So nutzt der Mittelstand Business Intelligence

09.02.2009
Von 


Sascha Alexander ist seit vielen Jahren als Redakteur, Fachautor, Pressesprecher und Experte für Content-Strategien im Markt für Business Intelligence, Big Data und Advanced Analytics tätig. Stationen waren unter anderem das Marktforschungs- und Beratungshaus BARC, die "Computerwoche" sowie das von ihm gegründete Portal und Magazin für Finanzvorstände CFOWORLD. Seine Themenschwerpunkte sind: Business Intelligence, Data Warehousing, Datenmanagement, Big Data, Advanced Analytics und BI Organisation.
Im Berichtswesen und bei der Planung wollen deutsche Firmen Software für Reporting und Analyse nicht mehr missen. Doch eine BI-Strategie sucht man vergeblich.

Der Mittelstand hat offenbar klare Erwartungen an das, was Analysten und Industrie mit Business Intelligence (BI) bezeichnen: Für drei Viertel aller Firmen soll BI-Software Geschäftsentwicklungen nachvollziehen und Ist- und Planzahlen vergleichen helfen. Nur knapp die Hälfte der Anwender sieht hingegen in BI auch ein Instrument, um Finanzressourcen zu organisieren, Abläufe zu beschleunigen und das Geschäft flexibler zu machen. Dies ergab eine Online-Umfrage zur Unternehmenssteuerung im Mittelstand von computerwoche.de, dem Institut für Business Intelligence (IBI) und der Beratung Wolfgang Martin Team, an der 158 Firmen teilnahmen.

Große und kleine Geldbeutel

Gegenwärtig haben rund 40 Prozent der Befragten spezielle BI-Werkzeuge für Reporting und Analyse im Einsatz, 23 Prozent planen die Anschaffung, und 35 Prozent sehen derzeit keinen Bedarf, darunter vor allem kleinere Firmen. Letztere veranschlagen ein Budget von bis zu 50 000 Euro im Jahr für BI, mittlere Firmen zwischen 10 000 und 100 000 Euro, große Mittelständler geben für BI über 100 000 Euro im Jahr aus. Typische Einsatzgebiete sind das Berichtswesen (41 Prozent), die Datenanalyse (38 Prozent) sowie Planung und Budgetierung (30 Prozent). Eine geringe Rolle im BI-Alltag spielen Management-Cockpits und Dashboards (16 Prozent), Statistik-Tools und Data Mining (zwölf Prozent), Scorecards (acht Prozent) sowie Risiko-Management (fünf Prozent). Allerdings sind auch hier die Großen in allen Kategorien deutlich stärker interessiert. Bei den Benutzergruppen dominieren die Controller, gefolgt von Marketing und Vertrieb sowie IT.

Befragt zu ihren Erfahrungen mit BI-Anwendungen, erklärten rund zwei Drittel der Firmenvertreter, dass sie mit ihren Werkzeugen für Reporting und Analyse insgesamt gut zurechtkommen. Nur zehn Prozent der Befragten räumten ein, häufig Probleme mit der Qualität der verwendeten Daten zu haben, 13 Prozent fanden die Ergebnisse aus Planung und Berichtswesen schwer verständlich, und rund 14 Prozent bemängelten die Integration zwischen Planung und Berichtswesen. Darüber hinaus dauert grundsätzlich jedem dritten Anwender der interne Planungsprozess zu lang. Dieser nimmt laut Studie bei kleinen Firmen durchschnittlich fünf, bei mittleren acht und bei großen Unternehmen elf Wochen in Anspruch. Als wichtigste Maßnahme gegen diesen Zeitverzug wünschen sich die Befragten mehr Transparenz (54 Prozent), eine stärkere Standardisierung (53 Prozent) und eine grundsätzliche Verkürzung der Prozesse (42 Prozent).

Konservative Planungspraxis

Die Planungspraxis im Mittelstand könnte man als konservativ und eher einfach bezeichnen. So nutzen durchschnittlich nur 37 Prozent der Befragten eine mehrjährige Mittelfristplanung, bei großen Firmen sind es immerhin 62 Prozent. Als Planungsansatz dominiert die Budgetierung (50 Prozent aller Firmen) vor dem periodischen Forecast (25 Prozent) und dem Rolling Forecast (17 Prozent). Im Detail zeigt sich, dass kleine und mittlere Firmen überdurchschnittlich oft die Budgetierung nutzen, während ein Rolling Forecast fast nur bei den Großen stattfindet. Weiter heruntergebrochen lassen sich bei der Planung verschiedene, zum Teil offenbar parallel genutzte Verfahren ausmachen (siehe Kasten "Planung und Budgetierung..."). So dominiert insgesamt mit 49 Prozent der Top-down-Ansatz. Ein Bottom-up-Verfahren kommt in 39 Prozent der Firmen zur Anwendung, automatische Hochrechnungen nehmen 36 Prozent der Studienteilnehmer vor. Treiberbasierende Verfahren oder eine Gegenstromplanung werden - abgesehen von einigen großen Unternehmen - hingegen kaum verwendet. Auch eine risikoorientierte Planung ist insgesamt eher selten: 28 Prozent der Befragten üben sich darin, wobei kleinere Firmen den Durchschnitt drücken.

Der Trend zu einfachen Verfahren spiegelt sich auch bei den Planungstypen wider. So wurde mit 73 Prozent die Umsatzplanung am häufigsten genannt, gefolgt von der Personal- und der Investitionsplanung mit 64 beziehungsweise 58 Prozent. Auf Kostenstellen planen hingegen lediglich 44 Prozent, auf Kostenträgerbasis gar nur 18 Prozent. Schlusslichter in der Befragung waren die Bilanz- (16 Prozent) und Logistikplanung (15 Prozent).

Geht es schließlich um die bevorzugten Planungswerkzeuge, so ist wenig überraschend immer noch Excel im Mittelstand das wichtigste BI-Frontend: So geben 66 Prozent der Firmen ihre Daten über Spreadsheets ein, während lediglich 16 Prozent dafür einen Web-Client (vor allem in den größeren Firmen) verwenden. Automatisierte Routinen zum Befüllen der BI-Umgebung aus den Vorsystemen finden sich bei rund einem Drittel. Aufwändigere Analyseverfahren und Lösungen für Online Analytical Processing (Olap) für die Unternehmenssteuerung und Controlling sind in mehr als jeder zweiten großen Firmen ein Thema. Im Gesamtdurchschnitt beschäftigt sich jedoch nur jeder fünfte Mittelständler damit. Damit einher geht eine geringe Verbreitung spezieller Planungswerkzeuge, die eine prozessbasierende und integrierte Planung verheißen. Solche Tools nutzen 43 Prozent der Großen, aber im Mittel nur 13 Prozent aller Firmen.

Verschenkte Potenziale

Insgesamt ließen sich in puncto Unternehmenssteuerung im Mittelstand Methoden, Prozesse (fehlende Workflows) und der Technikeinsatz (etwa bei der Eingabe und Bewirtschaftung von Daten) noch wesentlich verbessern. BI ist besonders in den kleinen und mittelgroßen Unternehmen noch nicht wirklich angekommen. Die große Mehrheit der Anwender sieht den Nutzen von BI vorrangig in der Analyse von Geschäftsdaten, der Auswertung großer Datenmengen und der Automatisierung von Planungsprozessen. Nur ein Drittel hofft auch versteckte Kosten und Umsatzchancen aufzuspüren.

Die Studie

Ziel der Online-Befragung durch Computerwoche.de, das Institut für Business Intelligence und das Wolfgang Martin Team war es, den Einsatz von BI-Software als Mittel zur Unternehmenssteuerung zu erfassen. 158 Unternehmensvertreter der ersten und zweiten Führungsebene nahmen teil. Sie stammen zu etwa gleichen Teilen aus der Fertigungsindustrie und dem Dienstleistungsgewerbe. Nach Umsatz arbeiten 56 Prozent von ihnen in kleineren Betrieben mit weniger als 50 Millionen Euro Jahresumsatz, 27 Prozent in mittelgroßen Firmen (50 Millionen bis 500 Millionen Euro Umsatz) und neun Prozent in großen mittelständischen Unternehmen mit mehr als 500 Millionen Euro Jahresumsatz.

Planung und Budgetierung im Mittelstand

Typische Planungsverfahren sind derzeit:

Top-down-Verfahren: Ausgehend von der Unternehmenspolitik werden auf der strategischen Planungsebene die langfristigen Ziele formuliert und in Gesamt- oder Rahmenplänen den unteren hierarchischen Planungsebenen vorgegeben. Daraus leiten sich Ziele und Maßnahmen für die taktische und die operative Ebene ab.

Bottom-up-Verfahren: Die Planerstellung beginnt auf der untersten Planungsebene, die anschließend auf den höheren Planungsebenen schrittweise zusammengefasst wird, bis als Endergebnis ein integrierter Rahmenplan entsteht.

Gegenstromverfahren: Zunächst werden vorläufige übergeordnete Ziele durch die Führungsebene formuliert, durch die nachgeordneten Ebenen werden diese Ziele anschließend zerlegt, auf Umsetzbarkeit geprüft und konkretisiert. Mit den daraus resultierenden Verbesserungs- und Änderungsvorschlägen gehen diese Informationen wieder zurück zur Führungsebene, wo der Abgleich und die Koordination dieser Teilziele oder -pläne erfolgt.

Wesentlich seltener kommen folgende Verfahren zum Einsatz:

Treiberbasierende Verfahren: Die für das Geschäftsmodell wichtigsten Kosten- und Umsatztreiber oder auch Metriken für Personalressourcen werden miteinander in einem Modell konsolidiert.

Automatisierte Hochrechnung: Die häufigere, unterjährige Aktualisierung der Pläne soll Unternehmen eine flexiblere Planung ermöglichen. Dadurch entstehen letztlich Budgetversionen.

Risikoorientierte Planung: Hier sollen bei der Planung auch vorhandene und potenzielle Risiken analysiert und bewertet werden. Dazu werden Parameter von Wahrscheinlichkeitsverteilungen ermittelt, also der Lageparameter (Erwartungswert, Zentralwert) und der Streuungsparameter (Standardabweichung, Varianz) der Ergebnisverteilungen. Dies gilt sowohl für Einzelrisiken als auch für die Gesamtrisikolage.