Softwaredebakel für Hessens Schulen

19.09.2007
Eine mit Kosten von 20 Millionen Euro entwickelte Verwaltungssoftware verärgert die Anwender.

Bereits seit dem vergangenen Schuljahr versuchen rund 2000 hessische Schulen mit der neuen, unausgereiften Schulverwaltungssoftware Lusd (Lehrer- und Schülerdatenbank) zu arbeiten. Entwickelt wurde die Schulsoftware von CSC. Start der Konzeption und der Entwicklung war der 1. Juni 2006. Mit der Implementierung in den Schulen hatte CSC im Oktober 2006 begonnen. Seitdem häufen sich die Klagen der Anwender.

Leidtragende der fehlerhaften Lösung sind vor allem die Sekretariate. Bislang erreichten mehr als 300 Beschwerden das Kultusministerium. "So viel Kaffee, wie man während der unendlichen Wartezeiten bei der Lusd-Bearbeitung trinken kann, verträgt kein Mensch", heißt es beispielsweise in einer der Protest-Mails, von denen einige auch bei der Landtagsfraktion der Grünen eingingen. Lusd ist eine zentrale Anwendung, in der sämtliche Daten über Schüler, Lehrer, Stundenpläne und Kurse hinterlegt werden. Die Situation eskalierte zu Schuljahresbeginn, weil zu diesem Zeitpunkt besonders viele Datenbankzugriffe erfolgten.

Die Symptome sind Datenverluste durch Time-out-Probleme sowie eine dürftige Performance. Ursache soll eine nicht sauber implementierte 3-Tier-Architektur aus Web-Client, Application- und Datenbank-Server sein. "Das Problem besteht darin, dass bei hoher, aber vertragskonformer Beanspruchung der Datenbank-Server überlastet wird. Daraus ergeben sich Wartezeiten, die zu Time-outs der Client-Sessions führen, was in der Folge den Verlust der eingegebenen Daten bewirken kann", schildert Harald Lemke, CIO im Land Hessen, auf Anfrage der computerwoche. Aus dem Projektumfeld war zu erfahren, dass im Lauf des Entwicklungsprojekts Prozess- beziehungsweise Business-Logik auf dem Datenbank-Server statt auf dem Application-Server abgebildet wurde. Eine Skalierung des Datenbank-Servers ist jedoch nur bedingt möglich beziehungsweise zu teuer. Sinnvoller wäre es, Lastspitzen am Application-Server abzufangen. Doch das lässt die derzeitige Implementierung nicht zu.

Ein vom Land beauftragter unabhängiger Systemspezialist hat das System überprüft. Das Ergebnis ist, dass CSC unter neuer Projektleitung die Software grundlegend überarbeiten wird. Allerdings wird dies eine Weile dauern. Eine Installation mit gutem Laufzeitverhalten und verbesserter Handhabung kann das Kultusministerium den Anwendern erst für Sommer 2008 in Aussicht stellen. Kurzfristig wurde das System bereits so überarbeitet und stabilisiert, dass die häufigen Systemabstürze und unzumutbaren Wartezeiten der Vergangenheit angehören.

Ein CSC-Unternehmenssprecher räumte Leistungsdefizite ein, dementierte allerdings, dass die Schwierigkeiten allein der fehlerhaften, dreistufigen Installation anzurechnen sind. "Eine reine 3-Tier-Architektur wird nicht alle Probleme lösen", warnte er. Störungen durch nicht ausreichend dimensionierte dezentrale Systeme und Netze schloss Hessens CIO Lemke aus: "Die Schwierigkeiten haben nichts mit Leitungen oder Clients zu tun." Aus dem CSC-Umfeld ist darüber hinaus zu hören, dass die ständigen Nachforderungen aus dem Kultusministerium die Projektarbeit erschwert hätten. Auch diesen Vorwurf hält Lemke für haltlos: "Ich kenne kein komplexes Softwareprojekt, in dem es keine Änderungen oder Präzisierungen gegeben hat."

Grünen wollen Konsequenzen

Die Landtagsfraktion der Grünen forderte, es CSC gleichzutun und den Projektleiter auf Seiten des Ministeriums, Staatssekretär Joachim Jacobi (CDU), ebenfalls seiner Aufgaben zu entbinden. "20 Millionen Euro Steuergelder für eine Software auszugeben, die nicht ansatzweise funktioniert und den Schulen den letzten Nerv raubt, darf nicht ohne Konsequenzen bleiben", schimpfte Mathias Wagner, bildungspolitischer Sprecher der Grünen. Die Regierungsparteien in Hessen lehnten die Entlassung ab, wenngleich aus unterschiedlichen Gründen.

Das Ministerium stellte sich derweil der Kritik: "Wir verstehen den Unmut der Schulen. Auch wir hatten andere Erwartungen an das bestellte Produkt", sagte eine Ministeriumssprecherin. Jedoch könne ein System für mehr als 50 000 Lehrkräfte und 800 000 Schüler nicht ohne erhebliche Kraftanstrengung in die Praxis übertragen werden. "Das von der Entwicklerfirma CSC gelieferte System entspricht leider noch nicht dem, was Sie und wir an Funktionalität und Performance erwarten dürfen", teilten Jacobi und Lemke den betroffenen Schulen schriftlich mit. (jha)