Softwareentwickler bei Datev: Ein Betriebswirt geht fremd

25.03.2002
Von Michael Franz
Die Kommunikation zwischen Steuerberater und Mandanten ändert sich: Was früher hinter verschlossenen Bürotüren stattfand, läuft zunehmend über das Internet. Das funktioniert nur in Kooperation mit Softwareentwicklern, die neben der Sprache der Techniker auch die der Ökonomen sprechen.

Längst hat sich das Unternehmen Datev in Nürnberg vom einstigen Rechenzentrum zu einem der größten europäischen Softwarehäuser und IT-Dienstleister gemausert. Die Firma konzentriert sich auf die steuerberatenden Berufe.

Matthias Kolbgerg arbeitet als diplomierter Betriebswirt für das Unternehmen. Das Produkt, das Kolberg gleich nach seinem Einstieg bei Datev mitentwickelte, nennt sich "Kanzlei online". Die Software ermöglicht beispielsweise, dass sich Mandanten die vom Steuerberater erstellte Lohnauswertung online anschauen können.

Kolberg war kein Computer-Freak

Für diese Entwicklungsaufgaben kommen auch beim Nürnberger IT-Dienstleister normalerweise Informatiker zum Einsatz, wie Stefanie Nüssle, Referentin für Personal-Marketing, berichtet. Der 28-jährige Kolberg stellt zwar eine Ausnahme dar, doch bringt er überzeugende Vorteile mit: Er versteht beide Sprachen. Als studierter Betriebswirt kennt er die Welt der Wirtschaftsfachleute und als DV-affiner Mensch die der Programmierer. Kolberg war kein Computer-Freak von Kindesbeinen an, wie man sich das bei einem Softwareentwickler vielleicht vorstellen könnte.

Seinen ersten Kontakt zu Computern hatte er, als er während seines Studiums in einem Internet-Café jobbte und dort Rechner zusammenschraubte. Bei Datev begann er als Praktikant im Servicebereich, später arbeitete er dort als Aushilfe und schrieb schließlich seine Diplomarbeit bei der fränkischen Firma. Neben dem BWL-Studium begann er, sich in HTML und Java-Script einzuarbeiten und für einige Abteilungen Intranet-Seiten zu konzipieren. "Das hat mich fasziniert", erzählt er, "und ich bin dann immer tiefer eingestiegen." Diese Begeisterung mündete schließlich in seiner Diplomarbeit, in der er Vergleiche zwischen Java und Visual Basic anstellte.

Mit dem Diplom-Betriebswirt (FH) in der Tasche startete er im April 2001 bei Datev. Er kümmerte sich anfangs um die Browser-Version von "Kanzlei Online" und entfernte noch vorhandene Fehler. Aufgrund seiner anfangs nur "mittelmäßigen Kenntnisse" in der Programmierung koordinierte er das Projekt und sorgte dafür, dass die neuesten Archive der einzelnen Fachabteilungen zum Test auf dem Server bereit lagen. Außerdem war er in der Pilotphasen-Hotline eingespannt, um Kunden mit Rat zur Seite zu stehen, wenn sie mit der neuen Software nicht zurechtkamen. Nebenbei erweiterte er seine Programmierkenntnisse.

Letzteres ist ein entscheidender Aspekt, mit dem sich auch erklären lässt, wie Kolberg den Absprung vom angehenden Steuerberater zum Softwareentwickler schaffte. Sein Arbeitgeber bietet ein ausgeklügeltes innerbetriebliches Weiterbildungssystem an. Eine Säule bildet dabei die Datev-Abendschule. Sie steht allen Mitarbeitern in deren Freizeit offen und bietet von Sprachkursen über Präsentationstechniken und Programmiersprachen bis hin zu Sportprogrammen Veranstaltungen an. Für Kurse, die den Mitarbeiter in seinem Tätigkeitsfeld unmittelbar weiterbringen, kann er sogar Bildungsurlaub beantragen. Die beiden anderen Säulen sind interne und externe Weiterbildungskurse, die bei Bedarf von einzelnen Abteilungen angestoßen werden können.

Von diesem Weiterbildungssystem profitierte auch Kolberg, denn es ermöglichte ihm, von einer an sich fachfremden Richtung umzusteigen. Schon als Aushilfe absolvierte er zirka zehn Kurse der Abendschule. Wie jeder andere Mitarbeiter erhielt er nach seiner Festanstellung einen individuellen Einarbeitungsplan, in dem die einzelnen Etappen seiner Ausbildung festgelegt wurden. Als Erstes absolvierte er eine Schulung über Objektorientierung, zwei Java-Schulungen schlossen sich an. "Als wesentlichen Teil des Konzeptes" bezeichnet es Kolberg, dass man einen Mentor - oder "Paten", wie es bei Datev heißt - zur Seite gestellt bekommt. "Die ersten zwei, drei Monate ist das verdammt hilfreich." Abgerundet wird das Ganze durch regelmäßige Mitarbeitergespräche, in denen das Vorankommen überprüft und neue Ziele gesteckt werden.