Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Softwareübergabe vor Dokumentation

10.08.2001
Nach der Rechtsprechung ist bei Individualsoftware auch ohne ausdrückliche Vereinbarung zumindest eine Anwenderdokumentation zu liefern. Der Bundesgerichtshof hat nun entschieden, dass diese Dokumentation erst mit Fertigstellung der Software übergeben werden muss.

Die Rechtsprechung hat geklärt, dass Verkäufer von Standardsoftware und Hersteller von Individualsoftware auch eine Benutzerdokumentation zu liefern haben. Fehlt die Dokumentation, ist die Leistungspflicht gegenüber dem Kunden von vornherein nicht erfüllt.

Verträge zur Erstellung von Individualsoftware sind oft Werkverträge: Der Anbieter muss eine ordnungsgemäße Software fertigstellen, die dann vom Kunden abzunehmen ist. Gesetzlich wird die Vergütung erst mit Abnahme fällig, dann beginnt die Gewährleistung. Ohne Dokumentation liegt aber noch gar keine Fertigstellung vor. Der Kunde kann nicht nur die Abnahme verweigern, er muss die Abnahmeprüfung noch nicht einmal beginnen.

Der Bundesgerichtshof hat nun (Urteil vom 20. Februar 2001, AZ: X ZR 9/99) entschieden, dass die Dokumentation erst mit Fertigstellung der Individualsoftware geschuldet ist. Vorher stehe noch nicht fest, welche Funktionen die Software genau habe, die in der Dokumentation zu beschreiben sind. Für diese Funktionen hat der Kunde seine fachlichen Anforderungen zu definieren, damit der Hersteller die Software realisieren kann. Die Dokumentation kann der Kunde dann erst mit Abschluss der Softwareerstellung verlangen.

In der Praxis können Anbieter den Forderungen ihrer Kunden nach Dokumentationen vor Fertigstellung der Software gelassen entgegensehen. Wenn Kunden eine frühere Dokumentation benötigen, müssen sie dies ausdrücklich vereinbaren.

*Martin Schweinoch und Stefan Krätschmer sind Rechtsanwälte in der Münchner Kanzlei Schweinoch Tacke Roas.