Auch das PPS-System wird zugekauft

SNI: Fremdmodule für Comet-Nachfolger ALX

20.03.1992

HANNOVER (sc) - Einer Kapitulationserklärung kommt die neueste Nachricht aus dem Hause Siemens gleich. Der Unix-basierte Comet-Nachfolger "Alexander" (ALX) wird jetzt mit fremder Hilfe weiterentwickelt. Unter anderem soll eines der wichtigsten Module, das PPS-System, aus einer fremden Softwareschmiede kommen. Wer der Lieferant ist, wollen die Münchner Ende April bekanntgeben.

Nun ist alles doch wieder anders. Noch im Herbst letzten Jahres versprach SNI den 8870-Anwendern, daß im Frühjahr 1992 die ALX-Module Fibu, Lohn, Materialwirtschaft und Einkauf freigegeben würden. Damit schien den Spekulationen über eine abgespeckte Version der SAP-Software R/3 ein Ende bereitet zu sein. SNI versicherte verwirrten MDT-Kunden, daß sie weiterhin mit Alexander rechnen könnten.

Im Gespräch mit der CW mußte der Konzern die Ankündigung wieder korrigieren. Von den vier versprochenen Modulen sollen im Mai 1992 nur Fibu und Lohn auf den Markt kommen. Bei Materialwirtschaft und Einkauf, so ein SNI-VB, müsse sich der Anwender noch gedulden, da sie bisher nicht einwandfrei funktionierten.

Was bisher nicht bekannt war: Nur die beiden fertigen ALX-Programme Fibu und Einkauf sind komplette Eigenentwicklungen von SNI. Bei den Modulen Materialwirtschaft und Lohn sollen Softwarehäuser beteiligt sein, und auch die kommenden Bausteine werden von Software-Unternehmen geschrieben. SNI nimmt dabei überwiegend die Rolle des Koordinators ein, erklärt Klaus Adena, Director Business Systems.

Offensichtlich vertraut das Unternehmen auch bei einem der wichtigsten Module, dem PPS-System, lieber auf das Know-how von Fremdanbietern als auf die eigene Software-Abteilung. "Das PPS-System wird komplett zugekauft", gestand Reiner Hallauer, Chef der Reseller-Division (SNI-Kürzel: D7). Man habe derzeit mehrere PPS-Lösungen im Auge, eine Entscheidung sei jedoch noch nicht gefallen. Ein SNI-Marketier läßt sich zu genaueren Angaben hinreißen, nennt aber ebenfalls keinen Namen: "Die Bekanntgabe erfolgt Ende April. Es wird ein Produkt sein, das bereits auf dem Markt verfügbar ist."

Branchenkenner werten die neue ALX-Strategie, auf fremde Entwicklungsressourcen zuzugreifen, als Schlappe der SNI-eigenen Software-Division. Adena formuliert die Begründung eleganter: "Wichtig ist, daß ALX schnell auf den Markt kommt. Außerdem muß das Produkt gut sein." Die Softwarehäuser hätten hier mehr Branchenwissen als die SNI-Mannschaft.

Daß es Siemens-Nixdorf plötzlich eilig hat, Alexander zum Leben zu erwecken, ist für Marktbeobachter offensichtlich. Die in den eigenen Vertrieb übernommene R/3-Software kommt nämlich als Comet-Nachfolgeprodukt nicht in Frage, weil sie für DV-Benutzer dieser Größenordnung ungeeignet ist. Gelingt es den Münchnern nicht, mit ALX eine angemessene Anwendungssoftware unter Unix anzubieten, ist die Gefahr groß, daß sich die ohnehin unzufrieden 8870-Anwender ganz von ihrem Hersteller zurückziehen.

Mit seiner Aussage zum neuen Konzept bestätigt Hallauer das große Interesse an der 8870-Anwenderklientel. Man werde für diese Gruppe einen indirekten Vertriebskanal über Werksvertretungen aufbauen. Über diesen Weg soll dann ALX angeboten werden, wobei die Installation auf SNI-Rechnern erfolgen soll. Nur wenn es der Kunde ausdrücklich wünsche, implementiere SNI die ALX-Software auch auf anderen Plattformen.

Wie bei Siemens-Nixdorf zu erfahren war, handelt es sich bei den Werksvertretungen auch um Softwarehäuser, die in die Alexander-Entwicklung eingebunden sind. Die genaue Anzahl der Vertriebspartner steht nach Angaben Adenas noch nicht fest.