Alternative zu Microsoft- und Lotus-Paketen geplant

Software-Allianz soll Borland und Wordperfect stärker machen

12.06.1992

FRAMINGHAM (IDG) - Wordperfect und Borland International verfolgen den Plan, gemeinsam ein Paket von Softwareprodukten unter Windows zu schnüren. Die Unternehmen wollten zusammen Anwendungen vermarkten, die mit den entsprechenden Produkten "Smartsuite" von Lotus und dem "Office"-Angebot von Microsoft konkurrieren können.

Wie die amerikanische CW-Schwesterpublikation "Computerworld" erfahren hat, werden voraussichtlich die Produkte "Wordperfect für Windows" und das E-Mail-Paket "Office" vom selben Hersteller mit den für Ende dieses Sommers erwarteten Windows-Versionen der Tabellenkalkulation "Quattro Pro" und des Datenbanksystems "Paradox" von Borland zu einem Paket verschmolzen. Ungeklärt ist derzeit noch, ob zusätzlich auch eine Grafiksoftware zum Gesamtsystem gehören wird.

Der Preis, so erwarten Branchen-Insider, wird ähnlich dem der Konkurrenzprodukte bei knapp 800 Dollar liegen. Beide Unternehmen haben bestätigt, daß sie derartige Pläne diskutieren, wollten aber noch keine näheren Angaben machen. Mit ersten offiziellen Verlautbarungen wird für Mitte Juni dieses Jahres gerechnet.

Marktbeobachter halten die gemeinsame Anstrengung von Borland und Wordperfect für den Versuch, einen Alleingang von Microsoft und Lotus zu verhindern. Microsofts Office, seit Herbst 1990 mit großem Erfolg auf dem Markt, und das seit Frühjahr 1992 verfügbare Smartsuite von Lotus enthalten jeweils Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, eine Grafiksoftware und eine E-Mail-Lizenz. Für den Anwender entsteht nicht nur der Vorteil, daß er alle Produkte mit einer einheitlichen Benutzeroberfläche aus einer Hand erhält, er spart zudem eine Menge Geld. Bei einem Paketpreis von rund 800 Dollar hält er zwei Anwendungen praktisch umsonst.

Legitimes Marketing-Verfahren

Die Diskussion um diese Pläne sehen Analysten als Indikator dafür, daß die Bündelung von Softwareprodukten verschiedener Anbieter von der Industrie inzwischen als legitimes Marketing-Verfahren beurteilt wird. Für einzelne Firmen entsteht so die Möglichkeit, auch namenlose Softwareprodukte als Bestandteil eines Paketes den Kunden zu bringen. Borland hat so zum Beispiel die Chance, Wordperfect-Anwendern die Tabellenkalkulation Quattro Pro als echte Alternative zu Lotus 1-2-3 zu Präsentieren.

Nicht alle Marktbeobachter halten die Pläne der beiden Software-Companies für sinnvoll. Schwierigkeiten erwartet etwa Terry Quinn, Analyst bei Kidder, Peabody & Co., weil den Unternehmen ein adäquates Grafikprodukt fehle. Borland verfüge über keinerlei Grafiksoftware, und Wordperfects "Drawperfect" sei am Markt bisher noch nicht der Durchbruch gelungen. Generell zweifelt Quinn außerdem an der Notwendigkeit, im Rahmen ein solchen Pakets ein Datenbanksystems zu vermarkten. Lotus und Microsoft böten mit ihr Paketen jeweils auch einheitliche Schnittstellen zu anderen Datenbanksystemen - das erscheine ihm als die sinnvollere Lösung.

Diesen Bedenken setzen Anwender das Kostenargument entgegen: "Wir setzen Wordperfect und Paradox ein - wenn eines von beiden mehr oder weniger umsonst erhältlich sein wird, dann ist das mit Sicherheit für viele ein Kaufanreiz", betont Linda Deinberg von Fujisawa Pharmaceutical in Deerfield, Illinois. Ein anderer Anwender weist auf den zu erwartenden Synergieeffekt hin: Borland werde Vorteile aus Wordperfects Fähigkeiten bei der Erstellung von Druckertreibern ziehen, Wordperfect seinerseits dürfe von den Fähigkeiten Borlands im Bereich Objektorientierung profitieren.