Bisherige Grundsätze aufgegeben
Von diesen bisherigen Grundsätzen ist das BAG in einem neuen Urteil vom 01.09.2010 jedoch abgerückt. Dieser Entscheidung lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der am 09.11.1972 geborene Kläger war seit dem 01.08.1995 bei der Beklagten bzw. bei deren zwei Rechtsvorgängern als Tankstellenmitarbeiter beschäftigt. Die Beklagte kündigte mit dem Schreiben vom 22.04.2008 dieses Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31.07.2008, d. h. sie berücksichtigte lediglich eine 3-monatige Kündigungsfrist. Erst im November 2008 erhob der Kläger eine Klage auf Zahlung der Annahmeverzugsvergütung für die Monate August und September 2008.
Die Klage begründete der Kläger damit, dass nach seiner Ansicht die Kündigungsfrist nicht drei, sondern fünf Monate betragen hätte, das Arbeitsverhältnis somit frühestens zum 30.09.2008 kündbar gewesen sei. Zum einen sei von einer Beschäftigungszeit von insgesamt zwölf Jahren auszugehen, da die Vorbeschäftigungszeiten auch bei den zwei Rechtsvorgängern der Beklagten mit einzurechnen seien. Außerdem sei nach einem aktuellen Urteil des EuGH die Regelung in § 622 Abs. 2 S. 2 BGB unwirksam, so dass auch seine Beschäftigungszeiten vor dem 25. Lebensjahr mit zu berücksichtigen seien.
Die Richter des BAG teilten die Rechtsauffassung des Klägers allerdings nur insoweit, als es um die unzutreffende Berechnung der Kündigungsfristen ging. Sie bestätigten, dass die gesetzliche Frist unter Beachtung der gesamten Vorbeschäftigungszeiten (also auch bei den Rechtsvorgängern) zu errechnen war. Des Weiteren gaben die Richter dem Kläger dahingehend Recht, dass die Regelung des § 622 Abs. 2 S. 2 BGB aufgrund des Verstoßes gegen das Europarecht nicht mehr anzuwenden war. Insofern bestätigten nun auch die BAG-Richter die einschlägige Entscheidung des EuGH (EuGH, Urteil vom 19.01.2010, RS. C-555/07 - Kücükdeveci). Mithin errechneten auch die Richter des BAG für den vorliegenden Fall eine Kündigungsfrist bis zum 30.09.2008.
Gleichwohl wies das BAG die Klage auf Zahlung des Lohns für die beiden Monate August und September 2008 ab, weil der Kläger nach Ansicht der Richter die 3-Wochen-Frist für die Klageerhebung nach § 4 S. 1 KSchG nicht eingehalten habe. Da die Kündigung des Arbeitsvertrages ausdrücklich zum 31.07.2008 ausgesprochen wurde, stünde nun auch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu diesem Termin aufgrund der verspätet erhobenen Klage fest. Die Richter betonten, dass in den Fällen, in denen sich eine Kündigungserklärung nicht mit der richtigen Kündigungsfrist auslegen lasse und von daher eine Umdeutung in eine Kündigung mit der zutreffenden Kündigungsfrist notwendig sei, die mit der zu kurzen Frist ausgesprochene Kündigung nach § 7 KSchG als rechtswirksam gilt und das Arbeitsverhältnis zum "falschen" Termin beendet (BAG, Urteil vom 01.09.2010, Az.: 5 AZR 700/09).
- Die fünf größten Irrtümer beim Thema Kündigung
Wann ist eine Kündigung rechtens und wann nicht. Wir klären über die fünf häufigsten Mythen zum Thema Kündigung auf. - Irrtum 1: Ein krankgeschriebener Arbeitnehmer kann nicht gekündigt werden.
Eine Krankheit kann den Ausspruch einer Kündigung nicht verhindern. Ein Arbeitgeber kann grundsätzlich auch während einer Krankschreibung eine Kündigung aussprechen; dies macht die Kündigung nicht "per se" unwirksam. - Irrtum 2: Jede Kündigung muss eine Begründung enthalten.
Eine Kündigung muss nicht begründet werden. Aus Arbeitgebersicht ist es sogar eher unklug, eine Begründung in die Kündigung aufzunehmen, da dies in der Regel "Angriffsfläche" in einem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess ergibt. Gekündigte Arbeitnehmer hingegen sollen unverzüglich um Rechtsrat nachsuchen, ob die ausgesprochene Kündigung auch wirksam ist. - Irrtum 3: Eine Kündigung kann auch mündlich ausgesprochen werden.
Arbeitsverträge kann man zwar mündlich abschließen, aber nicht beenden. Es bedarf nach dem Gesetz immer einer schriftlichen Kündigung. Vorsicht ist auf Arbeitgeberseite im Übrigen auch geboten bei Kündigungen per Mail oder per SMS, während Arbeitnehmer, die eine Kündigung in dieser Form erhalten, ebenfalls sofort um Rechtsrat nachsuchen sollten. Dies sollte unverzüglich erfolgen. - Irrtum 4: Vor der Kündigung muss immer drei Mal abgemahnt werden.
Eine sog. verhaltensbedingte Kündigung setzt nur eine Abmahnung voraus. Dabei gilt des Weiteren, was häufig verkannt wird: Ist in dem Betrieb ein Betriebsrat installiert, muss dieser einer Kündigung nicht etwa zustimmen; er muss nur angehört werden. Dieser kann der Kündigung zwar widersprechen. Dies führt aber nicht zu einer Unwirksamkeit der Kündigung. - Irrtum 5: Gekündigte Mitarbeiter haben stets einen Anspruch auf eine Abfindung.
Das Kündigungsschutzgesetz ist in erster Linie ein "Bestandsgesetz". Damit richtet sich der Schutz zunächst auf den Erhalt des Arbeitsplatzes. Zwar enden in der Tat tatsächlich viele Kündigungsschutzverfahren letztendlich mit dem Abschluss eines Abfindungsvergleichs. Bestehen allerdings Gründe für die Kündigung. greift diese rechtlich auch durch, und der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, eine Abfindung zu zahlen.