Software für moderne Kostenrechnung - als ob man nichts dazugelernt hätte

15.04.1977

Hans-Georg Plaut, Organisation Plaut AG Figino/Lugano, Schweiz

Bei der Auswertung und beim Vergleich der verschiedenen Modular- und -Standardprogramme, für die Kostenrechnung fällt dem Fachmann eine Tatsache besonders auf: Es hat den Anschein, daß die Systemanalytiker, die diese neue Software ausgelegt haben, mit den Grundanforderungen an eine flexible Plankostenrechnung sowie an eine Grenzplankostenrechnung oder Deckungsbeitragsrechnung nicht vertraut sind.

Alle in den vergangenen Jahrzehnten aufgetretenen Fehler, Irrtümer, Schwächen und Unterlassungen, die man längst überwunden glaubte, finden sich in den heute angebotenen Programmsystemen wieder. Dabei handelt es sich keineswegs um Details der Systemanalyse oder Programmierung und schon gar nicht um Geschmacksfragen, sondern um die betriebswirtschaftlichen Grundfragen der Auslegung eines innerbetrieblichen Rechnungswesens überhaupt. Die meisten angebotenen Programmpakete sind allenfalls für die Durchführung einer starren Plankostenrechnung geeignet.

Folgende Probleme werden bei den heute angebotenen Programmpaketen zumeist gar nicht oder nur sehr unbefriedigend gelöst:

- Verrechnung der sekundären Kosten

Einen besonderen Schildbürgerstreich hat der Verfasser in einem Großunternehmen beobachtet. Hier waren die sekundären Kosten vernünftig mit einer Deckungsrechnung der Sekundärstellen geplant worden. Dieses allein zweckmäßige Verfahren wurde jedoch wieder auf die veralteten festen Umlagenschlüssel zurückgeführt, nur weil das vorgesehene Modularprogramm eine Deckungsrechnung nicht zuließ.

- Verrechnung der Abweichungen der Fertigungsstellen

In jedem Soll-Ist-Vergleich entstehen naturgemäß zwischen den geplanten Sollkosten und den angefallenen Istkosten Abweichungen. Diese können in Einzelfällen erheblich sein. Es ist selbstverständlich, daß diese angefallenen Abweichungen als echte Kosten den Kostenträgern belastet werden müssen. Bei den meisten heute angebotenen Softwareprogrammen ist jedoch eine kostenträgerweise Verteilung der Fertigungsstellen-Verbrauchsabweichungen nicht vorgesehen.

- Verrechnung der Abweichungen sekundärer Kostenstellen

Auch die Abweichungen der sekundären Stellen sind Bestandteil der Istkosten und es genügt keineswegs, diese Abweichungen nur in einer Summe monatlich für den Gesamtbetrieb auszuweisen.

- Verrechnung der Fixkosten

Eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Kostenrechnung muß es ermöglichen, nicht nur die Grenzkosten je Produkt, sondern auch die Vollkosten auszuweisen. Es genügt keineswegs, Fixkosten allmonatlich nur in einer Summe vorliegen zu haben.

Die aufgeführten vier Probleme einer neuzeitlichen Kostenrechnung müssen mit Hilfe jedes solchen Softwarepaketes gelöst werden können. Bei ihnen handelt es sich, das sei noch einmal wiederholt, um essentielle Grundsatzfragen der Kostenrechnung überhaupt und keineswegs um Fragen des Programmkomforts, zu denen beispielsweise die monatliche maschinelle Abstimmbarkeit der Kosten mit den Konten der Finanzbuchhaltung gehören würde.

Man ist sich heute weitgehend einig darüber, daß ein neuzeitliches innerbetriebliches Rechnungswesen eine Materialabrechnung mit Festpreisen benötigt. Für diese Lösung sind einige Softwarepakete auf dem Markt, die ebenfalls zumeist nicht den unabdingbaren betriebswirtschaftlichen Anforderungen entsprechen. So ist es nötig, die beim Rechnungseingang entstehenden laufenden Korrekturposten zum mit Festpreisen bewerteten Lagerkonto zu führen und die Preisdifferenzen der Fertigungsstoffe kostenträgergerecht zu verrechnen.

Wenn man eine positionsweise Festpreisabrechnung durchführt, dazu wird man sich bei der elektronischen Datenverarbeitung wohl immer entschließen, eine materialgruppenweise Ermittlung der Preisabweichungen ließ sich nur früher für das konventionelle Lochkartenverfahren vertreten, muß ein immer wieder auftretendes Problem gelöst werden. Es handelt sich darum, daß eine große Zahl der -Wareneingänge schon auf Lager genommen und zum erheblichen Teil auch schon ausgegeben werden muß, ohne daß noch die Eingangsrechnung vorliegt. Wenn hier in einem Modularprogramm nicht eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Abgrenzung vorgesehen wurde, müssen unvertretbar hohe Schwankungen in den Preisdifferenzen die Folge sein. Will man mit Festpreisen rechnen, muß dieses Problem gelöst werden.

Ein weiteres allseits benötigtes Programm für ein neuzeitliches innerbetriebliches Rechnungswesen ist ein Programm für die Anlagenbuchhaltung. Soll ein solches Anlagenbuchhaltungsprogramm den Anforderungen einer Grenzplankostenrechnung oder Deckungsbeitragsrechnung entsprechen, muß hierin sowohl eine Indexrechnung zur Ermittlung zeitgerechter Wiederbeschaffungswerte vorgesehen sein, als auch das Programm die Möglichkeit bieten, sowohl mit fixen, als auch mit proportionalen Abschreibungsbeträgen zu rechnen.

Es ist für einen Betriebswirt, der sich seit Jahrzehnten mit der Verbesserung und Weiterentwicklung des betrieblichen Rechnungswesens befaßt, erschütternd zu sehen, daß alle längst überwunden geglaubten Fehler im Zuge der Erstellung vermeintlich neuzeitlicher Software wieder fröhliche Urständ feiern.