Referenten auf der SEAS-Jahresversammlung sind sich einig:

Software-Engineering hat frischen Wind nötig

13.11.1987

MÜNCHEN (CW) - Unter dem Motto "Programmierer und Software - eine Gefahr für die Volkswirtschaft?" fand diesmal die Jahrestagung der IBM-Benutzervereinigung SEAS (Share European Association) in Edinburgh statt. In den Plenarvorträgen und Projektsitzungen wurden aktuelle Probleme und Entwicklungstendenzen des Software-Engineerings diskutiert.

Die Gefahr für die gesamte Volkswirtschaft, welche aus ungenügend entwickelten Programmen der Softwarehersteller erwächst, hob Professor Ian Sommerville von der University of Lancaster in seinem Eröffnungsvortrag hervor. So stünde einem exponentiell steigenden Bedarf ein nur leichtes Wachstum der verfügbaren Software gegenüber. Seiner Meinung nach dürfte schon bald der Punkt erreicht sein, an dem das Wachstum der Volkswirtschaft in den Industrienationen durch den Mangel an Software gebremst würde. Professor Sommerville beschrieb Software-Engineering nicht nur als Methode zur Entwicklung von Software, sondern auch zur Erstellung der dazugehörigen Dokumentation und zur Bereitstellung der erforderlichen Managementwerkzeuge.

Um die anhaltende Softwarekrise überwinden zu können, müßten sich die Unternehmen künftig darauf einstellen, große Investitionen in die Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu tätigen.

"Ich habe noch nie einen Programmierer getroffen, dem ich vertrauen könnte". Mit dieser provozierenden Aussage begann John Shore, Direktor des Entropic's Washington Research Laboratory seine Darstellung zum Thema "Software-Engineering" und wies damit auf die großen Gefahren hin, die von fehlerhafter Software ausgehen könnten. Shore forderte deshalb die Einführung angemessener Vorschriften zur Kontrolle von Softwareprodukten und rief die Seminarteilnehmer dazu auf, sich in diesem Bereich stärker zu engagieren.

Auch M. M. Lehman, Professor emeritus am Imperial College London und Direktor der Imperial Software Technology Ltd., betonte die unbedingte Notwendigkeit eines "Integrated Project Support Environment" (IPSE) für den gesamten Lebenszyklus eines Softwareprodukts. Er bezeichnete ein Softwaresystem als "logischen Organismus", dessen Prozesse, im Gegensatz zum biologischen Organismus, von Menschen gesteuert würden. Da keine "natürlichen" Gesetze zur Einhaltung der Softwaredisziplin existierten, könnte nur die Einhaltung eines Rahmens, der durch IPSE vorgegeben sei, die Entstehung fehlerfreier und weiterentwickelbarer Software fördern.

Ähnlich äußerte sich auch Professor John N. Buxton vom King's College London. In einem kurzen historischen Überblick legte er dar, wie beim Design von Ada bereits Vorkehrungen getroffen wurden, diese Sprache in ein umfassendes System zur Unterstützung des Software-Engineering einzubetten.

SEAS ist eine Vereinigung von Anwendern mittlerer und großer IBM-Systeme. An der Jahres-Veranstaltung nahmen etwa 650 IBM-Kunden aus Europa, dem Mittleren Osten und aus den Vereinigten Staaten teil.