Software-Klamotte

14.12.1979

Auf einem GMD-Meeting fiel das Wort von der "Software-Klamottenkiste, die man am Markt vorfindet" (vgl. CW-Nr. 48 vom 30. November 1979, Seite 16). Der provozierende Satz stammt von Dr. Spitta, Projektleiter in der Berliner Entwicklungsgemeinschaft von Anwendern aus der Textilindustrie mit Namen "Mirekon". Der User-Vertreter leitete aus seiner Analyse der "weichen" Anwendungs-Realität die Forderung nach portabler und standardisierter Software ab.

Den Software-Produzenten wird wohl nichts anderes übrig bleiben, als diese Kritik - wenn auch maulend - einzustecken.

Denn von Software-Qualität zu sprechen, was das Angebot an Standard-Anwendungsprogrammen angeht, fällt selbst den überzeugtesten PR-Aposteln der Branche nicht ein.

Die Frage muß also erlaubt sein: Gibt es überhaupt brauchbare Standard-Software? Aus Anwendersicht: Gibt es Softwarsysteme, die

- auf Anlagen verschiedener Hersteller eingesetzt werden können, also übertragbar sind,

- die organisatorische Umwelt, in die sie hineingepflanzt werden, exakt abbilden,

- nicht nur einzelne Aufgabenbereiche abdecken (Stichwort "lnsellösung"), sondern den Aufbau integrierter Informationssysteme ermöglichen,

- den Dialog in natürlicher Sprache zulassen?

Die Antwort lautet - alles zusammengenommen: Nein. Und dies ist ein uneingeschränktes Nein - wasserdicht, lupenrein, jedes Zugeständnis ausschließend. Ja, es erübrigt sich sogar, in die Beweisführung ("Software-Klamottenkiste") einzutreten - so offenkundig ist der Dissens zwischen Anspruch und Wirklichkeit.

Lohnender ist sicherlich, nach Überlegungen zu fragen, wie dem Softwareproblem beizukommen ist. Etwa: Gibt es bereits ausgereifte softwaretechnische Werkzeuge, die die Programm-Entwicklung selbst vereinfachen und beschleunigen? Damit ist die Softwareproblematik angesprochen, wie sie sich aus der Sicht der Produzenten, insbesondere der Hardware-Lieferanten, darstellt.

Für diese ist "Software-Engineering" zum Schlüsselwort geworden, denn die Software-Entwicklungskosten machen heute einen ständig steigenden Anteil vom System-Gesamtpreis aus. Diese Tendenz wird noch dadurch verstärkt, daß die Hardwarepreise nach unten gehen, was zur Konsequenz hat, daß es den Herstellern zunehmend schwerer fällt, die Software-Entwicklungskosten in den Hardwarepreisen zu verstecken.

Einziger Ausweg: Überwälzung sämtlicher Kosten auf die Kunden, das heißt Entbündelung, oder neudeutsch "Unbundling". Nun ist "Unbundling" nichts weiter als eine Verrechnungstechnik. Die Crux, daß die Software-Entwicklung im Gegensatz zur Hardware-Produktion immer teurer wird, ist damit nicht beseitigt. Hauptreduktionsfaktor für die Kosten ist die Verwendung einer Software für möglichst viele Hardwaresysteme. Weiter muß der Hersteller darauf bedacht sein, möglichst wenig Änderungen an bestehenden Standard-Paketen vorzunehmen, sie also möglichst lange im gleichen Status zu belassen.

Folge: Die Hardware hat die Software überrundet Zusammengestoppelte Uralt-Software verhindert eine optimale Nutzung der schnellen Hardware-Komponenten - die Implementierungszeiten verlängern sich. Mit anderen Worten: Viele Rechner werden unter ihren Möglichkeiten eingesetzt - eine Tatsache, der sich die Anwender zunehmend bewußt werden. Darauf müssen die Hersteller reagieren. Anwender mit kritischem Bewußtsein für die Möglichkeiten und Grenzen des Computers werden eben nicht mehr - wie das in der Vergangenheit der Fall war - ihre Softwareprobleme dadurch zu losen versuchen, daß sie einfach neue Hardware dazukaufen. Dies könnte zu einer Stagnation des Marktes führen.

Die Hersteller werden also nicht darum herumkommen, neue Anwendungssysteme zu entwickeln. Mit dem vorhandenen Instrumentarium ein teurer Spaß - die Katze beißt sich in den Schwanz.