Neue Tipps zur ERP-Auswahl

So kommen Sie auf den ERP-Trichter

29.03.2012
Von 
Karsten Sontow ist Vorstand der Trovarit AG in Aachen.

Zur ERP-Software führt kein Königsweg

Angesichts der vielfältigen Ausgangssituationen ist es nicht immer leicht, bei der ERP-Auswahl den richtigen Weg zu finden. Einfluss auf die Wahl des Ansatzes haben unter anderem:

  • Komplexität des ERP-Projektes:
    Mit der Komplexität des ERP-Projektes steigt in der Regel sowohl die Investitionssumme als auch das Risiko in der Durchführung der ERP-Auswahl. Je mehr Unternehmensbereiche und/oder Standorte mit der neuen Software arbeiten sollen, umso vielfältiger werden meist die Anforderungen an eine neue ERP-Lösung. Daher ist eine stärkere Systematisierung der ERP-Auswahl zu empfehlen, je komplexer sich ein ERP-Projekt darstellt. Zentrale Bedeutung für die Abstimmung innerhalb des Unternehmens kommt in diesem Fall dem Lasten-/Pflichtenheft zu. Umgekehrt gilt, dass bei kleineren ERP-Projekten weniger formale Ansätze bei geringerem Aufwand in der Regel auch zum Ziel führen.

  • Sicherheitsbedürfnis bei der Investitionsentscheidung:
    Sofern relevante Investitionsentscheidungen aus formalen Gründen oder aufgrund problematischer Erfahrungen bei früheren Projekten erhöhten Anforderungen an die Risikoreduzierung unterliegen, ist ebenfalls ein systematischer Auswahlansatz zu empfehlen. Auch in diesem Fall ist das Lastenheft von zentraler Bedeutung; hier jedoch vor allem für die Abstimmung mit den ERP-Anbietern sowie zur verbindlichen Fixierung des Leistungsumfangs im ERP-Vertragswerk.

  • Grad der "Politisierung" des ERP-Projekts:
    Da die meisten der ERP-Projekte abteilungs- und/oder standortübergreifend zum Einsatz kommen, bestehen in vielen Projekten sehr unterschiedliche, manchmal sogar konträre Vorstellungen von der geeigneten ERP-Lösung. Wenn sich hier die Fronten verhärten, bekommt die ERP-Investition zunehmend "politischen" Charakter. In derartigen Fällen empfiehlt sich eine klar definierte, nachvollziehbare Vorgehensweise bei der ERP-Auswahl, um eine Kompromissentscheidung im Konsens zu erzielen.

  • Priorität und Zuständigkeit für das ERP-Projekt:
    Bei ERP-Projekten, die in (einzelne) Fachbereiche delegiert sind, lässt sich über eine stärkere Formalisierung des Projektablaufs die notwendige breitere Verankerung des Projekts im Unternehmen bewerkstelligen. Gleichzeitig lassen sich über entsprechende Meilensteine notwendige Entscheidungen der Management-Ebene einbinden. Diesem Ansatz steht jedoch entgegen, dass eine systematische Vorgehensweise ein Mindestmaß an Beteiligung aller betroffenen Unternehmensbereiche und damit auch entsprechende Personalkapazität erfordert. Bei ERP-Projekten mit niedriger Priorität beziehungsweise fehlendem Rückhalt im Management ist eine systematische ERP-Auswahl oft nicht praktizierbar.

  • Entscheidungsspielraum bei der Investitionsentscheidung:
    Wenn der ERP-Auswahl durch das Budget und/oder die IT-Strategie sehr enge Grenzen gesetzt sind, dann reduziert sich die Bedeutung der "Marktsondierung" und der "Ausschreibung" zum Teil erheblich. In derartigen Fällen ist bestenfalls zu prüfen, ob die Dokumentation von Anforderungen im Sinne eines Lastenheftes im Hinblick auf die Vertragsgestaltung und -verhandlung sinnvoll ist.

  • Erfahrung im Umgang mit ERP-Projekten:
    Da ERP-Projekte bei Investitionszyklen von über 15 Jahren nur in den seltensten Fällen zum Tagesgeschäft der Anwenderunternehmen gehören, fehlt es oft an konkreten Erfahrungen im Umgang mit der Materie. Dies gilt insbesondere, wenn erstmals eine umfassendere ERP-Lösung ausgewählt und eingeführt werden soll. Besteht hier Unsicherheit, ist zu einem systematischeren Auswahlansatz zu raten, der als stabilisierende Richtschnur durch das Projekt leitet. Dies gilt selbst für kleinere Projekte, wobei hier der Aufwand für die ERP-Auswahl durch eine angemessene Detaillierung begrenzt werden sollte.

    Die Alternative hierzu ist, das Auswahlprojekt in die Hände einer spezialisierten Unternehmensberatung zu legen. Von dieser kann der Anwender eine intime Kenntnis des ERP-Marktes sowie eine effiziente und sichere Durchführung des Auswahlprojektes erwarten. An dieser Stelle ist zu empfehlen, sich die Beratungskompetenz durch aktuelle Referenzen belegen zu lassen. Auch lohnt sich ein Blick auf die "Ergebnisliste" der begleiteten Auswahlprojekte. Schließlich möchte man nicht unter dem Deckmantel der Auswahlberatung mit einem Vertriebspartner des einen oder anderen ERP-Anbieters zusammenarbeiten.

Die aufgeführten Aspekte zeigen, dass es bei der ERP-Auswahl letztlich keinen Königsweg gibt, der für alle Unternehmen gleichermaßen geeignet ist.