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Offen und interoperabel

Softwarebranche reagiert skeptisch auf Microsofts Pläne

22.02.2008
Microsoft hat Besserung gelobt und Offenheit (in Teilbereichen) seiner Software versprochen. Nun rätselt die Branche, was sie davon halten soll. Die Skepsis kommt nicht von ungefähr, denn bei Microsoft haben Ankündigungen Tradition.

Auf den ersten Blick scheint es nahezu revolutionär: Der weltgrößte Softwarehersteller Microsoft will sich in einer umfangreichen Kehrtwende sowohl seinen Partnern als auch seinen Konkurrenten öffnen und ihnen Informationen zu seiner Software zur Verfügung stellen. Vieles, was der Konzern über Jahrzehnte als strenges Betriebsgeheimnis gehütet hat, solle jetzt öffentlich werden. Doch großer Jubel blieb in der Branche bislang aus.

Bei vielen Wettbewerbern sitzt das Misstrauen tief. Man habe bereits ganz ähnliche Ankündigung gehört - immer zu strategisch günstigen Zeiten für andere Zwecke, kommentiert der Linux-Anbieter Red Hat. Doch was hinter den Plänen des Software-Giganten wirklich steckt, können Experten noch längst nicht überblicken. Zu umfangreich ist das Material, das gesichtet und bewertet werden muss. Und es kommt nun auf erste, ganz konkrete Schritte an.

Dem Druck der EU-Kartellwächter räumen Beobachter einen wichtigen Beitrag für die neuen Pläne ein. Die EU-Kommission selbst hält sich mit einem Kommentar zunächst zurück und will die Informationen im laufenden Verfahren gegen den Software-Giganten prüfen. Microsoft habe schließlich schon vier ganz ähnliche Ankündigungen gemacht, heißt es aus Brüssel. Und der europäische Verband ECIS, der seine Vorwürfe gegen Microsoft wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens vor die EU-Kommission getragen hatte, erklärte spöttisch: "Die Welt braucht einen dauerhaften Wechsel in Microsofts Verhalten, nicht noch eine weitere Ankündigung."

Dabei erwecken die Pläne auf den ersten Blick fast den Eindruck, als wolle Microsoft den Pinguin, Symbol der Linux-Gemeinde, in sein Logo einstricken und damit eine komplette Kehrtwende seiner bisherigen Firmen-Strategie einläuten. Während Software-Entwickler der Open-Source-Gemeinde ihren Programm-Code zur Weiterentwicklung für alle offenlegen, sieht Microsoft seit Jahrzehnten die Quell-Codes seiner Software als wertvollstes Eigentum, das als strenges Betriebsgeheimnis gehütet werden muss.

Microsoft-Chef Steve Ballmer hatte die Linux-Gemeinde auch schon mal des Diebstahls geistigen Eigentums bezichtigt. Doch das Prinzip frei verfügbarer Programm-Codes für Entwickler hat sich in vielen Geschäftsbereichen inzwischen bewährt. Durch die Mithilfe vieler Entwickler kann auf diese Weise schneller auf veränderte Anforderungen etwa in einer Unternehmens-Infrastruktur reagiert werden.

Für Microsoft sei die neue Offenheit sicherlich ein großer Schritt, sagt Donatus Schmidt, Marketing-Chef von Sun Deutschland. Die Pläne fügen sich aber auch in eine Strategie ein, die der Software-Gigant bereits seit einigen Jahren eingeschlagen hatte. Mit einstigen erbitterten Rivalen wie Sun Microsystems, AOL oder Novell hat sich Microsoft nach langen und ausgiebigen Rechtsstreitigkeiten inzwischen gütlich (finanziell) geeinigt und setzt vermehrt auf Kooperation statt auf Konfrontation.

Diese Politik ist allerdings auch dem veränderten Umfeld geschuldet. Auch in wichtigen Geschäftsbereichen wie dem Internet hat sich das alternative Betriebssystem Linux und andere Open-Source-Software als Quasi-Standard etabliert. Wer im Internet-Geschäft mitspielen wolle, müsse auf Linux-Basis aufsetzen, sagte Schmidt. Mit einer Abschottung würde sich Microsoft deshalb nur isolieren und den Abstand von Wettbewerbern wie Google noch künstlich ausbauen.

Dennoch gibt Microsoft mit seinen jüngsten Plänen seine Firmen-Philosophie nicht gänzlich auf. Die lizenzfreie Nutzung seiner Programm-Codes sieht das Unternehmen nur für nicht-kommerzielle Anwendungen vor. In der Open-Source-Gemeinde werde Software jedoch in der Regel kommerziell genutzt, kritisiert Schmidt. In den meisten Fällen werde dann also nur ein anderes Lizenz-Modell greifen. Auch zuvor hatte Microsoft seinen Partnern Schnittstellen-Informationen und Programm-Codes gegen Lizenz-Zahlungen zur Verfügung gestellt. Den Kartellwächtern in Brüssel war das allerdings längst nicht genug. Da Microsoft etwa mit seinem Windows-Betriebssystem auf nahezu 95 Prozent aller Rechner weltweit vertreten ist, kritisieren Kartellbehörden in Europa, den USA und in Asien seit Jahren, dass das Unternehmen die eigene marktbeherrschende Stellung regelwidrig ausnutzt und Wettbewerber benachteiligt.

Viele Beobachter gehen davon aus, dass die jetzt angekündigten Änderungen kaum über die Forderungen der EU-Kommission hinausgehen. Auf die Geschäftsgrundlagen hätten die Pläne mittelfristig vermutlich wenig Einfluss, schätzt Sarah Friar, Analystin von Goldman, Sachs & Co. "Der Schritt ist wahrscheinlich wichtiger für Microsofts Verhältnis zur Kartellbehörde." (dpa/ajf)