Anwenderschulung/Just-in-time-Wissensvermittlung

SNI-Mitarbeiter lernen im "CBT-Supermarkt"

14.11.1997

CW: Computer Based Training (CBT) ist ein alter Hut. Was ist nun neu am "CBT-Supermarkt"? Kaufen SNI-Mitarbeiter hier ihre Selbstlernprogramme ein?

Mattheis: Nein, das ist gerade der Vorteil, Mitarbeiter müssen bei SNI keine CBTs mehr kaufen, sondern sie werden über die Verbindung zu einem Server am Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt. Der Begriff "Supermarkt" soll die Vorteile dieses Konzepts verdeutlichen: Selbstlernen mit CBT-Programmen ist preiswert, die Auswahl ist groß, und man kann sich selbst "bedienen".

CW: Was passiert mit den herkömmlichen Kursen und Seminaren?

Mattheis: Ein Großteil der Weiterbildung findet nach wie vor im Klassenraum statt. Aber aufgrund der hohen Gesamtkosten, zu denen neben den Seminargebühren oft noch Reisekosten und Spesen hinzukommen, müssen die Kurse auf die wirklich notwendigen Themen beschränkt bleiben. Das Kosteneinsparpotential dieser Art Weiterbildung ist jedoch weitgehend ausgeschöpft.

CW: Warum ist Lernen mit dem CBT-Supermarkt für die Mitarbeiter billiger?

Mattheis: Diese Art des Lernens ist zunächst punktgenauer. Dazu ein Beispiel: Winword- oder Excel-Grundkenntnisse sind bei vielen Mitarbeitern oft schon vorhanden, meist durch Versuch-und-Irrtum erworben. Aber kaum jemand hat auf diese Art die Funktion "Serienbriefe" erlernt. Hier greift ein Vorteil des CBT-Supermarktes: Wenn der Mitarbeiter weiß, daß er diese Funktion benötigt, so startet er das entsprechende CBT und bearbeitet genau dieses Thema.

Natürlich fallen auch nur für Lernzeiten Kosten an. Somit bekommt der Mitarbeiter nur das vermittelt, was er wirklich benötigt. In der Regel kostet ein vollständig bearbeitetes CBT weniger als ein einziger herkömmlicher Kurstag. Und die meisten Kurse dauern mehrere Tage. Weiterer Vorteil: Der Mitarbeiter ist vollkommen flexibel in der Zeiteinteilung.

CW: Noch ein Wort zu den Kosten: Wenn der Mitarbeiter nun selbst seine Weiterbildung zusammenstellt, wird da nicht das Abteilungsbudget extrem belastet?

Mattheis: Ganz bestimmt nicht. Vergleichen Sie die Weiterbildung im CBT-Supermarkt mit dem Gebrauch des Telefons.

Die Mitarbeiter gehen mit dem Telefon - das auch ganz erhebliche Kosten verursachen kann - eigenverantwortlich um. Nun liegen über die Telefonnutzung Erfahrungen vieler Jahre vor, für den CBT-Supermarkt dagegen nicht. Deshalb hat der Kostenstellenleiter die Möglichkeit, ein Limit pro Geschäftsjahr vorzugeben. Wird dieses Limit erreicht, setzen wir uns mit dem Kostenstellenleiter in Verbindung. Dieser genehmigt dann einen "Nachschlag", oder die Kennungen dieser Kostenstelle werden gesperrt.

CW: Entscheidet ein Vorgesetzter nicht mehr, wie sich seine Mitarbeiter weiterbilden?

Mattheis: Der Kostenstellenleiter wird von der Entscheidung befreit, welchen Kurs zu welchem Zeitpunkt ein einzelner Mitarbeiter besucht. Die Kollegen wissen am besten, welche Inhalte wann zur effektiven Erledigung ihrer Arbeit fehlen. Häufig ist es nur ein kleines Delta, beispielsweise bei neuen Softwareversionen. Dafür lohnt sich kein Kursbesuch. Im CBT-Supermarkt kann man ganz gezielt nur die für einen selbst wichtigen Module in den CBTs bearbeiten. Damit wird die Lernzeit auf das Nötige reduziert.

CW: Wie erhält der Vorgesetzte eine Übersicht über die CBT-Kosten seiner Mitarbeiter?

Mattheis: Derzeit werden die Kosten pro Kostenstelle kumuliert und in das R/3-System eingebucht. Wir haben bisher auf das automatische Verschicken von Detailabrechnungen wegen der geringen Beträge verzichtet, es kann aber jederzeit eine Detailübersicht angefordert werden. Nach den heutigen Erfahrungswerten liegen die CBT-Kosten pro Kostenstelle im Durchschnitt bei der Grundgebühr zweier Telefonanschlüsse - und somit unterhalb der Wahrnehmungsgrenze.

CW: Wie teuer ist die Lernzeit?

Mattheis: Die Nutzungszeit des CBT-Supermarktes wird im Minutenraster erfaßt, und selbst bei voller Bearbeitungszeit ist der Preis deutlich unter dem einer Einzellizenz. Die Preise bewegen sich zwischen zwölf und 70 Mark pro Stunde. Weitere Kosten fallen nicht an.

CW: Sie sagten vorhin, CBTs brauchen nicht mehr gekauft zu werden? Wie ist das zu verstehen?

Mattheis: Im CBT-Supermarkt wird nur noch die Nutzungszeit abgerechnet. Mit den Herstellern der CBT-Programme gibt es Vereinbarungen über eine anteilige Gebühr für die Nutzung. Dadurch entfällt der Kauf teurer Unternehmenslizenzen. Die Erfahrung hat gezeigt, daß diese möglicherweise von den Mitarbeitern nicht angenommen werden und sich als Fehlinvestitionen erweisen.

Innerhalb des Siemens-Konzerns gibt es kein Weiterbildungsbudget, das zentral verwaltet wird und den Kauf von Unternehmenslizenzen übernehmen könnte. Vielmehr ist jede einzelne Kostenstelle für ihre Bildungsmaßnahmen verantwortlich und muß diese auch budgetieren.

CW: Lernen mit CBT-Programmen soll ein Ausweg aus der "Kostenfalle" sein. Warum hat es sich bisher nicht stärker durchgesetzt?

Mattheis: Das hat sicher vielfältige Gründe, etwa den, daß wir häufig nicht "das Lernen gelernt" haben. Wir erwarten - wie früher in der Schule - einen Lehrer, der vorne steht und uns etwas "eintrichtert". In Zukunft wird das Thema Weiterbildung jedoch stärker in die Eigenverantwortung von uns allen rücken. Und damit müssen und können wir selbst etwas tun.

CW: Denken Sie dabei an etwas Konkretes?

Mattheis: Weiterbildung und Arbeit dürfen nicht länger als zwei verschiedene Prozesse aufgefaßt, sondern sollten so gut wie möglich miteinander verzahnt werden. Dazu sollten die Weiterbildungsangebote so nah wie möglich an den Arbeitsplatz oder in das gewohnte Umfeld des Mitarbeiters rücken. Neben diesen eher mentalen Sperren gab es bisher jedoch auch technische und organisatorische Hindernisse, die einem breiten Einsatz von CBT-Programmen im Wege standen.

CW: Welche meinen Sie?

Mattheis: Zum einen geht es um die Frage der Verteilung. Sowohl ein zentraler Einkauf wie auch ein Ausleihsystem erfordern einen hohen Administrationsaufwand und verursachen Kosten. Hinzu kommen Bestell- und Lieferzeiten. Von einem Just-in-time-Lernen kann somit nicht mehr die Rede sein. Zum anderen beziehen sich die Inhalte der Progamme auf bestimmte Softwareversionen und sind daher sehr kurzlebig. Für die ständige Aktualisierung muß in der Regel jede Abteilung selbst sorgen, mit allen damit verbundenen Kosten und der Schwierigkeit, rechtzeitig einen koordinierten Einkauf von zentralen Lizenzen zu organisieren.

CW: Sie sprachen von techni- schen Hindernissen. Welche meinen Sie?

Mattheis: Diese Erfahrung haben wir bei der Einrichtung unseres CBT-Supermarktes auf unseren Servern gemacht. Die Installationsroutinen der CBTs bergen ein Risiko, weil sie durch den Austausch von Bibliotheken etc. umfangreiche Änderungen am Windows-System vornehmen und somit die Stabilität des Systems gefährden können. Schon nach wenigen CBT-Installationen wird oft eine Beeinträchtigung anderer Programme festgestellt.

Die Fehlersuche ist sehr zeitaufwendig und kostenintensiv. Bei Siemens-Nixdorf wird ein Großteil der Arbeitsplatz-PCs einheitlich konfiguriert und zentral gewartet. Der Aufruf "ungeprüfter" Installationsprozeduren ist streng untersagt, und eine Prüfung der einzelnen CBT-Installationen ist bei der Fülle und den ständig wechselnden Versionen praktisch unmöglich. Dieses Problem löst der CBT-Supermarkt: Die Lernprogramme werden von uns so vorkonfiguriert, daß eine Installation nicht nötig ist und die Beeinträchtigung anderer Programme unterbleibt.

CW: Und wie wird das Angebot genutzt?

Mattheis: Die ersten Abrechnungen belegen den schon vermuteten Trend. Ein erheblicher Teil der Anwender macht von der Möglichkeit der modulweisen Nutzung der CBTs Gebrauch, bearbeitet beispielsweise aus einem Winword-CBT nur das Thema "Serienbriefe". Andere Anwender bearbeiten die CBTs vollständig. Das Medium CBT-Supermarkt wird somit sowohl zur Information als auch zum Lernen genutzt.

CW: Können Sie auch auswerten, wieviel gelernt wird?

Mattheis: Nein, das ist völlig ausgeschlossen. Das Abrechnungssystem erfaßt nur, wann welches CBT von wem gestartet beziehungsweise wieder beendet wurde. Welche und wie viele Kapitel in dieser Zeit bearbeitet wurden, wird - wenn das CBT dies unterstützt - ausschließlich auf dem lokalen PC des Mitarbeiters gespeichert. Auf diese lokalen Daten haben wir zentral keinen Zugriff und können sie somit auch nicht auswerten.

CW: Wie sieht die Zukunft des CBT-Supermarktes aus?

Mattheis: Das Konzept der nutzungsabhängigen Abrechnung wollen wir auf jeden Fall beibehalten. Einen Wandel wird es aber in der Technologie der CBTs geben. Während heute fast 99 Prozent der am Markt verfügba- ren CBTs Windows-basiert sind, also nur auf einem Windows- PC ablaufen können, werden zukünftige CBT-Generationen Web-basiert sein, das heißt, direkt im Internet-Browser ablaufen können, unabhängig vom Betriebssystem.

Solche CBTs sind heute schon über die SNI-Internet-Academy http://www.internet-academy.de abrufbar. Unsere Server-Infrastruktur ist so ausgelegt, daß beide CBT-Generationen gleichzeitig angeboten und sich nutzungsabhängig abrechnen lassen. Die entsprechende Abrechnungs- und Verwaltungssoftware ist ebenfalls schon fertig entwickelt. Somit ist Intranet-Lernen für uns heute schon Realität, auch wenn die Mehrzahl der CBTs noch Win- dows-basiert ist.

Angeklickt

Lernen und Arbeiten werden künftig keine zwei getrennten Prozesse mehr sein, behauptet der Siemens-Nixdorf-Manager Christoph Mattheis. Deshalb sollten die Weiterbildungsangebote möglichst nah an den Arbeitsplatz des Mitarbeiters gebracht werden. Mit dem Konzept eines sogenannten CBT-Supermarktes erprobt SNI dieses neue Modell.

Funktionsweise des CBT-Supermarktes

Der CBT-Supermarkt ist eine Client-Server-Lösung, bei der der Mitarbeiter vom Arbeitsplatz, von einem Lern-PC der Abteilung oder einem Lernstudio aus auf ein breites Angebot aktueller Lernprogramme zugreifen kann. Die Abrechnung erfolgt nach der Nutzungsdauer. Dahinter steht eine Infrastruktur von mehreren Servern, die diese Multimedia-Lernprogramme ins Netz einspeist. Eine speziell für Navigation und Abrechnung entwickelte Softwarelösung, die sogenannte Selbstlernarchitektur (SLA), erfaßt die Nutzungszeiten und unterstützt die Abrechnung mit den SNI-internen Kostenstellen und den CBT-Lieferanten. Die CBTs liegen fertig vorkonfiguriert auf den Servern bereit und werden direkt von dort gestartet. Das aktuelle CBT-Angebot umfaßt derzeit rund 80 Titel zu fast allen Themen. Es wird ständig aktualisiert und ausgebaut. Natürlich sind Office-Produkte ebenso vertreten wie Windows-NT, Java etc. Daneben gibt es aber auch BWL und R/3, Englisch oder Themen wie Projekt-Management, Kommunikationstechniken etc. Jedes CBT erlaubt, wahlfrei einzelne Kapitel zu bearbeiten, und der Großteil des Angebots unterstützt eine Soundkarte, falls vorhanden. Derzeit kann das Angebot von allen Siemens-Nixdorf-Mitarbeitern in München, Paderborn, Berlin, Frankfurt und Augsburg genutzt werden. Weitere Standorte sind geplant.

* Christoph Mattheis ist Product Manager "Online Training" am SNI Training Center und seit 1995 verantwortlich für das SNI-interne Angebot von "CBT-on-Demand" oder Lernen im "CBT-Supermarkt". Das Gespräch führte im Auftrag der CW Ulf Bauernfeind, freier Journalist in Leinsweiler.