Lego, Starbucks, McDonald's

So gelingt Unternehmen das Comeback

26.07.2013
Von Christof Kerkmann, Rebecca Eisert, Martin Dowideit und Nils Rüdel
Größe ist kein Garant fürs Überleben. Aber viele Krisen-Unternehmen schaffen das Comeback – gerade wenn die Marke stark ist. Wer als Vorbild für Nokia und Co. taugen kann.

Auf der diesjährigen Spielwaren-Messe in Nürnberg strotzte der Klötzchen-Produzent Lego vor Stärke. Allein in Deutschland hat der Spielwarenkonzern den Umsatz um 12,7 Prozent auf 331 Millionen Euro gesteigert. 27 der 50 meistverkauften Spielwaren in Deutschland waren im vergangenen Jahr Lego-Produkte. Im 55. Jubiläumsjahr des Legosteins kann sich der Konzern, der bis heute in Familienbesitz ist, eigentlich nur über gute Nachrichten freuen.

Foto: Jameschipper/Fotolia

Das war vor zehn Jahren ganz anders. In der Bilanz 2003 wies Lego ein riesiges Defizit aus. Die Dänen hatten sich unter anderem zu sehr auf externe Moden wie den Harry-Potter-Boom verlassen und für die Lizenzen viel Geld ausgegeben. CEO Kjeld Kirk Kristiansen setzte einen Aktionsplan auf, sparte das Unternehmen gesund und besann sich auf das erfolgreiche Grundmuster der Marke: der simple Baustein. Lego - das kommt von "leg godt" und heißt soviel wie "Spiel gut". Künftig sollten alle - vom Kleinkind bis zum Erwachsenen - "gut spielen", hieß die neue Strategie.

Für die Kleinsten führte Lego die Marke Duplo wieder ein, für Jugendliche und Erwachsene baute der Konzern die Lego Technic Sparte aus. Die Verknüpfung der jahrzehntealten Idee mit dem Internetzeitalter gelang durch einen Boom von Amateur-Trickfilmen, in denen Lego-Männchen zum Einsatz kamen. Mittlerweile schlürft Lego mit der Plattform Cuusoo Ideen der Kunden für neue Produkte aus dem World Wide Web und erreicht eine ungeahnte Kundenbindung.

Seit 2009 gibt es eine eigene Lego-Men-Kampagne und in den vergangenen vier Jahren ist der Anteil der Erwachsenen, die Lego-Produkte für sich selbst kaufen von zehn auf fünfzehn Prozent gestiegen. Der Wiederaufstieg von Lego ist ein Musterbeispiel für ein gelungenes Comeback, da in Kunden eine ungeahnte Begeisterung für das Produkt geweckt wurde. "Teil des Legoteams zu werden und neue Produkte zu erfinden gilt als Ritterschlag", urteilt Frank Dopheide, Geschäftsführer der Agentur Deutsche Markenarbeit und Handelsblatt-Kolumnist.

Ein erfolgreiches Comeback klingt so einfach. "Unternehmen, denen ein Neustart gelungen ist - wie Starbucks, McDonald’s oder Lego - haben erkannt, wofür die Kunden wirklich bereit sind Geld zu zahlen", sagt Bernd Brunke, Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger. Es reiche jedoch nicht, den Kunden und seine Wünsche zu analysieren. Es brauche auch Manager, die in der Lage sind, "die Ergebnisse zu verstehen und in eine passende Strategie für die Firma umzusetzen".

Vorbildung für angeschlagene Unternehmen

Bei Lego hatte Kjeld Kirk Kristiansen, Enkel des Firmengründers, Glück bei der Suche nach einem solchen Manager. Er vertraute die Führung im Jahr 2004 dem damals erst 35 Jahre alten Jorgen Kundstrop an. Ihm gelang die Revitalisierung, die jetzt mit Mädchen-Spielsets, die förmlich aus den Regalen fliegen, weiter getrieben wird.

Auch anspruchsvollere Sets für erwachsene Kunden legen die Dänen nach. In diesem Jahr etwa in Gestalt eines mobilen Schwerlastkrans. "Er ist das größte und komplexeste Lego Technic Modell aller Zeiten mit mehr als 2600 Elementen", schwärmt Kehlet.

Der Kran hat gute Chancen, das Erbe des 1:12,5-Modells des Mercedes-Benz Unimog anzutreten. Der Bausatz umfasste 2048 Teile, verfügte über einen Elektromotor, ein Pneumatik-System und zahlreiche Funktionen des Originals. 2012 schafft er es unter die Top 10 der meistverkauften Spielwaren in Deutschland. Trotz eines stattlichen Preises von rund 190 Euro. Die Zielgruppe verfügt eben doch über das nötige Taschengeld.

Lego hat gegen den Trend anzukämpfen, dass klassische Spielwaren gegenüber Computerspielen, iPads und Playstation an Reiz verlieren - auch bei Kindern. Markenexperte Peter Pirck von der Brandmeyer Markenberatung sieht aus mehreren Gründen gute Chancen, dass Lego der Kampf dauerhaft gelingen wird. "Lego schafft es wie kaum eine andere Marke, ein erfolgreiches Grundmuster immer weiter zu entwickeln, modern zu interpretieren und auf verschiedene Zielgruppen zu übertragen."

Angeschlagene Unternehmen mit einer etablierten Marke wie Blackberry, Nokia oder Yahoo versuchen, sich an solchen Erfolgsbeispiele zu orientieren. Doch einfach ist das nicht, denn das zunehmende Tempo von Entwicklungszyklen und der globale Konkurrenzdruck lassen wenig Zeit für eine Runderneuerung. "Früher hieß es: Erst die Kosten senken und Stellen abbauen, dann die Firma neu orientieren", sagt Unternehmensberater Brunke. "Dafür ist heutzutage keine Zeit. Firmen müssen gleichzeitig sparen, in neue Produkte investieren und die Kundenbedürfnisse besser verstehen."

Lego glückt immer wieder der letzte Punkt. So sind Eltern als auch Erzieher und Lehrer gegenüber Lego positiv eingestellt, sie kennen es aus der eigenen Kindheit. Die besten Voraussetzungen also, dafür auch Geld auszugeben. Tatsächlich verkauft sich die Vorschul-Linie Lego Duplo in Deutschland besser als in vielen anderen Ländern, bestätigt Lego.

Schrumpfen und Neustart zur gleichen Zeit

Ein kluger Schachzug war auch die Mädchenserie Lego Friends. Seit März 2012 sind die Sets wie Schönheitssalons und Pferdestall mit überdurchschnittlich vielen rosafarbenen Steinen im Handel und haben es in Deutschland prompt auf einen Umsatzanteil von 6,9 Prozent gebracht. Das "Lego für Mädchen" brachte den Dänen nicht nur Lob ein. "Gender-Ghetto in Pink und Lila" wetterte etwa die "Süddeutsche Zeitung". Produkte und Marketing würden "gnadenlos auf alte Gender-Stereotype reduziert, die es eigentlich abzubauen gilt".

Das kann man so sehen, muss man aber nicht. Demnach müsste man Mädchen jedes Spiel mit Puppen und rosafarbenen Spielwaren jeder Art verbieten, weil Rosa an sich eine weibliche Stereotype darstellt und das Bauen von Türmen die Kreativität und Motorik mehr fördert, als das Kämmen von Plastikhaaren.

Die neue Produktlinie funktioniert so oder so. Lego setzt vieles daran, die einmal gewonnenen Fans nicht wieder zu verlieren, dafür gibt es etwa das Lego Club Magazin oder eigene Lego-Events. Für viel Aufsehen in den sozialen Medien sorgte ein sehr persönliches Geschenk des Unternehmens: Der siebenjährige Luka hatte seine Jay ZX-Figur aus der Ninjago-Linie verloren. Er hatte sein komplettes Weihnachtsgeld für das Figurenset ausgegeben und war sehr traurig über den Verlust. Sein Vater riet ihm, an Lego zu schreiben, vielleicht könne man ihm da helfen. Luka erhielt nicht nur die verlorene Figur plus Sonderausstattung und passenden Gegner, sondern auch einen rührenden Brief im Ninjago-Jargon.

Solche Geschichten machen die Marke Lego noch stärker, als sie ohnehin schon ist. Markenexperte Pirck: "Für Wettbewerber ist es sehr schwierig, die starke Kundenbindung, die Lego nun mal hat, zu durchbrechen." In Deutschland hat Lego bereits einen Marktanteil von 16,7 Prozent, in der Schweiz sind es 16,8 Prozent und in Österreich schon 17,8. "In vielen Ländern sind wir die Nummer eins im Kinderzimmer", sagte Europa-Chef Engehausen kürzlich der "Welt am Sonntag".

Der Weg zu neuer Stärke war aber auch mit harten Einschnitten gepflastert. Allein im Jahr 2004 mussten 1000 Mitarbeiter das Unternehmen verlassen - mehr als jeder zehnte Beschäftigte. Die Produktion wurde an günstigere Standorte verlegt. Dass Unternehmen in solchen Situationen nicht der kreative Geist verloren gehen , erklärt Berater Brunke so: "Die doppelte Belastung Herausforderung eines Unternehmens - Schrumpfen und Neustart - ist für Mitarbeiter sogar motivierend, wenn die Führung ein klares Ziel vorgibt. Nichts ist frustrierender, als für ein dahin siechendes Unternehmen ohne klare Orientierung zu arbeiten."

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