Software-Tools: Mangelnde Akzeptanz bei alten DV-Hasen

11.03.1983

Der Einsatz von modernen Software-Tools stößt bei "alten Entwicklungshasen" noch immer auf massiven Widerstand. Die "Programmier-Oldies" fürchten, daß die Werkzeuge ihre Handlungsebene einengen und sogar ihren Job gefährden könnten. Es ist heute mehr denn je die Aufgabe des DV-Managements die Alt-Profis durch Ausbildung und Aufklärung davon zu überzeugen, daß der Einsatz von Tools ihnen die Arbeit erleichtert und die Produktivität steigert. Resümiert Heinz Herweling vom Battelle-Institut in Frankfurt: "Nur durch ,Erfahren' und nicht durch ,Erzwingen' werden Mitarbeiter dazu gebracht, neue Software-Produktions-Werkzeuge zu nutzen." ih

Michael Bernecker, EDV-Berater, München

Wie bringt man "alte Softwarehasen" dazu, moderne Softwareproduktionswerkzeuge zu nutzen? "In dem man sie möglichst schnell einführt!"

Doch leider gibt es - auch in der DV-Branche - zu viele statische, ängstliche Vertreter, die in ihrer vielleicht langjährigen DV-Praxis nur schwer lösbare Denkmuster angelegt haben. Sicherlich haben sich viele durch ihr Tagesgeschäft zu sehr binden lassen und sich zuwenig Zeit genommen, um die Möglichkeiten von Systemen wie zum Beispiel Pet/Maestro, Delta, Columbus, Mapper, Natural und auch den gesteuerten Einsatz von Persönlichen Computern in den Fachabteilungen zu untersuchen.

Wer die Vorteile von moderner, Softwaretools und die Möglichkeit, die Fachabteilungen an der Programmerstellung zu beteiligen, verstanden hat, wird sich nicht gegen deren Anwendung wehren. Es ist bekannt, daß in jedem Unternehmen durch einen immer größer werdenden Informationsbedarf ein Anwenderstau von mehreren Jahren besteht. Zu viele Unternehmen benutzen noch zu viele Anwenderprogramme, deren Ursprung in der Batch-Area liegen. Meistens wurden die Programme bei der Einführung von neuen Computersystemen nur umgestellt, das heißt, man nutzt die Möglichkeiten von aktuellen Betriebssystemen bei weitem nicht aus.

Ich bin davon überzeugt, daß heute in jedem Unternehmen soviel zu tun ist, daß für jeden DV-Mann - unabhängig davon, ob er als Bereichsleiter oder als Anfangsprogrammierer tätig ist - sich der Einsatz von produktionssteigernden Entwicklungswerkzeugen lohnt. Nur wer bereit ist, die konventionellen Methoden zu rationalisieren, kann den großen Rückstau abbauen und dadurch seiner Aufgabe gerecht werden. Dazu gehört, daß der verantwortliche Leiter die zu den Unternehmensanforderungen und dem installierten DV-System passenden Werkzeuge kennt, das Passende auswählt und mit der notwendigen Sorgfalt einführt. Sicherlich wird es einige Zeit dauern bis jeder Mitarbeiter den Vorteil solcher Systeme versteht und akzeptiert. Sollte ein Programmierer seine "künstlerische Freiheit" bei seiner Tätigkeit allerdings nicht ändern wollen, so gibt es sicherlich noch lange Unternehmen, in denen die DV-Abteilung unproduktiver als notwendig arbeiten darf.

Ich kann jedem nur raten, ein bißchen fortschrittlicher zu sein. Bei der gegebenen wirtschaftlichen Situation könnte es heißen: "Wer nicht handelt, wird behandelt!"

Heinz Herweling, Leiter des Fachbereichs Informationstechnik und Automation, Battelle-Institut e. V., Frankfurt

Alte Softwareentwicklungshasen werden nur dann moderne Softwareproduktionswerkzeuge einsetzen wenn sie durch eigene Erfahrung von der Nützlichkeit für ihre Praxis überzeugt sind.

Die Spezies "alte Hasen" gibt es in allen Berufszweigen. Sie ist charakterisiert durch umfangreiche Erfahrung, schnelles Auffassungsvermögen mit praxisgerechter Problemsicht, sie weiß sich und anderen zu helfen und findet - meist - entsprechende Anerkennung.

Im speziellen Fall zeichnen sich "alte Hasen" durch einen riesigen Schatz an EDV-Erfahrung aus. Sie sind auch mit ihren bisherigen Methoden der Softwareerstellung erfolgreich gewesen, und es haben sich bei ihnen auf evolutionäre Art und Weise auch inzwischen allgemein anerkannte Entwicklungsmethoden herausgebildet. Sie gehen nach einem Phasenmodell vor, sie programmieren strukturiert und sie nutzen die Betriebssystem-Utilities.

Auch bei der gewünschten Beschleunigung des Evolutionsprozesses, haben die "alten Hasen" eine Schlüsselfunktion. Als anerkannte Praktiker beeinflussen sie entscheidend die Meinungsbildung im Unternehmen; nicht zuletzt deswegen, weil ihre Vorgesetzten häufig einen ähnlichen Erfahrungshintergrund haben und deshalb ihren Argumenten besonders vertrauen.

Die Unternehmensziele sind klar: Zum einen soll die Qualität erhöht werden. Das bedeutet Anwendung von einheitlichen Methoden, Regeln in allen Phasen der Softwareentwicklung zur Erhöhung der Transparenz, Prüfbarkeit Wartbarkeit des Produkts und Steuerbarkeit des Projekts. Zum anderen soll die Produktivität gesteigert werden. Das bedeutet den Einsatz von Produktionswerkzeugen.

Grundsätzlich ist man zur Erreichung dieser Ziele auf die "alten Hasen" angewiesen.

Die Frage, mit der nun das Management konfrontiert ist, lautet: Welche Vorgehensweise ist bei der Einführung der neuen Technologie unter Mitarbeiterbezogenen und betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten am vorteilhaftesten? oder Wie bringt man "alte Hasen" am effektivsten zur Nutzung der technischen Möglichkeiten?

Prinzipiell bieten sich zwei Alternativen an:

a) Die komplette Einführung (top-down): Auf der Grundlage eines gesamteinheitlich festgelegten Methoden- und Regelgebäudes (Standards) wird ein abgestimmter, integrierter Satz zu verwendender Tools (Entwicklungssystem) bereitgestellt und somit das gewünschte methodische Vorgehen und der Einsaz der Werkzeuge erzwungen.

b) Die schrittweise Einführung (bottom-up): Einzelne Tools ("Werkzeugkasten") stehen dem Entwickler zur Verfügung, und ihr Einsatz, verbunden mit einer Weiterentwicklung und Ergänzung, wird im Endausbau zu einem gesamteinheitlichen System geführt.

Unter optimalen Bedingungen - Umfeld im Unternehmen, Flexibilität der Entwickler ("alte Hasen"), ausgereifte Entwicklungssysteme - ist sicher der Weg (a) der effektivste. Doch kann man in der Praxis oft bei keinem dieser Faktoren optimale Gegebenheiten unterstellen, viel weniger bei allen dreien gemeinsam.

Deswegen kann hier nur der zweite Weg (b) empfohlen werden. Er erlaubt eine Anpassung der Einführungsgeschwindigkeit und des Einführungsaufwandes an die realen Möglichkeiten des Unternehmens.

Kernteams von innovativen und motivierten Mitarbeitern gewinnen dabei Erfahrung mit den neuen Werkzeugen, die sie in Pilotprojekten einsetzen können. Dabei ist Schulung in Form von Kursen und Seminaren ebenso zweitrangig wie eine geschlossene Theorie, Lehre oder Technologie. Erstrangig ist die Beobachtung und der Gedankenaustausch mit Kollegen. Aufgabe des Managements ist es dabei, die interne und externe Kooperation zu fördern, ein Klima der Innovationsfreudigkeit zu erzeugen und die notwendigen Hilfsmittel, angepaßt an den Entwicklungsfortschritt. und die Aufnahmefähigkeit, bereitzustellen.

Fazit: Nur durch "Erfahren" und nicht durch "Erzwingen" bringt man "alte Hasen" zur Nutzung moderner Software-Produktionswerkzeuge.

Axel von Rosenzweig, Leiter Softwareentwicklung, Rhein-Main-Rechenzentrum GmbH & Co KG, Frankfurt

Wenn moderne Softwareproduktionswerkzeuge zu den benutzten Methoden "passen", der Einsatz zur Produktivitätssteigerung führt und darüber hinaus für den Anwender eine sichtbare Arbeitserleichterung mit sich bringt, liegt es ausschließlich an der richtigen Durchführung von Ausbildung, Einführung und Kontrolle, um eine Nutzung bei allen "Entwicklungshasen" sicherzustellen. Nur wenn die genannten Voraussetzungen für den Einsatz nicht oder nur teilweise zutreffen, gibt es gerade bei erfahrenen Mitarbeitern Schwierigkeiten.

Einige Beispiele hierfür: Methode und Werkzeug wurden verwechselt. Werkzeuge unterstützen (automatisieren) Methoden, sie sind aber kein Methodenersatz.

Es wurde zwar ausführlich die Handhabung des Werkzeugs geschult, eine Methodenausbildung aber fand nur oberflächlich - oft gar nicht - statt.

Es wurde versucht, eine Methode generell für alle Produktionsbereiche einzusetzen, obwohl sie nur für ein bestimmtes Spektrum geeignet ist.

Bei der Einführung eines Softwareproduktionswerkzeugs sollten folgende Punkte generell beachtet werden:

- Das Einsatzgebiet muß eindeutig festgelegt werden. Oftmals ist es besser, die Anwendung, zum Beispiel bei Änderung oder Weiterentwicklung von alten Softwareprodukten, auszuklammern.

- Es sollte möglichst kein Einsatz in laufenden Projekten stattfinden.

- Der Auswahl eines Pilotprojektes kommt erhebliche Bedeutung zu.

- In dieser Projektgruppe ist es gut, wenn ein "alter" Softwareentwicklungshase dabei ist.

- Erst wenn das Pilotprojektergebnis vorliegt, sollten weitere Projekte in Angriff genommen werden.

- Die Effizienz eines Werkzeugs läßt sich nicht am Ergebnis des Pilotprojektes messen.

- Wendet ein Mitarbeiter erstmals das neue Werkzeug an, muß dies bei der Zeitvorgabe berücksichtigt werden.

- Methoden und sie unterstützende Werkzeuge sind Normen. Schaffen Sie eine Kontrollinstanz!

Wenn sich ein Softwareverantwortlicher nach der Einführung eines Softwarewerkzeugs die Frage stellen muß, wie er "alte" Softwareentwicklungshasen zu deren Nutzung bringt, hat er Fehler gemacht.