farbfuellung einer Karte erfolgt, ohne dass der Rechner blockiert wuerde. "Das war ein weiterer wichtiger Grund fuer unsere Wahl des Betriebssystems", unterstreicht Bandle. Gerade nach der Vergroesserung des Teams auf mittlerweile fuenf Meteorologen und einen Softwarespezialisten sieht er sich bestaetigt. Der ISDN-Anschluss wird durch ein spezielles, EURO-ISDN-kompatibles Phillips 7-KHz-Telefon ergaenzt. Dieser Anschluss befindet sich im eigenen Tonstudio, der "mission critical custom application" des Wetteranbieters. Denn darin werden die Sendungen fuer die Radioanbieter produziert und via ISDN sendebereit uebermittelt. Auch hier gilt, dass fuer die Medienanbieter eine redaktionelle Nachbesserung entfaellt. "Die Radio-Redakteure muessen unsere Produktion nicht einmal mehr abmischen, sondern nur noch auf das gewuenschte Tonlevel hochfahren", erklaert Bandle. "Die Vorteile dieser Uebermittlung liegen ganz klar auf der Hand. Unsere sendefaehigen, aktuellen Wetterberichte sparen den Anbietern die Kosten einer eigenen Wetterredaktion. "Die Tonstudioausruestung besteht aus einem Mischpult fuer Tonaufzeichnungen, dem Sony PCM 501 Digital Audio Prozessor sowie dem "Production Partner", einer digitalen Aufnahme-, Editier- und Abmisch-Software. Mit dieser Ausruestung werden in dem kaum vier Quadratmeter grossen Tonstudio alle Wetterberichtproduktionen erstellt und den Radioanbietern uebermittelt. Im Detail heisst das: Die Beitraege werden mittels Mikrofon und Mischpult digital aufgenommen und dann auf die Rechner fuer sekundengenaues Nachbearbeiten und Mischen uebernommen. Jeder Meteorologe kann durch mausgesteuerte Funktionen seinen Beitrag editieren. Auf dem Rechner wird der Ton nachgemischt, Wortergaenzungen werden im Studio aufgenommen und in die bestehende Wort- bzw. Tondatei uebernommen. Unternehmenseigene Software-Entwicklung Ist der Beitrag fertig editiert, wird er an das Mischpult zurueckgegeben und von dort ueber ISDN an den Kunden, wenn moeglich als komprimierte Ton-Datei, weitergeleitet. Dieses Verfahren erlaubt dem Wetterberichtanbieter, selbst aktuellste Veraenderungen in seine Wortbeitraege noch einarbeiten zu koennen. Um am Puls der Zeit zu bleiben, werden von dem kleinen Team immer wieder neue Ideen realisiert. Grundsaetzlich erleichtert wird dies durch die Moeglichkeit, mit Betriebssystemwerkzeugen in kurzer Zeit eigene Programme zum Ablauf zu bringen. Diese Programme erscheinen dem Benutzer als normale, vertraute Applikationen, so dass die Einarbeitungszeit denkbar knapp ist. So wurde mit Hilfe des "Developer Kit" von Nextstep innerhalb von zwei Tagen ein Programm zur exakten Bestimmung der Sonnenauf- und -untergangszeiten an verschiedenen Orten entwickelt. Als einen zusaetzlichen Vorteil der objektorientierten Programmierung unterstreicht Bandle dabei, dass jeder Mitarbeiter ohne spezielle Schulung diese Daten verwenden kann. "Die einheitliche Menuefuehrung bei allen, auch selbstprogrammierten Programmen ermoeglicht unseren Mitarbeitern, schnell und sicher alle Programme zu nutzen". Dies trifft auch fuer die Datenbank zu, die mit Hilfe eines Sybase- Datenbank-Servers und des Database-Kit von Nextstep erstellt wurde. Sie enthaelt eine - noch zu vervollstaendigende - Wetterhistorie der letzten zehn Jahre, die fuer Anfragen von Hoerern und Lesern bei Medienanbietern, fuer statistische Zwecke und intern fuer Aufgaben wie den bald realisierten, kommerziellen Wetter- Mailboxen eingesetzt wird. Die Mitarbeiter koennen in der Datenbank Informationen abfragen und ablegen, ohne von SQL (Standard Query Language) etwas verstehen zu muessen. Auch hier erlaubt die einheitliche Oberflaeche sowie die kurze Programmierzeit, genau die "Front-end-Applikationen" zu erstellen, die der Wetterberichtanbieter benoetigt. Gefragt, welche Ziele sich die Meteo Media Consult fuer die nahe und laengere Zukunft gesetzt hat, skizziert Bandle folgendes: "Der momentane Umfang der Wetter- und Umweltbeitraege soll ausgeweitet werden. Wir denken dabei an grafische Umsetzungen von Wetternachrichten fuer das Fernsehen wie zum Beispiel animierte Wetterbilder, wie sie in den USA Standard sind. Die EDV umfasst heute vier Next- und zwei unter Nextstep laufende Intel-PCs. Sie sind mittels Ethernet in ein Client-Server-LAN integriert, so dass jedem Benutzer sein individueller Arbeitsplatz zur Verfuegung steht, gleich an welchem Rechner er sich angemeldet hat. Dadurch werden Leerzeiten, etwa durch die Blockierung eines bestimmten Rechners, grundsaetzlich vermieden. Ein Nextstep-Rechner mit 40 MB Hauptspeicher und einer 1,7-GB- Festplatte dient als Server, ein ebenfalls unter Nextstep laufender 486/66 MHz Intel-PC mit 32 MB Hauptspeicher und einer 1,4-GB-Festplatte wird als zweiter Server eingesetzt, um bei einem etwaigen Ausfall des Haupt-Servers Datenverluste zu vermeiden. Ein Drucker, ein CD-ROM-Laufwerk sowie drei Modems und ein ISDN- Anschluss komplettieren die Hardware. Drukker und Fax-Modems sind ebenfalls ueber das Netz angeschlossen, so dass der gemeinsame Zugriff von allen Rechnern aus gegeben ist.