Sommertheaterkritik

17.07.1987

Pünktlich zum Beginn der Bonner Sommerpause ist in der Bundeshauptstadt die alte Jobkiller-Debatte wieder aufgeflammt. Die Kontrahenten: Eine um publikumswirksame Themen bemühte rote Stallwache und der schwarze Forschungs- und Technologieminister. Die SPD macht sich Sorgen. Die Aufgabe der Abschätzung von Technikfolgen, so meint ihr Obmann in jenem Bundestagsausschuß, der das BMFT kontrollieren soll, sei bei Riesenhuber in den falschen Händen.

Der Mann mit der obligatorischen Fliege hat jedoch jetzt unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß sich die Anbieter von Produkten der "Informations- und Kommunikationstechnologien" auf ihn verlassen können. Er ließ - wie schon in den Jahren 1985 und 1986

- seine ministeriellen Adlati ein Konvolut von statistischen Untersuchungen zu einer Dokumentation verarbeiten, mit der er Sozis wie Gewerkschaften so richtig den Wind aus den Segeln nehmen wollte. Denn wer moderne Technik einsetzt, schafft automatisch Arbeitsplätze.

Pech für Riesenhuber: Die Arbeit geriet zum Windei. Denn die meisten neuen Jobs, die die Statistik unter "Dienstleistungen" führt, haben Staat und öffentlich-rechtliche Einrichtungen selbst geschaffen. Abgesehen von einigen Sparten der grauen Post kann man diese Arbeitsplätze beim allerbesten Willen nicht dem Einsatz von DV-Technik zuschreiben. Wie war das noch mit den zusätzlichen Planstellen in den Arbeitsämtern?

Man mag die Unzulänglichkeiten damit erklären, daß das BMFT aus dem Atomministerium hervorgegangen ist und von daher, historisch gesehen, über keinen Draht zur empirischen Sozialforschung verfügt. Ebenso peripher scheinen übrigens die Kenntnisse über die Datenverarbeitung zu sein: Auch wer sich für viel Geld neue "Büromaschinen" (Triumph-Adler Gabriele?) zulegte, investierte in einen "Indikator für die Anwendung moderner Technologien im Büro- und Verwaltungsbereich" und war somit ein innovativer Unternehmer.

Was sehr viel schwerer wiegt als die kleinen Versehen, ist die Willkür, die die BMFT-Strategen bei der Interpretation der Statistik an den Tag legten. Denn worauf gründet sich etwa die Erkenntnis, daß es den prosperierenden Branchen so gut geht, weil sie die modernsten Computer einsetzen? Vielleicht sind ja nur gesunde Unternehmen in der Lage, sich stets das Neueste, Schnellste, Beste zuzulegen, was die DV-Industrie bietet?

Die BMFTler hatten keine Bedenken, für Banken die gleichen Kriterien anzulegen wie für Speditionen oder Handelsunternehmen, bei denen Investitionen und Personalpolitik gänzlich unterschiedlichen Rahmenbedingungen unterworfen sind. Und daß die Entwicklung zur "postindustriellen Dienstleistungsgesellschaft" mit mehr als 50 Prozent Büro-Arbeitern von den Sozialwissenschaftlern schon lange vor dem Computerboom vorhergesehen worden war, hielt die Bonner bei ihrer Arbeit auch nicht von ihrer einseitigen Betrachtung ab. Wen wundert es da noch, daß sie einfach den Umstand ignorierten, daß dicke Auftragspolster aus dem Hoch-Dollar-Jahr 1985 der Exportwirtschaft letztes Jahr viel mehr geholfen haben als ihre gesamten Aufwendungen für neue Technik?

Gänzlich entwertet wird die Studie jedoch durch die Aussage, daß die "negativen Arbeitsmarktwirkungen moderner Technologien" überschätzt würden. Denn mit dieser Formulierung werden diese negativen Wirkungen sehr wohl eingeräumt. Der DV-Industrie, der sie vermutlich helfen sollte, hat die Dokumentation einen Barendienst erwiesen. Den Riesenhuber-Kritikern spült sie Wasser auf die Mühlen.