Wie der High-Tech-Entwickler IABG Mitarbeiterprofile speichert

Softskills lassen sich nicht in eine Datenbank pressen

19.09.1997

Machte der High-Tech-Entwickler in München-Ottobrunn mit seinen rund 1400 Beschäftigten jahrelang sein Hauptgeschäft mit Rüstungsaufträgen, so ist der Anteil an "verteidigungsbezogenen Dienstleistungen", wie es im Firmenjargon heißt, inzwischen auf 50 Prozent zurückgegangen. Technik- und Systemberatung in den Bereichen Information, Umwelt, Luft- und Raumfahrt gewinnen an Bedeutung. Dennoch ist die Unternehmenskultur nach wie vor von großer Vorsicht im Umgang mit sensiblen Daten und Verschlußsachen geprägt. Das hat den datenschutzrechtlich sauberen Einstieg ins Skills-Management erleichtert.

Während seines Betriebspraktikums bei der IABG entwickelte der Informatikstudent Swen Müller eine "datenschutzgerechte Intranet-Lösung eines Informationssystems über Mitarbeiterprofile". In seiner gleichnamigen Diplomarbeit machte er Vorschläge, was Geschäftsleitung und Betriebsrat vor Einführung des "kostengünstigen, rechtlich und technisch hochsicheren und einfach zu bedienenden" Systems in einer Betriebsvereinbarung klären müssen.

Inzwischen befindet sich die Profildatenbank in der einjährigen Probephase und Diplominformatiker Müller ist als Angestellter der IABG für den Verlauf des Projekts verantwortlich.

Zweckbindung und Erforderlichkeit - diese Begriffe stecken den Handlungsrahmen ab: Die IABG will die Mitarbeiterprofile zum Zweck der Angebotserstellung, also sind Angaben der Beschäftigten über Ausbildung, beruflichen Werdegang, Zertifikate, Fremdsprachenkenntnisse oder DV-Erfahrungen erforderlich.

Soziale Kompetenzen wie Konfliktfähigkeit, Belastbarkeit oder Teamtauglichkeit werden bei der IABG nicht abgefragt. Aus gutem Grund, sagt Müller. Er hat bei seinen Vorabrecherchen kein unbedenkliches Konzept für die Speicherung solcher Angaben auf dem Markt gefunden und glaubt auch nicht, daß "Persönlichkeitsmerkmale mit ihrem hohen Anteil an Subjektivität" in ein objektivierbares Kriterienkorsett zu pressen sind.

Müller: "Das Mitarbeiterprofil ist ein Tool, um zu erfahren, wer im Betrieb bestimmte Kundenanforderungen erfüllen könnte. Ob derjenige dann ins Projektteam paßt, ob er gerade durch einen anderen Auftrag gebunden ist oder ob andere Hindernisse vorliegen - das ist in einem persönlichen Gespräch zu klären."

Als Testpersonen für die Skill-Datenbank werden bei der IABG rund 100 Angestellte mit fundierten IT-Kenntnissen ausgewählt. Ganz einfach deshalb, weil der Nutzen für die Firma besonders groß ist, wenn sie über die verschiedenen Skills der Mitarbeiter schnell eine fundierte Datenbasis für die Angebotserstellung hat.

Außerdem, so Müller, können die IT-Spezialisten "sofort sehen, ob sich das Profilsystem als effektiv erweist, ob die versprochenen Sicherungen greifen oder wo nachzubessern ist." Wird die präsentierte Lösung gebilligt, ist das Akzeptanzproblem beim Rest der Belegschaft klein. Das hofft jedenfalls die Firma.

Mehrere Sicherheits- und Kontrollebenen sollen Mißbrauch verhindern, berichtet Müller. Nach außen ist das Intranet durch eine Firewall geschützt. Jeder Rechner hat eine eigene Adresse, jeder Benutzer sein sich vierteljährlich änderndes Paßwort. Jeder Schritt in der Profildatenbank wird protokolliert, so daß sich nach einem unerlaubten Zugriff auf die Mitarbeiterinformationen die Spur zum Urheber lückenlos zurückverfolgen läßt.

Der Betriebsrat kann das System vorübergehend stoppen, liegt ein begründeter Verdacht auf Mißbrauch vor. Außerdem hat die Arbeitnehmervertretung nach Paragraph 99 des Betriebsverfassungsgesetzes bei Versetzungen oder der Umgruppierung von Beschäftigten Zugriff auf die Mitarbeiterprofile. Ein Recht, das bei den Verhandlungen lange umstritten war. Der betriebliche Datenschutzbeauftragte ist oberste Kontrollinstanz.

Laut Betriebsvereinbarung entscheidet jeder Beschäftigte darüber, welche Erfahrungen und Kompetenzen er offenbart: Er gibt die Skills selbst ein, der Vorgesetzte überprüft sie. Pro Ressort dürfen nur zwei namentlich bekannte Angestellte die virtuelle Kompetenz-Fundgrube der Firma durchforsten. In der Praxis läuft das Verfahren folgendermaßen ab: Gesucht ist beispielsweise ein Mitarbeiter mit Kenntnissen in "Visual Basic", die Suchmaschine meldet mehrere Treffer. Sind nun außerdem Kenntnisse in Englisch oder Französisch erwünscht, reduziert sich das personelle Angebot. Ganz oben auf der Liste erscheint der Kan- didat, der alle Anforderungen erfüllt.

Wenn Kunde A genau wissen will, wer im vorgeschlagenen Team der IABG welche Anforderungen abdecken kann, suchen die Projektleiter - in Absprache mit den Betroffenen - die passenden Skills aus deren Profil heraus. Schließlich muß A nicht unbedingt erfahren, daß der Experte Z schon für den Konkurrenten von A tätig war.

Zu Müllers Aufgaben im Probejahr gehört zudem, einen leistungsfähigen Schlagwortbaum aufzubauen. Was das bedeutet, erläutert er folgendermaßen kurz: Ein Kunde sucht beispielsweise einen Gärtner, die Suchmaschine muß also den Kollegen finden, der ,Landschafts- und Gartenbau' als Studienrichtung in die Datenbank eingegeben hat." Nur wenn der Rechner Synonyme, neben- und übergeordnete Begriffe "versteht", ist gewährleistet, daß Angebot und Nachfrage zusammenfinden.

Ein Problem ist allerdings noch offen: Wie lassen sich freien Mitarbeiter der IABG in die Skill-Datenbank einbeziehen? Für sie ist es wichtig, daß ein Projektleiter bei der Angebotserstellung auf ihre Kompetenzen aufmerksam wird. Skill-Experte Müller stellt sich als Lösung eine erweiterte Betriebsvereinbarung vor, in der die Firma Freiberuflern freiwillig die gleichen Schutz- und Kontrollrechte zugesteht wie festen Mitarbeitern.

Der Trend geht eindeutig Richtung rechnergestützte Mitarbeiterprofile erklärt Müller, denn immer mehr Firmen sehen sich gezwungen, ihre starre Betriebsorganisation zugunsten von flexiblen Projektteams aufzulösen. Die IABG denkt daran, das eigene Intranet-Modell nach bestandenem Jahrestest zu vermarkten. "Die technische Plattform ist austauschbar", entscheidend ist die Beratung." Sein Tip für Firmen, die mit der Einführung von Skills-Management liebäugeln: "Von Anfang an den Betriebsrat ins Boot nehmen, mit offenen Karten spielen, das System Schritt für Schritt aufbauen und testen, erst nach und nach die Zweckbindungen erweitern."