Zuckerbrot und Peitsche für die Anwender

SNI will Comet-Anwender für Umstellung auf Unix gewinnen

27.07.1990

MÜNCHEN (gfh) - Die im Fusionstaumel beinahe vergessenen Anwender von Nixdorfs Comet-Software haben sich Gehör verschafft. Nach Monaten ohne eine klare Stellungnahme machten Vertreter des Siemens-DI-Bereiches wie der Paderborner deutlich: Die zukünftige Siemens Nixdorf Informationssysteme (SNI) AG ist nicht gewillt, auf einen Markt mit immerhin 60 000 Installationen zu verzichten.

Rudolf Bodo, Leiter der Systemplanung von Siemens-DI, bestärkt die Anwender in ihrem Vertrauen darauf, daß SNI nicht auf das Geld der Comet-Anwender verzichten wolle: "Für diese mittelständischen Kunden haben wir extra( die Business-Systems-Division unter der Leitung von Nixdorf-Mitarbeitern gegründet. "

Außerdem bestätigte der Siemens-Manager erstmals öffentlich, daß sowohl die Unix-Rechnerlinien aus Paderborn als auch aus München zunächst weiterproduziert werden (siehe auch CW Nr. 26 vom 29. Juni 1990, Seite 2: "Siemens läßt Nixdorfs Targon-Reihe nicht sterben"). Allerdings, so Bodo weiter, liegen bei der SNI bereits Pläne für ein gemeinsames Targon-MX-Nachfolge-System vor.

Die Unternehmen waren zu diesen Ankündigungen erst bereit, nachdem sich wütende Comet-Anwender und Software-Entwickler, zur Interessenvereinigung der Nixdorf-Anwender (INA) zusammengeschlossen hatten. Für sie bedeutet die Fortführung der Targon- und MX-Rechner die dringend geforderte Möglichkeit, von den ausgemusterten 8870-Rechnern oder deren Nachfolgemodell Quattro auf Unix umzusteigen.

Auf der INA-Veranstaltung machte Nixdorfs Marketing-Leiter Rudolf Gröger den Anwendern unmißverständlich klar, daß SNI als Zielsysteme für Comet nur hauseigene Targon- beziehungsweise MX- Rechner von Siemens zulassen werde. Auch wenn es technisch möglich sei, Nixdorf-Software auf Fremdsystemen laufen zu lassen, werte SNI das als Vertragsverletzung.

Dieser Rechtsauffassung widersprach jedoch der Jura-Professor Michael Lehmann, Mitherausgeber der in München erscheinenden Monatszeitschrift "Computer und Recht". Die Europäischen Gemeinschaften hätten bei ihren Bemühungen, Software urheberrechtlich zu schützen, großen Wert auf Interoperabilität gelegt. Außerdem sei der europäische Gesetzgeber durchaus portierungsfreundlich gesinnt.

Aus diesem Grund, so Lehmann, seien Schnittstellen als nicht schutzfähig eingestuft worden. Das bedeute, daß Nixdorf-Software auch auf der Hardware anderer Hersteller laufen darf, wenn dafür außer für die Schnittstellen-Anpassung keine größeren Eingriffe in das Programm erforderlich seien.

Der Jurist betonte darüber hinaus, daß die Koppelung der Software an eine bestimmte Hardware nur zulässig sei, wenn eine Trennung aus technischen Gründen nicht realisiert werden könne.

Spätestens wenn diese EG-Gesetze in Kraft treten, würden alle entgegengesetzten Passagen in den Nixdorf-Lizenzverträgen hinfällig.

Die Anwender kritisieren Nixdorfs Bundling-Politik

Dieses Bundling von Hard- und Software wurde von den Anwendern um so erregter diskutiert, als die Siemens Nixdorf Informationssysteme AG zwei verschiedene Wege anbietet, um mit Comet von der 8870/Quattro-Welt nach Unix zu wechseln.

Bei der ersten Lösung soll Comet als "Comet-Pro" unter dem Business-Basic-Interpreter Cross-Basic auf einer Targon oder MX laufen. Eine teilweise Einbindung in die Unix-Umgebung wird bei dieser für den Herbst angekündigten Lösung durch Schnittstellen zur Programmiersprache C und zum relationalen Datenbanksystem Informix gewährleistet.

Der Interpretervariante steht jedoch eine seit längerem unter der Code-Bezeichnung Alexander angekündigte "echte" Portierung von Comet in Richtung Unix gegenüber. Nichts spricht dagegen, daß das Alexander-Comet-Produkt auf beliebigen Unix-Rechnern laufen kann: Nach Angaben von Siemens-Planer Bodo soll es bis Mitte 1991 fertiggestellt werden.

Upgrade-Geschäft geht SNI vor Unix-Migration

Trotz wiederholter Fragen aus dem Plenum weigerte sich Nixdorf-Marketier Gröger, auf dieses Unix-Produkt einzugehen. Statt dessen versuchte er zu illustrieren, welche Probleme in der Unix-Umgebung auf die Comet-Anwender zukämen, da dort mit einem anderen Schnittstellen-Konzept gearbeitet werde.

So eigne sich der Drucker-Spooler nur bedingt für kommerzielle Anwendungen, und eine Reihe von Spezial-Schnittstellen - etwa für Ladenkassen - gäbe es gar nicht.

Angesichts dieser nicht immer eindeutigen Haltung auf Herstellerseite blieben die Anwender indes mißtrauisch. Im Bewußtsein, zu einer Gemeinschaft von rund 50 000 Comet-Anwendern zu gehören, gibt sich Dieter Grünwald, EDV-Verantwortlicher bei der Bassing und Hopf GmbH & Co KG jedoch gelassen: "Ich vermute, daß in den nächsten Jahren eine gemeinsame Unix-Maschine von SNI für Comet aufgelegt wird. Solange warten wir auf alle Fälle."