So optimieren Sie die Bestandsführung

Software bringt Schwung ins Lager

01.12.2004
Von 
Uwe Küll ist freier Journalist in München.
Hohe Bestände bei gleichzeitig fehlender Lieferfähigkeit - dieses Problem gehört in vielen Unternehmen zum Alltag. Lösen lässt es sich mit durchgängigen Logistikkonzepten und integrierter IT-Unterstützung.

NIE WAR LIQUIDITÄT so wertvoll wie heute. Im Vorfeld von Basel II sind deshalb hohe Lagerbestände und die damit einhergehenden Kapitalbindungskosten ein Kernproblem in fast jedem Unternehmen. Zwar verfügen die meisten Firmen über ERP- oder Warenwirtschaftsprogramme, die unter anderem eine Bestandsoptimierung ermöglichen sollen. Doch in der Praxis regiert in vielen Lägern das Chaos. Hans-Hermann Wiendahl, der beim Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) den Bereich Auftrags- Management und Logistik betreut, kennt die typischen Symptome einer kränkelnden Lagerwirtschaft aus zahlreichen Projekten:

  • Zu hohe Bestände

  • Geringer Servicegrad

  • Hohe Verwürfe

  • Großer Suchaufwand

 „Paradoxerweise werden häufig auch die Artikel nicht oder nicht termingerecht ausgeliefert, die bereits teure Lagerkapazitäten blockieren“, verdeutlicht Wiendahl das Dilemma der Unternehmen. Das dahinter liegende Grundproblem ist fehlende Transparenz, die in der Regel logistische und organisatorische Ursachen hat: fehlende oder ungenaue Verantwortlichkeitsdefinitionen, falsche Einstellungen an der Warenwirtschafts oder Produktionsplanungssoftware sowie unrealistische Planvorgaben.

ERP-System ausreizen

In vielen Fällen fehlt der Überblick aus historischen Gründen: Mal ist es das Festhalten an einer veralteten Software, mal die unzureichende physische Lagerinfrastruktur. Franz Vallée, Geschäftsführer der Prof. Becker GmbH in Altenberge bei Münster, stellt klar: Spätestens dann, wenn die Kapitalbindungskosten ins Blickfeld rücken, wird das Thema Lagerverwaltungssoftware aktuell. Manch praktisches Problem lässt sich damit jedoch nicht beseitigen: „In einem Projekt hatten wir mit 25-stelligen Materialnummern zu tun. Da sind Eingabefehler bei der Buchung fast unvermeidlich“, so Vallée. Hier kann beispielsweise die Erfassung mit Barcode oder RFID die Fehlerquote minimieren. Solche Input-Output- Systeme bieten denn auch nach Ansicht von Eric Scherer, Geschäftsführer des Beratungs- und Marktforschungsunternehmens i2s in Zürich, viel Optimierungspotenzial für die Abläufe im Lager: „Das gilt vor allem dann, wenn man nicht nur an Betriebsdatenerfassung im Lager selbst denkt, sondern beispielsweise auch Vertriebsmitarbeitern über Laptops oder Handheld-Computer mit Web-Anbindung via WLAN oder GPRS den direkten Zugriff auf die Lagerbestände ermöglicht.“

 

Um solche durchgängigen Geschäftsprozesse unter Nutzung neuer Hardwaretechnologien für den Mittelstand erschwinglich zu machen, müssen Hersteller und Dienstleister nach Ansicht von Scherer jedoch neue Finanzierungsmodelle anbieten, die den Einstieg erleichtern. Damit Anwender darauf nicht untätig warten müssen, empfiehlt Scherer ihnen als ersten Schritt: „Die volle Funktionalität des vorhandenen ERP-Systems ausnutzen! Wenn es sich um eine zeitgemäße Warenwirtschafts- Standardsoftware handelt, sind saubere Lagerhaltung, Abbildung aller Lager und Darstellung von virtuellen Lagern für geplante Zu- und Abgänge damit ohne zusätzliche Investitionen machbar.“ Integrierte Systeme, die Buchhaltung und Logistik vereinen, erlauben darüber hinaus auch eine bessere Beurteilung der Werte. Andere Software, wie etwa APS-Systeme, hält Scherer für weniger sinnvoll - „zumindest, solange sie nicht in die bestehende Warenwirtschaft integriert sind“.

Wo Standard nicht reicht

Standard-ERP-Software mit Lagerverwaltungs- Modul reicht nach Ansicht von Software-Auswahlberater Vallée in der Regel da nicht, wo aufgrund der Geschäftsabläufe besondere Anforderungen an die Automatisierung bestehen und/oder spezielle Techniken wie Barcode oder elektronische Versandvorrichtungen integriert werden müssen. Vallée nennt in diesem Zusammenhang ein Projekt in der Schüttgutindustrie, bei dem mehr als 1000 Lkw täglich automatisch beladen und abgefertigt werden.

Auch bei besonderen Anforderungen wie Leihgutabwicklung mit individueller Identifikation der Originalcontainer ist in der Regel zumindest ein Add-on zu Software von Anbietern wie beispielsweise SAP, Microsoft Business Navision, Peoplesoft oder Oracle erforderlich. Derartige Spezialsysteme werden zumeist von Nischenanbietern für bestimmte Branchen bereitgestellt.