Brauchbare Ergebnisse und verbesserte Prozesse

Software-Management ohne TQM und Schlankheitswahn

15.05.1998

Das Augenmerk von DV-Strategen liegt zwar nach wie vor auf der Optimierung von DV-Prozessen, doch dämmert die Erkenntnis, daß ein funktionierender, unter Umständen zertifizierter Prozeß nicht zwangsläufig ein gutes Produkt und den Unternehmenserfolg garantiert. Ein guter Prozeß legt laut dem Methodenpapst Grady Booch die Aktivitäten und deren Reihenfolge fest, nach der ein Projektteam arbeitet. Er definiert, was entwickelt wird, welche Aufgabe jedes Teammitglied und das Team als ganzes hat. Zum Prozeß gehören zudem Kriterien für die Überwachung des Projektfortschritts, der einzelnen Schritte und der Ergebnisse.

Doch große Projekte mit großen und interdisziplinären Teams brauchen laut Booch darüber hinaus eine Architektur. Sie führt die losen Enden zusammen und hilft jedem Teammitglied das Zusammenspiel der Komponenten im Blick zu behalten. Dazu muß sie zu einem frühen Projektzeitpunkt aus den wichtigsten Geschäftsfällen abgeleitet und grafisch aufbereitet werden. Wird sie von den Teammitgliedern verstanden, verhilft die Architektur zu größerer Resistenz gegenüber schleichenden Änderungen in den Produktanforderungen. Analyse-, Design- und Softwarekomponenten lassen sich wie in einen Rahmen einpassen und dabei gleich die Wiederverwendung planen. Systemmodelle können darüber hinaus direkt abgeleitet werden.

Wissen und Skills als Produktionsfaktoren

Für Hans-Jörg Bullinger, Chef des Fraunhofer-Instituts Arbeitswirtschaft und Organisation, steht dagegen nicht die Architektur, sondern Projektziele im Vordergrund. Einzelziele werden dabei aus übergeordneten abgeleitet.

Ziele und Aufgaben lassen sich Rollen zuordnen: für die Koordination, die Entwicklung, die Wiederverwendung, für das Systemdesign und die Tests. Dabei kann eine Person mehrere Rollen in einem oder in mehreren Projekten übernehmen. Um die Rollen auf die Mitarbeiter zu verteilen, muß das Unternehmen deren Kompetenzen, Fähigkeiten sowie Defizite kennen.

Das versucht derzeit die Siemens-Nixdorf Informationssysteme AG (SNI) derzeit mit dem Aufbau einer Skills-Datenbank für weltweit rund 35000 Mitarbeiter. Rund 2500 Kriterien liegen der Erfassung einer Person zugrunde. Die Mitarbeiter können sich freiwillig in diese Datenbank eintragen, womit datenschutzrechtliche Bedenken umgangen werden. Rund 60 Prozent der angestellten Berater hätten dieses Angebot bisher genutzt. "Das sind genau die Mitarbeiter, die wir in dieser Übersicht haben wollen", so Roland Polte, Leiter der SNI Personal- und Organisationsentwicklung.

Etwa eine Stunde investiert ein Mitarbeiter, der dort sein Anforderungsprofil hinterlegt. Der Anreiz, die eigenen Fähigkeiten zu offenbaren, liegt in einer möglichen Änderung oder Erweiterung des Arbeitsspektrums. Umgekehrt erreicht das Unternehmen laut Polte eine Vergleichbarkeit der Profile sowie Möglichkeiten eines schnellen Zugriffs und der Ausbildungsplanung.

Damit werden die Mitarbeiterfähigkeiten zum Produktionsfaktor. Rund 400 bis 500 Millionen Mark jährlich kosteten SNI Leistungen, die an Externe vergeben wurden. Etwa 200 Millionen Mark davon wären laut Polte mit dem Einsatz eigener Leute einzusparen gewesen.

Die Daimler-Benz AG experimentiert dagegen mit einer Wissensdatenbank. In ihr sollen sich das Wissen sowie Komponenten aus den objektorientierten Entwicklungsprojekten im Konzern wiederfinden. Wie Thomas Flor aus der Abteilung Forschung und Technologie darstellt, wird bei dem Autobauer noch zu 92 Prozent strukturiert programmiert, doch gebe es kaum neue Projekte, die nicht objektbasiert sind. Die Datenbank diene als Mittler zwischen den objektorientierten Teams.

Neben solchem speziellen Wissen sind in IT-Projekten mehr und mehr soziale Kompetenzen gefragt. Wie Manfred Lang, Lei-ter des Diebold Management Instituts, Eschborn, erläutert, tritt die DV aus ihrer reinen Dienstleistungsrolle heraus und bestimmt den Unternehmenserfolg mit. Während das Kompetenzfachprofil traditionell zu rund 70 Prozent IT-Fachwissen erforderte, macht dieses Wissen heute noch 30 Prozent aus; persönliche, soziale, methodische und beispielsweise BWL-Kompetenz dagegen belegen die restlichen 70 Prozent. Es reiche nicht, sich Wissen anzueignen, man muß es teilen, anwenden, vermitteln und unter Umständen sogar vermarkten können.

Wie erfolgreich jedoch letztlich eine Software-Management-Maßnahme ist, kann nur dann überprüft werden, wenn gemessen wird (siehe oben: "Harry Sneed definiert Objectpoints"). Das scheint jedoch keine Selbstverständlichkeit in DV-Organisationen zu sein. Nur wenige Firmen setzen Softwaremetriken oder Kosten-Nutzen-Rechnungen ein, die neben den Hard- und Softwarelizenzen die Entstehungs- und Wartungskosten einbeziehen (siehe Seite 15: "Kosten der Internet-Präsenz")..

Literatur: Hans-Jörg Bullinger, Claus-Ulrich Lott, "Target Management. Unternehmen zielorientiert gestalten und ergebnisorientiert führen", Campus Verlag, Frankfurt am Main 1997