Unabhängige US-Anbieter passen sich der Lizenzpolitik der IBM weitgehend an:

Softwarepreise werden künftig gestaffelt

28.08.1987

FRAMINGHAM (CWN) - An den gestaffelten SW-Preisstrukturen der IBM orientieren sich jetzt auch mehrere unabhängige Software-Anbieter in den USA. Vorreiter dieser neuen Preispolitik sind Cullinet, Applied Data Research (ADR), On-Line Software International, die Software AG of North America und Cincom.

Vor allem im 9370-Bereich soll die überarbeitete Gebührenordnung erhebliche Kosteneinsparungen für die User mit sich bringen. So will beispielsweise ADR die Kunden in diesem Marktsektor künftig nur noch mit 15 bis 35 Prozent dessen zur Kasse bitten, was bislang für Mainframe-Programme berechnet wurde.

Auswirkungen wird die gestaffelte Preisstruktur aber auch auf das High-end-Geschäft haben, vor allem im Umfeld der MVS-System-Utilities und -Anwendungen. "Der Trend ist offensichtlich", kommentiert Jeffrey Papows, Vice-President of Marketing bei Cullinet, die Situation. "In der Softwarebranche kommt es auf Flexibilität an. Und es ist völlig unlogisch, für eine Softwarelizenz mehr zu berechnen, als der Kunde für die zugehörige Hardware bezahlen müßte."

Die meisten Anbieter wollen das Gebührensystem auf ihre Systemsoftware- und DBMS-Produkte anwenden. Cullinet hingegen plant, auch den Applikationsbereich miteinzubeziehen. Nach den Worten Papows, ist eine vierstufige Staffelung angedacht, die dem Preiskonzept der IBM entspreche.

Big Blue hatte im Herbst letzten Jahres für die Rechner mit 370-Architektur vier Kostengruppen eingeführt und machte diese Struktur auch zur Grundlage seiner SW-Preise (siehe CW Nr. 42 vom 17. Oktober 1986, Seite 6). Auf der niedrigsten Stufe, der Gruppe 10, sind die Low-end-Mainframes des Marktführers einschließlich der 9370 angesiedelt. Gruppe 40, das oberste der vier Segmente, schließt unter anderem die Großrechner der 3090-Familie ein.

Als Resultat dieser preislichen Neuorientierung kommen auf die US-Anwender voraussichtlich unruhige Zeiten zu. Denn noch haben die SW-Anbieter nicht entschieden, in welchem Maße sich die neuen Strukturen auch auf bestehende Verträge mit Kunden, beispielsweise bei Jahreslizenzen, auswirken werden.

Ihre Kaufentscheidung hinausschieben wollen die meisten der betroffenen Anwenderunternehmen allerdings nicht. "Aber", so formuliert es beispielsweise Paul Fusco, Director of MIS bei General Cinema Theaters in Chestnut Hill/Massachusetts, "wenn sich dann herausstellt, daß man durch die neue Preispolitik wirklich Geld sparen kann, würde ich alle Hebel in Bewegung setzen, um neu zu verhandeln."

Befürchtungen, der goldene Schuß bei den SW-Gebühren könnte nach hinten losgehen, hegt demgegenüber John Owens, Executive Vice-President bei Shearson Lehman Brothers: "Wenn sich letztlich doch herausstellt, daß große DV-Abteilungen mit höheren Kosten rechnen müssen, sehe ich in dieser ganzen Aktion wenig Sinn."