Cap-Gemini-Vize Dreyfus prophezeit Veränderungen

Softwarebranche vor grundlegendem Wandel

14.02.1992

BERLIN (qua) - Die Ansprüche der Kunden und die technischen Möglichkeiten der obiektorientierten Anwendungsentwicklung werden den Softwaremarkt in den kommenden fünf Jahren von Grund auf verändern. Diese These vertrat Philippe Dreyfus, Vice-President der Cap Gemini Sogeti S.A. (CGS), auf dem fünften "Berliner Software-Unternehmer-Gespräch".

An den Anfang seines Vortrags stellte der französische Software-Unternehmer eine Frage, die er auch prompt selbst beantwortete: "War 1991 ein Jahr der Krise? - Für die Software-Industrie ja, für die Anwender nein." Wie der Franzose erläuterte, ist es den Anwendern im vergangenen Jahr gelungen, mehr Produkte und Dienstleistungen zu günstigeren Preisen zu beschaffen.

Davon, daß die Budgets kleiner geworden seien, kann laut Dreyfus keine Rede sein. Nach Ansicht des Cap-Gemini-Vizes macht es sich zu einfach, wer die fallenden Umsatzkurven in der Softwarebranche auf einen engeren Beschaffungsrahmen bei den Kunden zurückführt. "Da muß es andere Faktoren geben", konstatiert der langjährige Beobachter des Softwaremarkts.

Als einen dieser Faktoren bezeichnete der Franzose die Tatsache, daß sich neben der ohnehin schon heterogenen Software- und Servicezunft zunehmend branchenfremde Unternehmen in diesem Markt tummeln, von dem sie sich zweistellige Wachstumsraten und Umsatzrenditen versprechen.

Dreyfus hat hier nicht nur die Hardware-Anbieter und die Management-Berater, sondern auch die Verleger als Konkurrenten der angestammten Software- und Dienstleistungsunternehmen ausgemacht. Der Marktbeitrag von Anbietern wie Time-Life und Springer könnte vor allem darin bestehen, künftige Multimedia-Informationssysteme mit Inhalten zu füllen.

Aber nicht nur in der Anbieterstruktur hat der CGS-Manager einen Wandel festgestellt, sondern vor allem auch in der Einstellung der Kunden gegenüber der Informationstechnik: Früher hätten die Anwender Software gekauft, ohne eigentlich zu wissen, warum. Heutzutage nutze der Kunde diese Ware, um sich Wettbewerbsvorteile zu Verschaffen; folglich frage er bei jeder Mark, die er investiere, was er dafür bekomme.

Bislang konnten, namentlich in Deutschland, viele kleine Softwarefirmen vorn Vertrieb nahezu identischer Softwarepakete leben. Die Ära dieser "Softwarehütten" sieht Dreyfus langsam aber sicher zu Ende gehen.

Künftig sei es kein Kriterium mehr, ob ein bestimmtes Produkt besser als ein anderes die spezifischen Ansprüche des Kunden erfülle. Die objektorientierte Software-Entwicklung werde nämlich völlig anders strukturierte Softwareprodukte hervorbringen, aus deren mehrfach verwendbaren Modulen sich speziell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Anwenders zugeschnittene Lösung zusammenstellen ließen. In fünf Jahren, so die Prognose des französischen Marktexperten, werde es den Softwaremarkt, wie er heute existiert, nicht mehr geben.