Krise der Programmierer

Software-Techies müssen sich vermarkten - wie Musiker

11.09.2009
Von Claudia Erben
Angesichts des Preisverfalls in der Softwareentwicklung müssen die Programmierer Vermarkter ihres Produktes werden.

Software für den Konsumenten kostet heute meist entweder gar nichts oder erfordert eine erhebliche Anfangsinvestition. Freeware oder quasi monopolistische Preisbildung sind die Alternativen. Dazwischen hat sich mit den Apps für das Apple iPhone ein neues Segment aufgetan. Hier entscheiden Nutzer über die Akzeptanz und damit den Preis neuer Anwendungen. Wessen Entwicklung dabei auf große Käuferschichten stößt, der kann gut verdienen - gegenläufig zu dem Trend, dass sich der Großteil der geschätzten 400.000 Entwickler in Deutschland* mit einem harten Preisverfall konfrontiert sieht.

Bei Geschäftssoftware lösen sich Microsoft, Oracle und SAP über kurz oder lang vom Verkauf klassischer Lizenzsysteme, für deren Erstellung im Übrigen vor allem Entwickler aus Indien und China verantwortlich zeichnen. Sie werden über den Browser nutzungsabhängige Services anbieten. Je größer die Bit-Bandbreite der Verbindungen zwischen einem externem Server und dem Unternehmensnetz ist, desto sicherer ist die Verfügbarkeit einer solchen Anwendung. Ergo fällt es dem Softwareeinkäufer in Zukunft immer leichter, auf umfangreiche Arbeitsplatzinstallationen zu verzichten. Die Herstellermargen kommen nicht mehr den Softwareentwicklern zugute, sondern denjenigen, die zusätzliche Services garantieren.

Der Gewinn kommt nicht aus der Entwicklung

Damit ist bei Software-Techies in Anstellung endgültig das Ende hoher Verdienstspannen angesagt. Gewinne fallen in Zukunft im Sekundärmarkt an, also dort, wo Software verteilt oder für den Nutzer angepasst wird. Die Konsequenzen sind klar: Deutsche Softwareentwickler erleben schwere Zeiten. Für genuine Entwicklungen sind sie - ähnlich ihrer Kollegen aus der Musikbranche - auf Verteilmechanismen wie iTunes angewiesen. Um an den Entwicklungsprojekten großer Konzerne mitzuwirken, fehlt ihnen überwiegend der Zugang zu deren meist US-amerikanischen Zentralen. Auch die Projektteams von IT-Beratungsunternehmen versprechen kaum eine Alternative. Dazu sind Techies oft zu introvertiert.

Die Zukunft lässt sich an Hacker Communities absehen: Hacker sind die dunkle Elite der Entwicklerzunft mit einem besonders hohen Grad an Selbstmotivation. Sie kennen sich in der Codierung so gut aus, dass sie oft mit Nebenjobs in der IT-Administration anzutreffen sind - vom Mittelstand bis hin zu großen Konzernen. Normale Entwickler schließen sich diesem Weg an - wie ein begabter Pianist, der seinen Lebensunterhalt als DJ bestreitet. Was Entwickler jetzt lernen müssen, ist, Vermarkter und Projektleiter in eigener Sache zu werden. Sie werden kaum auf Venture Capital setzen können. Denn schon bei den Business Angels punkten andere. Doch wer es versteht, Applikationen zu vertreiben, zu bewerben und attraktiv zu machen, aus dem kann auch ein Gründungsunternehmer werden - weil seine Begeisterung für die eigene Entwicklung tatsächlich auch den Markt begeistert.

Claudia Erben ist Geschäftsführerin des Forum Kiedrich.

*Auf 385.000 Personen schätzte das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung die Zahl der 2006 in Deutschland in der primären Softwareentwicklung Beschäftigten. Seither gibt es keine neueren Angaben. Nach einem rasanten Wachstum seit der Jahrtausendwende dürfte der weitere Zuwachs überschaubar sein.