Fabrik ohne Fließband?

Smart Factory: Audis Vision

01.12.2016
Von 


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.

Keine Smart Factory ohne Big Data Analytics

Daten spielen nicht nur in der Zukunftsplanung von Audi eine wesentliche Rolle. Das Ziel aller Unternehmen heißt: bisher getrennte Datenströme zu einem Data Lake zusammenzufassen, um ein möglichst umfassendes Bild aller Prozesse und deren Verknüpfungen zu erhalten. Nur so lassen sich neue Zusammenhänge erkennen und gezielte Optimierungen vornehmen. Die Daimler AG etwa propagiert für ihre Vision der Smart Factory eine "production data cloud", die für die Zusammenführung der weltweiten Produktionsdaten sorgen soll.

Kein Wunder, dass auch im Ingolstädter P-Lab an Big-Data-Projekten getüftelt wird: Im Bereich der Produktion hat man mit Hilfe von Daten und Algorithmen die Fehlerquote bei Schraubvorgängen reduziert. Wenn der Akkuschrauber bei einem solchen Vorgang einen Fehler erkennt - beispielsweise Späne im Gewinde - schaltete er bislang innerhalb von zwei Sekunden automatisch ab. Nach der Auswertung anonymisierter Schraubvorgänge ließ sich feststellen, dass sich solche Fehler mit hoher Wahrscheinlichkeit bereits nach 0,3 Sekunden vorhersagen lassen. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse erzielt Audi im Ingolstädter Werk nach eigenen Angaben eine "immense Effizienzsteigerung", weswegen dieses Vorgehen nun in allen Werken der VW-Tochter Einzug halten soll. Die Ausdehnung auf andere Betriebsmittel wird ebenfalls erwogen.

Ein neues Software-Tool soll in der Logistik-Abteilung für übersichtliche Visualisierungen sorgen und Excel-Orgien ein Ende bereiten.
Ein neues Software-Tool soll in der Logistik-Abteilung für übersichtliche Visualisierungen sorgen und Excel-Orgien ein Ende bereiten.
Foto: Audi AG

In der Logistik-Abteilung soll in Zukunft ein neues Software-Tool dafür sorgen, die Visualisierung von Daten einfacher und überschaubarer zu gestalten. Dazu kooperiert Audi mit den Business-Intelligence-Spezialisten von Tableau Software. Bislang müssen sich die Mitarbeiter der Logistik-Abteilung für die Analyse der Warenbewegungen durch "umfangreiche Excel-Tabellen" wühlen. Das soll mit dem neuen Big-Data-Tool der Vergangenheit angehören: Bisher voneinander getrennte Datensätze werden miteinander verknüpft - Korrelationen zwischen einzelnen Lieferanten und Verpackungsstationen über farbliche Markierungen auf den ersten Blick erkennbar. So wurde unter anderem sichtbar, dass sich durch die Zusammenlegung von Frachtrouten enorme Zeit-, Kosten- und Emissions-Einsparungen realisieren lassen. Audi geht davon aus, dass mit dem Tool künftig Einsparungen im sechsstelligen Bereich zu realisieren sind. Der im P-Lab entstandene Prototyp der Software ist inzwischen reif für den Serieneinsatz.

Dank Predictive Yard Management sollen Spediteure künftig genau dann aufs Werksgelände einbiegen, wenn ihre Charge gerade fertig produziert wurde.
Dank Predictive Yard Management sollen Spediteure künftig genau dann aufs Werksgelände einbiegen, wenn ihre Charge gerade fertig produziert wurde.
Foto: Audi AG

In der Logistik-Abteilung im Audi-Werk Neckarsulm werkelt man ebenfalls daran, die Abläufe mit Big Data Analytics zu verbessern: Hier heißt das Zauber-"Wort" "Predictive Yard Management". Dabei geht es darum, den Abholungsprozess der fertig montierten Audi-Pkw durch die Spediteure zu optimieren. Bislang stehen die Autos im Schnitt 1,6 Arbeitstage auf dem Werksgelände, nehmen Fläche in Anspruch und verursachen Kosten. Die Idee des Projektteams: mithilfe der Datenströme aus Produktion und Versand möglichst präzise vorherzusagen, wann eine LKW-Charge abholbereit ist. Im Idealfall kommt der Spediteur also künftig genau dann im Werk an, wenn die für ihn bestimmte Pkw-Charge gerade bereitgestellt wurde.

Automatisiert und autonom in die Zukunft?

Audi bringt im Werk Ingolstadt darüber hinaus auch neue Technologien in vielen weiteren Bereichen zum Einsatz. In der folgenden Bildergalerie erhalten Sie Details über weitere Projekte für Audis Smart-Factory-Vision:

Die Automatisierung dürfte über die nächsten Jahre in großen Schritten - insbesondere in der deutschen Autoindustrie - Einzug halten. Nicht nur in den Produkten der Autobauer, auch in ihren Fabriken wird künftig die IT eine wesentliche Rolle spielen. Dabei gibt sich Audi - wie auch BMW und Mercedes - viel Mühe, zu betonen, dass man keinesfalls plane, Menschen im großen Stil durch Maschinen zu ersetzen. Im Fokus stehe in der Smart Factory stattdessen eine Kooperation zwischen Mensch und Maschine, beziehungsweise die bestmögliche Ergänzung und Erweiterung menschlicher Fähigkeiten durch Technologie.

Beim US-Hersteller Tesla geht man die Sache etwas unverblümter an: Hier werden Sitze und Windschutzscheiben schließlich bereits seit dem ersten Tag zu 100 Prozent von Roboterhand eingesetzt. "Automation to the fullest" sieht der US-Konzern selbst - und nicht ohne Stolz - als Maßstab für die Produktion seines Model S. Durch die Übernahme des deutschen Maschinenbau-Spezialisten Grohmann Anfang November 2016 könnte Elon Musks Konzern diesem Ziel noch ein Stück näher kommen.

Ob nun BMW, Mercedes, Tesla oder Audi mit der modularen Fertigung das beste Smart-Factory-Konzept für die Zukunft in der Schublade hat, lässt sich nicht abschließend klären. Vielleicht werden in der Autoindustrie künftig aber auch ganz andere Dinge entscheidend für den messbaren Erfolg einer Marke sein - Security, Datenschutz, Nachhaltigkeit oder Transparenz zum Beispiel.