Die Zukunft liegt bei Multivendor-Applikationen

Software-2000-Chef Pemberton: Anwendungspakete bald obsolet

17.05.1996

Die Podiumsdiskussion stand unter dem Motto: "Verteilte Anwendungen in einer verteilten Welt". Eingeladen hatte der Veranstalter, die Object Management Group (OMG), Vertreter von fünf der Software-Unternehmen, die sich Anfang vergangenen Jahres zur Open Application Group (OAG) zusammengeschlossen hatten: Neben Pemberton folgten der Einladung Doug MacIntyre, CEO von Dun & Bradstreet, Paul Margolis, President von Marcam, Roger Covey, CEO von SSA, und Günther Tolkmit, Leiter technisches Marketing bei der SAP AG, Walldorf.

Wie üblich bei solchen Gelegenheiten nutzten die Anbietervertreter ihre Chance, die eigene Produktstrategie vorzustellen. Zum Thema Objektorientierung vertraten sie sehr unterschiedliche Ansichten. Marcam und SSA haben ihre Produkte im vergangenen Jahr auf einem objektorientierten Fundament völlig neu aufgebaut. Dun & Bradstreet (D&B) sowie SAP hingegen nähern sich dem neuen Paradigma sehr behutsam an - nicht zuletzt deshalb, weil sie kürzlich erst neue Versionen ihrer Applikationspakete im Markt etabliert haben.

Die Walldorfer sprechen seit der CeBIT immerhin von Business-Objekten, 170 an der Zahl, in die sie ihr R/3-System zerlegt hätten. Aber dieser Begriff bleibt so lange akademisch, wie die "Objekte" in ein starres Gesamtgefüge eingebettet sind.

Zudem ließ Tolkmit keinen Zweifel daran, daß der deutsche Softwareriese der objektorientierten Technik ein gehöriges Maß an Skepsis entgegenbringt. In den sieben Jahren seit Gründung der OMG sei noch nicht viel Nennenswertes geschehen, weil die IT-Spezialisten nur daran dächten, ihre Systeme bottom-up aufzubauen, anstatt zunächst einmal das Geschäft zu analysieren.

Software-2000-Chef Pemberton sieht das anders. Seiner Ansicht nach hat das objektorientierte Paradigma in Verbindung mit der Akzeptanz des World Wide Web (WWW) bereits eine tiefgreifende Veränderung des Applikationsmarkts eingeläutet. Die wichtigste Entwicklung in diesem Zusammenhang sei nicht die Web-Sprache "Java", sondern die Interface Definition Language (IDL) der Common Object Request Broker Architecture (Corba). Damit sei es grundsätzlich möglich, Anwendungen unterschiedlicher Lieferanten nahtlos miteinander zu verbinden.

Die Zukunft gehört den Business-Webs

Für Pemberton lautet die Konsequenz: "Die Applikationen sind tot. Es leben die Business-Webs." Die Anbieter würden keine monolithischen Systeme, sondern nur noch Anwendungsteile ausliefern. Der Benutzer fügt diese Komponenten zu individuellen Applikationen zusammen, die sich kontinuierlich verändern lassen und nicht an Einzelanbieter gebunden sind. Als Betriebsumgebung dient das Internet beziehungsweise ein Intranet.

Darauf, wann seine Vision Wirklichkeit sein wird, will sich Pemberton noch nicht festlegen. Egoismen der Anbieter und die ungelöste Frage der Nutzungsgebühren stünden dem Erfolg noch entgegen.