CASE-Pioniere in IBMs "SAA-Force"

Softlab: Entwicklungshelfer für große Software-Projekte

25.05.1990

Was heute heftig propagiert wird, scheint bei der Münchner Softlab schon viel früher erkannt worden zu sein: die Notwendigkeit strategischer Allianzen. Ohne die Kooperation mit mächtigen Computer bauern, beteuert jedenfalls Klaus Neugebauer, Sprecher der Geschäftsführung bei der Softlab GmbH, hätte sein verhältnismäßig kleines Haus die hohen Entwicklungskosten für ein CASE-Produkt "nie und nimmer zurückverdienen können".

Heute rühmen sich die Bayern, nicht nur der älteste, sondern auch der führende Anbieter von computerunterstützten Software-Entwicklungsumgebungen zu sein. Was zumindest insoweit stimmt daß Softlab als erstes unabhängiges Softwarehaus bereits Ende der 70er Jahre den Software Ingenieuren eine marktreife Entwicklungsumgebung offerierte, die den gesamten Lebenszyklus eines Softwareprojektes abdeckte. Damit haben die Münchner eine herausragende Position in einem Bereich, wo die GMD-Studie besonders schlechte Noten an die Deutschen verteilt hatte.

Während bei den Computern in den letzten Jahren nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern auch die Konstruktion und Fertigung enorme Fortschritte gemacht haben, wird die Software im Vergleich dazu laut Neugebauer noch weitgehend nach "mittelalterlichen Methoden " hergestellt. Viel kreative Einzelleistung, wenig systematische Teamarbeit. Software-Experten im In- und Ausland stimmen dem zu. CASE (Computer Aided Software Engineering) wird seit langem als einzige Möglichkeit diskutiert den Softwareprozeß produktiver zu gestalten. Zwar befassen sich alle größeren Unternehmen mit diesem Thema und setzen auch. bereits Werkzeuge; für bestimmte Entwicklungsaufgaben ein. Doch nur ganz wenige Programmhersteller arbeiten in einer integrierten Entwicklungsumgebung, die für jede Projektphase das passende Handwerkszeug parat hält. Nur so wird ein arbeitsteiliger Entwicklungsprozeß unterstützt.

"Als Pioniere hatten ` wir es schwer, die Anwender von der Funktionstüchtigkeit unseres Produktes; zu überzeugen", sagt der Softlab-Chef rückblickend. Wie viele neue Technologien setzte sich CASE erst dann durch, als die Großen der Branche auf das Thema setzen. Dabei hat es den Münchnern nicht geschadet, daß sie ein gutes Jahrzehnt quasi Alleinanbieter in diesem Marktsegment "Software-Engineering-Systeme" waren. Ende der 70er Jahre kam die 1971 gegründete Softlab mit dem international ersten CASE-Produkt, Pet/Maestro genannt, auf den Markt. Weltweit wurden nach Neugebauers Angaben bereits 25.000 solcher Systeme installiert.

Drei Allianzen ging Softlab ein, um diesen Markterfolg zu erzielen. Philips ist seit 1978 Hardware- und Marketing-Stütze für Pet/Maestro und hilft vor allem, im EG-Markt Fuß zu fassen. Für den ausgedehnten US-Markt suchte sich das Softlab-Management damals Motorola als Partner. "Als verlängerter Arm für Vertrieb und Marketing", umreißt Neugebauer das Ziel der Kooperationen. Enger gestaltet sich die Partnerschaft mit dem bayrischen Auto-Hersteller BMW AG, die vor vier Jahren dem Softwarehaus finanziell den Rücken stärkte mit einer Kapitalbeteiligung von 28 Prozent. Vor allem das Geschäft in England, wo Softlab 1987 die erste Auslandstochter gründete, profitierte von dieser Verbindung.

Die Maestro -Zahlen weisen den bayrische Pionier heute als. Marktführer aus. In einem Segment, dem Marktforscher hervorragende Wachstumsperspektiven prophezeien. Um vierzig Prozent jährlich soll der Teilmarkt computerunterstützte Software-Entwicklung in Zukunft zunehmen. Allerdings ist die Ausgangsbasis sehr niedrig für die BRD wird der Gesamtumsatz auf dünne 150 Millionen Mark geschätzt. Bis 1993 jedoch könnte das Marktvolumen in West-Europa bereits auf zirka 2,4 Milliarden Mark ansteigen.

Einen wichtigen Hinweis auf die strategische Bedeutung dieses Teilmarkts gibt nach Neugebauers Auffassung das Interesse von IBM. Als Big Blue im vergangenen Jahr die AD/Cycle-Plattform für sämtliche Anwendungsentwicklungen unter SAA angekündigt hatte, erhöhte sich prompt die Aufmerksamkeit für CASE. Mit 35 internationalen Softwarehäusern hat IBM eine Zusammenarbeit vereinbart, um durch deren Produkte Kunden bei der Software-Entwicklung zu unterstützen. Als einziges bundesdeutsches Unternehmen wurde Softlab ausgewählt.

Die praktischen Vorteile dieser neuen Technologie sind uni bestritten. Die wenigen Anwender von integrierten Entwicklungsumgebungen, die es gibt, sprechen von Produktivitätssteigerungen von 50 Prozent und mehr. Noch wichtiger ist vielen freilich die Qualitätsverbesserung. Die DV-Manager des Gerling-Versicherungskonzerns, die mittlerweile sechs Softlab Systeme im Einsatz haben, sprechen davon, daß "bei Neuentwicklungen die Fehlerhäufigkeit extrem zurückgegangen" sei. Da CASE-Systeme jedoch hochkomplexe Konstrukte darstellen, weil solche Verbesserungen nur zu erzielen sind, wenn sie den gesamte Lebenszyklus einer Software, also Analyse, Entwurf, Entwicklung und schließlich auch die Wartung umfassen, erfordert ihre. Entwicklung enorm viel Zeit und Kosten. Noch heute investiert Softlab jährlich überdurchnittlich viel, rund zwanzig Prozent des Umsatzes, in Forschung und Entwicklung. Im vergangenen Geschäftsjahr lag der Umsatz bei l20 Millionen Mark.

Kein Wunder, daß Neugebauer es schlicht "unmöglich" nennt, diese überdurchschnittlichen Aufwendungen durch einen noch so guten Absatz im Heimatmarkt. wettzumachen." So hohe Stückzahlen können wir in einem einzigen Land nicht erzielen." Daraus ergibt sich der Zwang zur Internationalisierung, aus betriebswirtschaftlichen Gründen, wegen dem "return on investment".

Mit Wachstumssprüngen von jährlich um die zwanzig Prozent entwickelte sich das kleine Softwarehaus zu einem renommierten Unternehmen, das heute rund 500 Arbeitnehmer beschäftigt.

Gut vierzig Prozent des Umsatzes wird im Ausland erzielt, von den Landesgesellschaften Österreich, Großbritannien und USA. "Weil wir mit etwas auf den Markt kamen, was sonst keiner hatte", erklärt sich der Softlab-Chef den ungewöhnlichen Erfolg. Bis heute bringt Pet/Maestro rund 60 Prozent des Umsatzes. Vor kurzem erst erhielten die Bajuwaren einen Großauftrag aus den USA. An Pacific Bell, eine Tochter der Telefongesellschaft Pacific Telesis Corp., werden sie auf einen Schlag 1800 CASE-Arbeitsplätze der neuen Serie Maestro II liefern.

Auch an Amadeus beteiligt

Die restlichen 40 Prozent kommen aus dem Projektgeschäft. Darunter versteht man bei Softlab Sonderentwicklungen für Endanwender, mit deren Hilfe spezifische Automatisierungsprobleme gelöst werden. So waren die Münchner als Unterauftragnehmer an Amadeus beteiligt, dem weltweiten Reservierungs-Netzwerk mehrerer Fluggesellschaften.

Die 90er Dekade hat Softlab mit dem Abschluß von Maestro II, der zweiten CASE-Generation auf der Basis eines Client-Server-Konzepts, und neuen Allianzen in Angriff begonnen. Mit IBM, Hewlett-Packard und wieder mit Philips schloß die Geschäftsführung Kooperationsverträge für die Vermarktung der durch etliche Features runderneuerten Software-Produktionsumgebung.

Wichtige Fortschritte bei der Entwicklung und Wiederverwendung von Programmen versprechen sich die Software-Ingenieure von einer objektorientierten Datenbank, dem sogenannten Object Management System.

Darin werden alle Entwicklungsdaten als Objekte, Attribute, Regeln und Relationen sowie auch alle Ergebnisse des Entwicklungsprozesses abgelegt und verwaltet.

* Heidrun Haug ist freie Journalistin in Tübingen