Trendthema Unified Communications

So verändert sich die Arbeitswelt

06.06.2008
Von 
Oliver Häußler arbeitet als freier Journalist und Moderator in der IT- und Telekommunikationsbranche. Seine journalistischen, wirtschaftlichen und technischen Erfahrungen sammelte der Kommunikationswissenschaftler während seiner über 20 Jahre langen Tätigkeit als Chefredakteur von renommierten Fachzeitschriften wie der Funkschau, FunkschauHandel, NetworkWorld und als Moderator von Kongressen, Webcasts und zahlreichen Podiumsdiskussionen.
Während Unternehmen teilweise noch mit der Einführung von VoIP zögern, steht mit Unified Communications bereits die nächste Evolutionsstufe der IP-Kommunikation vor der Tür. Joachim Adolphi, Technischer Manager Unified Communications bei Cisco, und Michael Weber, Senior Vice President bei Allied Telesis, diskutieren im CW-Gespräch über die Auswirkungen auf die Arbeitswelt.

CW: Mehr als die Hälfte aller deutschen Unternehmen hat laut Berlecon bisher weder VoIP im Einsatz noch konkrete Pläne zur Einführung. Werden hiesige Firmen gegenüber dem neuen Trend Unified Communications (UC) ähnlich zögern wie bei VoIP?

Joachim Adolphi: Wir erwarten keine große Zögerlichkeit. Die deutschen Unternehmen haben sich Zeit gelassen, VoIP zu adaptieren. Heute zweifelt keiner mehr, dass diese Technik die Technologie der Zukunft sein wird. Zudem ist sie jetzt reif genug, um darauf bauen zu können.

Michael Weber: Die Integration von VoIP ist nun vollzogen und hat den Beweis für die Zuverlässigkeit erbracht. UC als Erweiterung zur VoIP-Kommunikation stellt eine geringere Hürde dar, da die Zuverlässigkeit der IP-Kommunikation bewiesen ist. Jetzt kommt es in allen Bereichen auf den maximalen Nutzen an.

CW : UC bietet neue Features wie Präsenzabfrage, CTI und Collaboration. Welchen Nutzen hat ein Unternehmen von der Einführung dieser Anwendungen?

Weber: Die Arbeitsabläufe werden vereinfacht und über die Erreichbarkeit der Mitarbeiter eine maximale Kundenzufriedenheit und interne Effizienz erreicht. Zum Beispiel spart der Wegfall von Dienstreisen viel Kosten und vor allem Zeit. Das steigert die Produktivität. Das gilt auch für die Teambildung über Distanzen bis hin zu weltweit agierenden Teams. Allerdings stellt das erhöhte Anforderungen in Bezug auf Flexibilität, Sprachen, Fachwissen, kulturelles Wissen etc. an die Mitarbeiter.

Adolphi: Immer mehr Arbeit wird in geografisch verteilten Teams erledigt. Diese Arbeitsform bringt das Problem mit sich, nicht mehr direkt die Verfügbarkeit von Teamkollegen sehen zu können. Schwieriger wird es auch sich spontan und mit wenig Aufwand im Team zu treffen, Informationen auszutauschen und sich abzusprechen. Hier setzt UC an: Die Präsenzinformation zeigt, wer verfügbar ist. Mit CTI ergibt sich die Möglichkeit, Kommunikation effizient und komfortabel zu gestalten. Dabei können zunehmend auch Mediengrenzen überschritten werden. Und Collaboration ist der Besprechungsraum räumlich verteilter Organisationen. Kurz zusammengefasst löst UC die Probleme, die sich aus der Zusammenarbeit räumlich verteilter Arbeitsgruppen in einer globalen Wirtschaft ergeben.

CW: Inwiefern verändert UC dabei unsere Arbeitswelt?

Adolphi: UC gibt dem Anwender die Freiheit, dort zu arbeiten, wo nötig, und nicht wie bei klassischen Technologien, wo möglich. Dies fördert die Mobilität des einzelnen Anwenders und die Möglichkeit, Erfahrung und Wissen im Unternehmen miteinander zu teilen, ohne durch räumliche Grenzen behindert zu werden. Damit wird unsere Arbeitswelt mehr und mehr mobil, flexibel und global ausgerichtet sein.

Weber: Starre Arbeitszeiten und Arbeitsorte gehören der Vergangenheit an, und ein eigenverantwortlicher Umgang mit den gestellten Aufgaben wird notwendig. Hieraus resultiert auch ein veränderter Führungsstil im Unternehmen. Dieser Stil sollte auf Zielen und nicht auf Arbeitszeiten basieren.

CW: Eine 2008 von Berlecon Research veröffentlichte Studie bestätigt den großen Bedarf an Unified-Communications-Funktionalitäten in deutschen Unternehmen. Allerdings müssen viele Unternehmen zunächst in eine VoIP-Infrastruktur investieren, um von den damit verbundenen Vorteilen profitieren zu können. Wo sehen Sie die größten Lücken?

Weber: Die größte Blockade ist in den Köpfen der Entscheider zu suchen, welche die Verantwortung für die Umgestaltung der Arbeitswelt zu tragen haben. Die Investitionskosten, um die Infrastruktur in den Unternehmen "VoIP-ready" zu gestalten, halten sich in Grenzen. Schwieriger ist es dagegen, die Arbeitsprozesse und Kommunikationsstrukturen neu zu überdenken und zu implementieren.

Adolphi: Die größten Lücken bestehen nach unseren Erfahrungen im organisatorischen Umfeld von Unternehmen. Häufig findet man dort tiefe Gräben zwischen Infrastrukturteams, Applikationsabteilungen und den TK-Verantwortlichen. UC in seiner effizientesten Ausprägung verbindet technologisch die Verantwortungsbereiche dieser Teams. Die Investition in VoIP sehen wir heute nicht mehr als das vorrangige Problem an.

CW: IT-, TK- und Mobilfunknetze existieren bislang noch weitgehend getrennt voneinander. Wann werden FMC-Anwendungen (Fixed Mobile Convergence) wie Erreichbarkeit unter einer Nummer an jedem Ort oder die netzübergreifende Anwendung von Diensten für den Massenmarkt reif sein?

Adolphi: Fixed Mobile Convergence ist heute schon für Unternehmen verfügbar. Beispielsweise existieren Lösungen für die Erreichbarkeit unter einer Rufnummer an unterschiedlichen Endgeräten in verschiedenen Netzen. Diese Lösungen stammen aus dem Portfolio der Hersteller und sind wie bei Cisco für Unternehmenskunden konzipiert. Seitens der großen Netzbetreiber, die ihren Hauptumsatz mit Konsumenten machen, sind solche Lösungen eher spärlich gesät. Unsere Einschätzung ist, dass dieser Markt weiterhin von denjenigen Herstellern vorangetrieben wird, die ihren Schwerpunkt im Corporate-Umfeld haben.

Weber: Nicht jedes Unternehmen wird die Notwendigkeit für FMC-Anwendungen sehen. So werden klassische Sekretariatsfunktionen nicht verschwinden, sondern teilweise migriert. Somit ist aus unserer Sicht nicht ein Massenmarkt zu bedienen, sondern eine Erweiterung auf FMC mit passenden Tools anzustreben.

CW: Was erwartet die nächste Generation der Anwender von ITK-Anwendungen?

Adolphi: Der größte Hemmschuh heutiger ITK-Anwendungen sind aus Sicht der User die unterschiedlichen Benutzerschnittstellen der einzelnen Anwendungen. Nahezu jede Applikation fordert vom Benutzer einen anderen Umgang, und viele sinnvoll kombinierbare Funktionen sind auf unterschiedliche Anwendungen verteilt. Eine Vereinheitlichung der Benutzerschnittstellen über alle denkbaren Endgeräte hinweg wird in Zukunft dem Anwender den Umgang mit seiner Kommunikationsumgebung noch einfacher machen.

Weber: Die einfache Erwartung der Anwender der nächsten Generation ist, nicht mehr über die Technik nachdenken zu müssen, sondern sie zu nutzen. Bei maximaler Benutzerfreundlichkeit sollte man überall auf der Welt alle Kommunikationsmöglichkeiten ohne verschiedene Endgeräte im Zugriff haben.