Softwareengpaß, Marketingschwäche und Personalfluktuation verursachen Wachstumsknick: Schlechtwetterfront gegen traditionelle Minis

08.04.1983

MÜNCHEN - Die traditionellen Minicomputeranbieter gehen schweren Zeiten entgegen. Ein nach wie vor schmales Softwareangebot, schwachbrüstige Marketingkonzepte sowie eine überdurchschnittlich hohe Personalfluktuation lassen Umsätze wie Gewinne abbröckeln. Obendrein blockiert die IBM mit ihrer Systemfamilie 4300 das Eindringen der Minis in den mittleren kommerziellen Bereich, bremsen preisgünstige Mikros die Installationserfolge der 8-, 12- oder 16-Bit-Maschinen. Mit 32-Bit-Superminis schicken sich die Minihersteller derzeit an, in lokalen Netzwerken und CAD/CAM-Anwendungen neue Marktplätze zu erobern.

Die Umsatzflaute bei den traditionellen Minicomputeranbietern wie Digital Equipment (DEC), Prime, Data General, Perkin-Elmer oder Harris hat hierzulande keineswegs nur konjunkturelle Ursachen. Zwar erweisen sich die leeren Kassen der öffentlichen Hand sowie Sättigungstendenzen im technisch-wissenschaftlichen Bereich als Wachstumshindernis, doch zeigt sich darüber hinaus, daß der Versuch der Minivertreiber, im kommerziellen Markt Fuß zu fassen, bislang fehlgeschlagen ist. Rechneten sich die Manager von DEC & Co. jahrelang aus, mit ihren 32-Bit-Prozessoren einmal den Mainframe-Herstellern den Rang bei dezentralen Anwendungen abzulaufen, so können sie heute allenfalls auf Teilerfolge zurückblicken. Dabei stellte sich vor allem die 1979 von der IBM angekündigte Systemfamilie 4300 als Bollwerk gegen den Offensivdrang der Minicomputerverkäufer heraus.

Der gescheiterte Durchbruch im kommerziellen Mid-range-Bereich ist jedoch nach Ansicht von Diebold-Berater Klaus Hüttenberger keinesfalls in der Qualität der Kleinrechner begründet, die in einigen Anwendungsgebieten, wie etwa Timesharing, die Jumbos des Marktführers gar übertreffen, sondern in der "drückenden Überlegenheit" des IBM-Software-Angebotes. Hüttenberger bestätigt die vorherrschende Meinung von Marktbeobachtern, die Minianbieter hätten sich beim Verkauf ihrer Produkte in der Vergangenheit vorwiegend auf Hardwareargumente beschränkt und dabei die Entwicklung von Standardprogrammen vernachläßigt. Insbesondere im kommerziellen Bereich habe man versagt und nur von einer kleinen Anzahl von Systemhäusern die Kastanien aus dem Feuer holen lassen. Inzwischen konnten die Universalrechneranbieter einen Vorsprung herausholen, der den Einstieg in traditionelle Kommerzmärkte zu einem Risiko machen würde, verdeutlicht Peter H. Wall, Geschäftsführer des Neusser Minianbieters Gould Computer Systems GmbH, der sich mit seinen Prozessoren auf Simultananwendungen im technisch-wissenschaftlichen Sektor spezialisiert hat.

Kalte Füße im MDT-Markt

Besonderheiten des deutschen Marktes verschärfen obendrein die Schwierigkeiten beim hiesigen Mini-Verkauf. So schafft die "Mittlere Datentechnik" (MDT) mit Anbietern wie Nixdorf, Kienzle, Triumph Adler oder MAI eine Absatzsituation, wie sie in keinem anderen Land vorhanden ist. MDT-Hersteller vertreiben in der Bundesrepublik seit Jahren schlüsselfertige Lösungen, während die Minibenutzer ihre Rechner selbst programmieren müssen. Zudem werden die Bürocomputer in der Regel billiger angeboten als vergleichbare Mini-rechner. "Versucht man in diese Märkte einzudringen", sagt Prime-Manager Benno Pöhler, "holt man sich gezwungernermaßen kalte Füße.

Führungsexodus mit Sogwirkung

Anders ist die Lage etwa in den USA, wo die meisten Minicomputeranbieter nach wie vor erfolgreich agieren. Dort gab es schon zu Beginn der Mini-Ära Softwarehäuser, die sich auf dieses Marktsegment konzentrierten und die Benutzer mit einem umfangreichen kommerziellen Programmangebot eindeckten.

Als sich bei den deutschen Anbietern Anfang der 80er Jahre erste Sättigungstendenzen im technisch-wissenschaftlichen Markt abzeichneten und die Gewinne schrumpften, belegten die US-Mütter ihre bis dahin erfolgreichen Töchter verstärkt mit Direktiven, das kommerzielle Feld zu bestellen. In Anlehnung an die Erfolge in den Vereinigten Staaten wurden Umsatzvorgaben gemacht, die von den deutschen Statthaltern in keiner Weise erfüllt werden konnten. Weder die personellen noch die infrastrukturellen Voraussetzungen der bis dahin ausschließlich im technisch-wissenschaftlichen Sektor operierenden deutschen Töchter waren gegeben. Die Verkaufsmannschaften bestanden meist aus überwiegend hardwareorientierten Ingenieuren, die nun lernen sollten, "Butter-und-Brot-Anwendungen" wie Lohn und Gehalt oder Finanzbuchhaltung zu verkaufen. Die Strategie schlug fehl. Männer der ersten Stunde mußten den Hut nehmen und wurden durch Mainframe- oder MDT-Verkäufer ersetzt. Doch als der Erfolg mit den neuen Vertriebsleuten ausblieb, machte das Personalkarussel auch vor dem Topmanagement nicht halt. So wechselte nahezu die gesamte Minicomputerbranche in den letzten eineinhalb Jahren ihre Führer aus. Prime-Geschäftsführer Herbert Bechtel ging zum PCM-Anbieter National Advanced (NAS) Perkin-Elmer-Boß Klaus O. Schmidt wechselte zu Apple, Horst Enzelmüller verließ Tandem. Bei Data General wurde Albert Leyenaar im Frühjahr letzten Jahres gegen Jürgen Kraus eingetauscht. Neun Monate später räumte Leyenaar den Platz für Ex-General-Electric-Chef Manfred Wittler. Vor wenigen Tagen eröffnete Harris-Geschäftsführer Hans-Dieter Holler, 1981 noch auf der Gehaltsliste von Prime, daß er fortan in Diensten der neugegründeten Convergent Technologies GmbH in Wiesbaden stehe. Der Exodus der General-Manager hatte eine Sogwirkung. So verließen im Fahrwasser von Bechtel, Kraus und Leyenaar zahlreiche Mitarbeiter der zweiten und dritten Führungsebene ihre Unternehmen, machten sich selbständig oder traten bei Anbietern in anderen Märkten an. Lediglich Digital Equipment und Hewlett-Packard blieben von einer derartigen Entwicklung weitgehend verschont.

Softwarekonzepte vernachläßigt

Daß das Scheitern der deutschen Minicomputerbosse nicht zuletzt mit dem Unvermögen zusammenhängt, vernünftige Marketingkonzepte zu erdenken und zu verwirklichen, wollen ehemalige Führungskräfte der Branche wissen. Konstatiert Axel Kropp, Ex-Vertriebsmanager bei Data General und jetzt freier Marketingberater im 32-Bit-Rechnerbereich: "Man hat über Jahre hinaus versäumt, den Markt gegenüber den Softwarehäusern attraktiv zu machen und sich in Teilmärkten verschanzt". Die Trümpfe, die die Minis gegenüber den Mainframern überlegen machten, habe man nicht auszuspielen verstanden. Dagegen ist Kropp sicher, daß Minicomputeranbieter mit einem Gesamtkonzept nach wie vor phantastische Verkaufserfolge erzielen könnten. Ex-Perkin-Elmer-Boß Schmidt will die Schuld am derzeitigen Softwareengpaß jedoch nicht ausschließlich bei den Managern sehen. Der jetzige Apple-Leader ist vielmehr überzeugt, daß die Problematik auf die historische Entwicklung der deutschen Softwarehäuser zurückzuführen sei. Diese hätten bisher, anders als im Ausland, ausgesprochen projektbezogen gearbeitet und weniger marktorientiert. So sei die Minicomputerbranche von den Programmanbietern in der Vergangenheit äußerst "stiefkindlich" behandelt worden. Resümiert Schmidt: "Der kommerzielle Minimarkt in Deutschland ist heute noch ein Software-Niemandsland". Ex-Prime-Geschäftsführer Bechtel sieht im Gegensatz zum Apple-Chef den Fehler für das mangelnde Programmangebot bei den Minianbietern selbst: "Die Hersteller haben bislang zu wenig in die Softwareentwicklung investiert und gemeint, mit guten Hardwarekonzepten und ein paar Marketingargumenten komme der Erfolg von allein", erläutert der neue NAS-Manager.

Marketingstrategen Mangelware

Mit den Aussagen Kropps und Bechtels wird deutlich, was Branchenbeobachter wie Personalberater der Minikomputerzunft seit langem vorwerfen: Es fehlt an qualifizierten Marketingstrategen. So verwundert auch kaum, daß sich in Zeiten einer allgemeinen Wirtschaftskrise die Situation der Mini-Maker extrem zuspitzte. So mußten die Anbieter in den letzten Jahren nach IDC-Angaben mit den niedrigsten Zuwachsraten ihrer bisherigen Geschichte Vorlieb nehmen. Künftige wertmäßige Zuwachsraten prognostizieren die DV-Forscher denn auch nur mit leichtem Aufwärtstrend. Zum ersten Mal habe es bei den US-Mini-Herstellern 1981 einen echten Rückgang bei den Auslieferungen gegeben. Sagt Wendelin Blokesch, Marketingleiter bei Texas Instruments, stellvertretend für seine deutschen Branchenkollegen: "Auch 1982 ist kein Bravourjahr für die Minicomputeranbieter gewesen."

Mikros knabbern von unten

Als schärfste Konkurrenz für die traditionellen Minis erweisen sich inzwischen aber weder MDT- noch Mainframe-Hersteller, sondern vor allem die Mikro-Newcomer, die im unteren Marktbereich den Verkauf von 8-, 12- und 16-Bit-Minis extrem erschweren. Nach jüngsten Schätzungen der Bostoner Marktforschungsgesellschaft The Yankee Group soll der Mikromarkt noch in diesem Jahr ein Installationsvolumen von sechs Milliarden Dollar erreichen und damit die bereits über zwanzig Jahre alte Minicomputerbranche überholen. Den Managern von DEC & Co. brennt hier vornehmlich die permanente Verschlechterung ihres Preis-/Leistungsverhältnisses unter den Nägeln. Werden die Mikros immer leistungsfähiger und zunehmend billiger produziert, haben die Minihersteller mit stagnierenden Stückzahlen zu kämpfen. Verstärkte Gefahr droht künftig von den neuen 32-Bit-Mikros, die sich leistungsmäßig schon deutlich mit den kleineren Minis überlappen und überdies wesentlich preisgünstiger sind.

So verwundert kaum, daß sich traditionelle Minicomputerhersteller wie Digital Equipment, Hewlett-Packard oder Texas Instruments von ihren 8-, 12-, oder 16-Bit-Maschinen allmählich lossagen und bereits ihre Debüts im Personal-Computer-Markt gegeben haben. Andere Anbieter, wie Prime, Data General, Perkin-Elmer und Harris, sollen Mikrokonzepte, mit denen sie sich gegen PC-Eindringlinge in der unteren Produktpalette abschotten wollen, in der Pipeline haben.

Auch deutsche Manager bestätigen inzwischen die Prognosen internationaler Marktforscher, die den Abgang der kleinen Minis schon seit langem vorausgesagt haben. "Der 8-, 12- und 16-Bit-Minimarkt ist tot", sagt der Marketingchef von Digital Equipment Helmut Krings, "es wird künftig nur noch 32-Bit-Architekturen geben, die die gesamte Anwendungspalette der traditionellen Minianbieter abdecken werden."

Absatzschlappen durch CAD/CAM ausmerzen

Somit haben die traditionellen Anbieter derzeit alle Hände voll zu tun, nicht den Anschluß im nach wie vor umsatzträchtigen DV-Geschäft zu verpassen. Nach den Schlappen der beiden letzten Jahre begeben sich die Unternehmen nun auf die Suche nach neuen Wachstumsmärkten. Einige Anbieter, allen voran die Prime Computer GmbH, wollen mit CAD/CAM-Lösungen an alte Installationserfolge anknüpfen. Die Übernahme des britischen CAD-Unternehmens Compeda soll diese Bestrebungen unterstützen. Fuß fassen wollen die Wiesbadener auch in den Grenzgebieten der Fertigungssteuerung, wo sich kommerzielle und technisch-wissenschaftliche Anwendungen überschneiden, erklärt Marketingmann Benno Pöhler. In diesem Bereich dient offensichtlich die Hewlett-Packard GmbH als Vorbild, die hier schon seit geraumer Zeit äußerst erfolgreich agiert.

Chancen durch lokale Netze

Zukunftsmärkte sieht Data-General-Vertriebschef Karl Konrad indes ebenso im Umfeld der Bürokommunikation und beim Bildschirmtext. Vor allem im Sektor lokaler Netzwerke hätten die Eschborner bereits erste Aktivitäten gestartet. Durch ihre Beteiligung am "Ethernet-Clan" stellte die Digital Equipment GmbH schon vor längerer Zeit die Weichen ins Office of the Future. Mit neuen Produktankündigungen haben die Münchner ihre Zielsetzung in den letzten Monaten untermauert. Auch der bisherige Harris-Geschäftsführer Holler und Texas-Instruments-Marketingchef Wendelin Blokesch deuten an, daß LAN-Announcements kurz bevorstünden.

LAN-Bein im Kommerzmarkt

Ob sich die Netzwerkambitionen der Minianbieter jedoch als erfolgreich erweisen können, ist bei Marktbeobachtern umstritten. Konstatiert Diebold-Berater Klaus Hüttenberger: "Es ist denkbar, daß die Minianbieter über die LAN-Netze ein Bein in den kommerziellen Markt bekommen, aber ob dies kurzfristig gelingt, möchte ich stark bezweifeln." Zwar seien die Hardwarevoraussetzungen dafür gegeben, aber der Erfolg hänge auch bei diesen Anwendungen ausschließlich vom Softwareangebot ab.