Predictive Policing

Software jagt Einbrecher

21.07.2016
Große Punkte auf einer virtuellen Landkarte zeigen der hessischen Polizei, wohin sie ihre Beamten im Kampf gegen Einbrecherbanden schicken sollte. Ein Testlauf in vier Regionen hat weitgehend positive Ergebnisse hevorgebracht.

Die Einbrecher sind noch am Werk als der Wohnungsinhaber die Tür öffnet. Die Kriminellen springen aus dem Fenster und verstecken sich im Gebüsch. Doch vergebens: Ein Hubschrauber ortet sie mit einer Wärmebildkamera, eine Polizeistreife nimmt sie fest. Der Idealfall für die Polizei, so geschehen am 29. Oktober 2015 im hessischen Bad Soden. Zu verdanken war dies einer Software die das Landeskriminalamt im Kampf gegen Einbrecher getestet hat - erfolgreich, wie Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) betont.

Predictive Policing: "Minority Report" meets Big Data Analytics

Bisher setzt die Polizei neben der Strafverfolgung vor allem auf Prävention, wenn es darum geht, die Einbruchszahlen zu senken. Wohnungs- und Hausbesitzer werden über Sicherheitstechnik aufgeklärt und Nachbarn zur Wachsamkeit aufgefordert. Aber die Zahlen steigen. Vor allem organisierte Tätergruppen aus Osteuropa ließen sie nach Einschätzung der Polizei zuletzt bundesweit auf den höchsten Stand seit der Jahrtausendwende schnellen. 167.136 Fälle wurden 2015 registriert - fast zehn Prozent mehr als im Jahr 2014. Aufgeklärt wird nur etwa jeder siebte Fall.

Die am Mittwoch in Wiesbaden vorgestellte Software soll vorhersagen, an welchen Orten die Wahrscheinlichkeit von Einbrüchen besonders hoch ist. Dazu wird sie laufend mit den Daten von bereits geschehenen Taten gefüttert - insgesamt sechs Jahre gehen die Zahlenreihen zurück. Dem System liegt die Erfahrung zugrunde, dass gerade professionelle Einbrecherbanden nach einem wiederkehrenden Muster vorgehen. Waren sie in einem Gebiet am Werk, besteht durchaus die Möglichkeit, dass sie das am nächsten Tag genau dort fortsetzen wollen.

Der Testlauf deckte vier Regionen ab. Acht Wochen lang entschieden die Ermittler dort im vergangenen Winter morgens aufgrund der Datenauswertung, wo zusätzliche Verkehrskontrollen nötig sind, weil Banden unterwegs sein könnten. Mit großen Punkten zeigt das Programm auf der Landkarte Schwerpunktgebiete an. Dorthin wurden Streifen entsandt oder in Bereitschaft gehalten, um abzuschrecken oder im Ernstfall einen schnellen Zugriff zu gewährleisten. So wie im Beispiel Bad Soden.

Das sogenannte Predictive Policing ist auch in anderen Bundesländern im Einsatz. Unter anderem in Baden-Württemberg wurde ein Programm namens "Precobs" getestet. Die Ergebnisse aus Stuttgart und Karlsruhe sollen nach der Sommerpause vorliegen, wie das dortige Innenministerium mitteilt. Hessen wollte ein eigenes Programm entwickeln. Das Prinzip sei aber überall gleich und werde längst auch in der Wirtschaft eingesetzt, sagt LKA-Chefin Sabine Thurau: "Auch wenn ein Supermarkt aufgemacht wird, werden Daten erhoben, um das Sortiment zu bestimmen."

Polizei-Software: Ausweitung geplant

Die Einbruchszahlen in den hessischen Testregionen sind tatsächlich gesunken, um insgesamt 14 Prozent. Doch "Kommissar Computer" war nicht überall erfolgreich: Im Main-Taunus-Kreis etwa habe es eine Zunahme gegeben, sagt der zuständige Wiesbadener Polizeipräsident Stefan Müller. Hat die Software versagt? In der Landeshauptstadt sei dagegen weniger eingebrochen worden, so Müller. Angesichts der verschiedenen Präventionsstrategien der Polizei sei die Ursachenforschung schwierig.

Das Land hält an der Predictive-Policing-Software fest und will sie weiterentwickeln. Lohnend sei der Einsatz allerdings nur in Gebieten, in denen auch viele Einbrüche begangen werden, sagt LKA-Präsidentin Thurau. Und zu Zeiten, in denen die Täter besonders häufig zuschlagen: im Winter und in Siedlungen mit Einfamilienhäusern beispielsweise. Mitten in Großstädten wie etwa der Mainmetropole Frankfurt müssten andere Maßnahmen greifen. Denn mit einigen Polizeistreifen mehr sei dort keine wirkliche Abschreckung möglich. Klar ist bisher, dass die Software im kommenden Herbst in den vier Testregionen wieder zum Einsatz kommt. Eine Ausweitung sei geplant, so Thurau. (dpa/fm)