Vorbild Chrysler
Sergio wer? Das Misstrauen in der stolzen Autostadt Detroit war groß, als sich Anfang 2009 ein Mann aus Italien mit unaussprechlichem Namen meldete. Sergio Marchionne, Chef des Autobauers Fiat, hatte einen Plan: Er wollte den ums Überleben kämpfenden US-Traditionskonzern Chrysler retten.
Vier Jahre später meldete Marchionne Vollzug: "Es gibt keine Zweifel mehr, unser Comeback ist echt", schrieb er vergangene Woche an die mehr als 60.000 Chrysler-Mitarbeiter - und versprach ihnen einen Bonus. "Wir können nicht nachlassen. Wir müsssen unser Momentum fortführen".
Einmal Pleite und zurück: Was der nach General Motors und Ford Kleinste der drei großen US-Autohersteller in den vergangenen Jahren geschafft hat, ist eine der spektakulärsten Comeback-Geschichten in der jüngeren US-Wirtschaftsgeschichte.
Ende 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, war Chrysler am Ende: Chronische Verluste, einbrechende Verkäufe, veraltete Fabriken mit frustrierten Mitarbeitern und keinerlei Hoffnung auf die Zukunft - der Untergang schien unausweichlich. Doch vor allem zwei Akteure sollten dafür sorgen, dass es so weit nicht kommt.
Der eine war die US-Regierung: Erst Präsident George W. Bush, dann Barack Obama versorgten Chrysler und den ebenso taumelnden Riesen GM mit Milliardenkrediten und Garantien, damit der Autobauer sich in einer vorübergehenden Insolvenz neu aufstellen kann.
Der andere war Marchionne: Der in Italien geborene Kanadier ließ bei Chrysler keinen Stein auf dem anderen. Er verschmolz den Konzern mit Fiat zum globalen Autobauer, mit neuen Modellen in den USA, die auf italienischen Fahrzeugen beruhen. Er ersetzte das komplette Management, überzeugte die mächtigen Gewerkschaften und drückte niedrigere Löhne durch. Und er klaute bei Toyota und führte deren berühmtes Qualitätsmanagement ein.
Die Erholung der US-Wirtschaft schließlich half dabei, dass Chrysler wieder auferstand. Im vergangenen Jahr kletterten die Verkäufe in den USA, dem wichtigsten Markt, um 21 Prozent. Der Autobauer verbuchte einen Gewinn von 1,7 Milliarden Dollar, in diesem Jahr sollen es 2 Milliarden werden. Im Jahr 2011 waren es noch 0,18 Milliarden – seinerzeit der erste Gewinn seit 1997.
Der Autobauer aus Detroit steht derzeit sogar so gut da, dass er den Gesamtkonzern vor einem Jahresverlust bewahrte. Vor vier Jahren wollte Fiat Chrysler retten. Nun rettet Chrysler Fiat.
Hoffnungsträger: Nokia und Blackberry
Zwei Namen, ein Problem: Nokia und Blackberry erwischten die Umwälzungen im Handy-Markt kalt. Sie brauchten zu lange, um auf das iPhone zu reagieren, das Apple im Januar 2007 mit großspurigen Worten angekündigt hatte. Denn anders als die Konkurrenz glaubte, war das Gerät tatsächlich revolutionär. Die Steuerung über den Touchscreen wurde zum Synonym für Bedienungsfreundlichkeit. Dank Musik und Apps entwickelte sich das Gerät bald zum Unterhaltungskünstler und Alleskönner. Und weil das iPhone mit einer bezahlbaren Daten-Flatrate herauskam, gingen die Nutzer damit tatsächlich unterwegs ins Internet.
Die beiden Unternehmen unterschätzten, dass ordentliche Mobiltelefone und E-Mail nicht mehr ausreichten, dass die Nutzer leicht bedienbare Mini-Computer haben wollten. Zumal die Zahlen sie zunächst in ihrem Kurs bestärkten: Nach dem Start des iPhone konnte beide Unternehmen ihren Absatz weiter steigern. So verloren sie wertvolle Zeit und den technologischen Anschluss. Apple und Samsung zogen an ihnen vorbei.
Nokias Baustellen
Die Strategie von Nokia und Blackberry
Die Antworten auf die Krise fielen bei den beiden gefallenen Stars sehr unterschiedlich aus. Das finnische Vorzeigeunternehmen Nokia, lange die Nummer 1 im Handymarkt, setzte auf externe Lösungen: Es holte 2010 den Microsoft-Spitzenmanager Stephen Elop als Chef, der wiederum tauschte das hakelige Betriebssystem Symbian wie auch die Eigenentwicklung Meego gegen die Software seines früheren Arbeitgebers aus. Heute läuft auf allen Nokia-Smartphones Windows Phone. Abheben will sich der Hersteller mit seinen Kartendiensten sowie ausgefeilten Kamerafunktionen.
Blackberry, das früher Research in Motion hieß, beförderte dagegen Anfang 2012 den deutschen Manager Thorsten Heins an die Spitze, als die beiden Chefs Mike Lazaridis und Jim Balsilie dem wachsenden Druck der Anleger nachgaben und abdankten. Er vollendete das weitgehend selbst entwickelte Betriebssystem Blackberry 10, mit dem die Kanadier nicht nur Manager, Banker und Berater begeistern wollen, sondern auch die Durchschnittsnutzer. Punkten will Blackberry damit, dass die Geräte auch weiterhin einen sehr sicheren Bereich für Geschäftsanwendungen haben - damit ist die Firma bekannt geworden.
Beide Unternehmen haben endlich konkurrenzfähige Geräte - aber reicht das für ein Comeback? Für sie spricht der Boom der mobilen Geräte. Das Marktforschungsunternehmen Gartner erwartet, dass in diesem Jahr 1,2 Milliarden Smartphones und Tablet-Computer verkauft werden. Vielleicht ist neben dem Pionier iOS und dem Fast Follower Android genügend Platz für eine dritte Plattform. Oder sogar eine vierte?
Gegen die beiden Verfolger spricht, dass die Konkurrenz weit enteilt ist. Das macht sich beispielsweise beim Software-Angebot bemerkbar: Für iOS und Android gibt es jeweils mehr als 700.000 Apps, Windows Phone und Blackberry liegen weit dahinter. Außerdem dringen Apple und Samsung längst auf das angestammte Terrain vor: Dank nachträglich entwickelter Sicherheitslösungen kommen ihre zunehmend in Firmen zum Einsatz. Es könnte also eng werden.
(Quelle: Handelsblatt )