Fusionen/Die Post-Merger-Phase entscheidet über den Fusionserfolg

Soft Facts wichtiger als die Software

03.05.2002
Rund die Hälfte aller Firmenzusammenschlüsse bricht wieder auseinander, bevor sie überhaupt zum Tragen gekommen sind. Integriertes Vorgehen reduziert die Fusionsrisiken erheblich. Von Ulrich Falke und Udo Killermann*

Nahezu wöchentlich wird über Fusionen größerer und kleinerer Unternehmen berichtet. Die Partner dieser Unternehmenshochzeiten malen in ihren Verlautbarungen und Presseerklärungen in der Regel alles in den schönsten Farben. Oft stellen sich aber die erwarteten Effekte und Synergien nicht ein. Ein Teil der Fusionen erweist sich schlicht als nicht durchführbar. Sie scheitern an den unterschiedlichen Kulturen, den zu verschiedenen Verfahren und anderen "weichen" Faktoren, die in den obligatorischen finanziellen und technischen "Due Diligences" nicht erhoben wurden.

Nach der anfänglichen Begeisterung in den Führungsetagen setzt dann Ernüchterung ein, die auf operativer Ebene bis zur Lähmung fortschreiten kann. McKinsey & Company kommt in einer aktuellen Studie zu dem Ergebnis, dass rund die Hälfte der Firmenzusammenschlüsse zerbrechen, bevor sie richtig begonnen haben.

Post Merger Integration (PMI) ist das Schlagwort, unter dem alle Aktivitäten zusammengefasst sind, die nach dem Zusammenschluss berücksichtigt werden müssen. Schließlich soll ein Mehrwert geschaffen werden, der größer ist als die Summe der Teile. Anderenfalls wäre eine Allianz der konsequentere Weg.

Zunächst muss die neue Führung eine Vision formulieren, die den Mitarbeitern aus beiden Unternehmen eine erstrebenswerte Zukunft aufzeigt. Es ist wichtig, die Ängste der Beschäftigten gleich in der ersten gemeinsamen Phase offen anzusprechen und auszuräumen. Denn verunsicherte Arbeitnehmer werden kaum bereit sein, für das neue Unternehmen den vollen Einsatz zu bringen. Weitere Aufgabe der Führungsebene ist es, stark um die Zustimmung der Mitarbeiter zu werben, schließlich sind sie es, die das gemeinsame Unternehmen mit- und nicht gegeneinander voranbringen sollen. In ihrer übergreifenden Kooperation muss die Führungsebene Vorbild für das Unternehmen sein.

Darüber hinaus ist es notwendig, bereits vor Unterzeichnung der Absichtserklärung in einem Kommunikationsplan festzulegen, zu welchem Zeitpunkt durch wen über welches Medium zu welchem Sachverhalt Stellung bezogen wird. Ebenso erwarten die Mitarbeiter Informationen über die Gestaltungsmöglichkeiten, die ihnen eingeräumt werden. So können sie oftmals erheblich bessere Auskünfte darüber geben, welche bestehenden Abläufe in das neue Unternehmen übernommen werden sollen und welche aus ihrer Sicht neu gestaltet werden müssen.

Um alle diese Themen zu berücksichtigen, empfielt sich ein Vorgehen in drei Phasen:

- Im ersten Schritt werden die gemeinsame Vision formuliert und die künftige Unternehmenskultur beschrieben. Wesentlicher Bestandteil dieser Phase ist das Aufsetzen und Starten eines Veränderungs-Managements, das auch die weiteren Stufen des Zusammenschlusses begleitet und durchdringt.

- In der zweiten Phase steht die Integration von Geschäftsprozessen im Vordergrund. Zu beantworten sind hierbei im Wesentlichen wirtschaftlich-strategische Fragen.

- Schließlich geht es auf der dritten Ebene um die Beschreibung der notwendigen IT-Landschaft. Dann erst kann auf Grund der vorhergehenden Festlegungen ein sinnvoller IT-Bebauungsplan formuliert werden.

Kriege zwischen EinheitenVielfach wird jedoch versucht, bereits den zweiten und dritten Schritt vor dem ersten zu tun. In diesen Fällen kreist die Diskussion dann um die künftige, einheitliche IT-Landschaft, lange bevor die anderen erforderlichen Phasen abgeschlossen wurden. Dadurch erhält die angestrebte IT-Anpassung häufig den Charakter eines Grabenkrieges zwischen den bisher getrennten Unternehmenseinheiten. Ohne dass ein strategischer oder operativer Rahmen gesetzt wurde, diskutieren die Parteien dann über technische Aspekte und streiten beispielsweise darüber, ob die neue Landschaft zentral oder dezentral ausgerichtet und auf Windows oder Linux basieren soll.

Wurde hingegen schon am Anfang Einigkeit erzielt, so kann die Diskussion um die gemeinsame IT-Architektur wesentlich zielgerichteter stattfinden. Oftmals erkennen die beteiligten Parteien, dass sie auf Grund der Projektpläne für die einheitliche Prozesslandschaft zumindest mittelfristig mit den bestehenden IT-Systemen parallel nicht nur arbeiten müssen, sondern - ohne großen Reibungsverlust - auch können. Selbstverständlich muss die Unternehmensleitung darum bemüht sein, essenzielle Prozesse wie beispielsweise das Controlling rasch zu vereinheitlichen und diese wiederum durch einheitliche IT zu unterstützen.

In jedem Fall sollte aber vermieden werden, vorschnelle Schlüsse in Bezug auf die Ablösung vorhandener Systeme zu ziehen. Denn in der Regel kann nur durch eine gemeinsame Sicht auf die Kernprozesse und deren Key Performance Indicators (KPIs) festgestellt werden, welche IT-Lösung sinnvoll und zukunftsweisend ist und durch wen der Service für diese Systeme erbracht werden kann (Make or Buy).

"90 Prozent aller Post-Merger-Integrations-Probleme könnte der Vorstand durch sein Prozesswissen vermeiden", betont Wolfgang Braun, Geschäftsführer und Vorstand der Meta Mergers & Acquisitions GmbH. Voraussetzung sei jedoch, dass die Fachabteilung ihre Geschäftsleitung über die Schwierigkeiten der Integration, insbesondere bei divergenten Prozessabläufen, die in IT-Systemen unterschiedlich abgebildet sind, informiert - offene Kommunikation ist hierfür unabdingbar.

Auch wegen der wirtschaftlichen Talfahrt stehen die Zeichen für Fusionen wieder auf Grün. Auswirken werden sich insbesondere die Regelungen des neuen Basel-II-Konzeptes sowie Änderungen im Steuerrecht. So sind seit Beginn dieses Jahres unter anderem Beteiligungsverkäufe steuerlich freigestellt. (bi)

*Ulrich Falke ist freier Mitarbeiter und Udo Killermann Partner der C-Sar-Consulting in Berlin.