Zehn Jahre nach Delphi-Studie

SMS-Boom statt fliegender Autos

15.09.2008
Es gibt eine Impfung gegen Aids, Autos fliegen in Kürze über den Himmel und ein Großteil der Angestellten arbeitet von daheim aus.

So haben sich Experten 1998 in der Delphi-Studie unser heutiges Leben vorgestellt. Das Magazin "Bild der Wissenschaft" (Stuttgart/Oktoberausgabe) hat verglichen, welche Vorhersagen zehn Jahre später eingetroffen sind und welche Trends die Wissenschaftler und Unternehmer unterschätzten. Richtig lagen die Fachleute zum Beispiel damit, dass fast jeder heute E-Mails versendet, dass das menschliche Erbgut entziffert wurde und dass Digitalkameras und Flachbildschirme herkömmliche Apparate verdrängen. Andere Trends wie SMS, MP3-Player und Navigationsgeräte für Autos sahen sie dagegen nicht voraus.

Für die Delphi-Studie befragte das Karlsruher Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) im Auftrag des Bundesforschungsministeriums damals rund 2000 Experten von Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen. Sie sollten einschätzen, bis wann es welche Fortschritte beispielsweise in der Medizin, dem Verkehr, der Raumfahrt, der Kommunikationstechnik und der Energieversorgung geben wird. Dabei herausgekommen sind mehr als 1000 Thesen, von denen jedoch viele bis heute nicht eingetreten sind. "Die Zukunft hat sich weniger stark verändert als gedacht", erklärt die ISI-Forscherin Kerstin Cuhls in dem Artikel. "Viele Innovationen dauern länger als vor zehn Jahren vermutet."

So gingen die Experten davon aus, dass Autos heute ein Drittel weniger Sprit fressen als noch vor zehn Jahren. Tatsächlich sank der Kraftstoffverbrauch seitdem nur um zehn Prozent. Daneben lagen sie auch mit der Einschätzung, dass bis 2010 Autos über den US-Himmel fliegen. Eine Impfung gegen Aids wurde bis heute ebenso nicht gefunden. Außerdem müssen Krankenversicherte nicht pauschal einen Gentest ablegen und dann mehr Beiträge zahlen, wenn er ein erhöhtes Risiko für bestimmte Krankheiten ergibt.

Andere Thesen der Delphi-Studie trafen dagegen ins Schwarze. Die weite Verbreitung von E-Mails, Online-Banking und Handys schätzten die Fachleute damals schon richtig ein. Allerdings hätten sie nie gedacht, wie wir heute das Internet nutzen. "Damals sah man die Entwicklung des Internets vor allem von der technischen Warte aus", sagt Cuhls. Die Experten gingen also eher von besseren Technologien für den Datenaustausch aus. Mit sozialen Netzwerken, Auktionen, Singlebörsen und virtuelle Welten wie Second Life rechneten sie nicht.

Zurzeit arbeiten die ISI-Forscher an einer neuer Zukunftsbefragung, die Foresight heißt und diesmal auch gesellschaftliche und wirtschaftliche Themen einbezieht. Im Gegensatz zur Delphi-Studie soll Foresight künftige Trends aufspüren können, die sich heute noch nicht abzeichnen. Dafür befragen die Forscher neben Experten auch Nachwuchswissenschaftler, die Patente angemeldet oder Preise für ihre Entwicklungen erhalten haben. (dpa/tc)