Fabrik ohne Fließband?

Smart Factory: Audis Vision

01.12.2016
Von 


Florian Maier beschäftigt sich mit diversen Themen rund um Technologie und Management.

Produktion mit Wearables, Drohnen & 3D-Druck

Doch die Innovation kommt bei Audi nicht nur von externen Partnern wie Arculus: Das Audi Production Lab - im "Insider-Jargon" auch P-Lab genannt - ist eine Art Innovationsabteilung, in der sich fünf Mitarbeiter mit neuen Technologien und deren möglichem Praxiseinsatz befassen. Hierbei steht nach Aussage von Audi die Start-Up-Mentalität im Vordergrund: Viel Kreativität, viele Experimente, keine Angst vor Fehlern. So treiben die P-Lab-Mitarbeiter den Einsatz zahlreicher neuer Technologien im Konzern voran - meist erst einmal im Rahmen von Pilotprojekten. Dabei zählen sie auch auf Kooperationen mit zahlreichen Partnern aus der Technologie-Branche - zum Beispiel wenn es um Wearables geht. Die werden bereits seit längerem in der Industrie eingesetzt - auch bei den OEMs: BMW setzt beispielsweise inzwischen in mehreren Werken auf smarte Arbeitshandschuhe und beim US-Autobauer Tesla gehören Datenbrillen zum täglichen Bild in der Fertigung.

In der Fabrik der Zukunft von Audi sollen Wearables und insbesondere Datenbrillen sowie AR-, VR- und MR- (Mixed Reality) Headsets ebenfalls eine wesentliche Rolle spielen. Im ungarischen Werk in Györ stattet Audi Mitarbeiter in der Motorenmontage mit Datenbrillen von Google aus. Diese sollen bei der Montage der hochkomplexen Antriebe mit vielen hundert Kleinteilen - die sich noch dazu teilweise zum Verwechseln ähnlich sehen - unterstützen. Das geschieht zum Beispiel durch die Einblendung von Trainingsvideos und Schritt-für-Schritt-Anleitungen - und verleiht der Motorenmontage Videospiel-Charakter.

Google Glass unterstützt im Audi-Werk Györ bei der Motoren-Montage.
Google Glass unterstützt im Audi-Werk Györ bei der Motoren-Montage.
Foto: Audi AG

Der Nachweis, dass diese Art der Montage zu mehr Produktivität führt, steht indes noch aus. Neben Google Glass setzt Audi auch Microsofts Hololens und HTCs VR-Brille Vive in Testprojekten ein: Mit Hololens könnten künftig ganze Karosseriebauanlagen detailliert im virtuellen Raum in Teamarbeit geplant werden. Und die HTC Vive, kombiniert mit einem Rucksack-PC, könnte bei der VW-Tochter in verschiedensten Bereichen zum Einsatz kommen - von der Qualitätssicherung bis hin zum Mitarbeitertraining.

Drohnen könnten in der Werkshalle künftig verschiedenste Aufgaben übernehmen.
Drohnen könnten in der Werkshalle künftig verschiedenste Aufgaben übernehmen.
Foto: Audi AG

Ein weiterer interessanter Anwendungsfall ist der Einsatz von Drohnen in der Smart Factory. Die könnten künftig automatisiert Teile transportieren, die kurzfristig bei Nachbestellungen - etwa wenn kurz vor der Montage ein Kratzer im Lack der Dachantennen bemerkt wird - benötigt werden. Audi hat einen solchen Einsatz bereits getestet, wegen der strengen rechtlichen Regularien beim Einsatz von UAVs (Unmanned Aerial Vehicles) allerdings nur außerhalb der Produktionszeiten und innerhalb der Werkshallen. Da die Navigation in einer Werkshalle einer Autofabrik wegen zahlreicher dynamischer Hindernisse eine Herausforderung darstellt, sind die Testdrohnen - Audi kooperiert auf diesem Feld unter anderem mit Intel - mit einer intelligenten Sensorik ausgestattet. Derzeit stellen die strengen Arbeitssicherheitsbestimmungen ein weiteres Hemmnis beim Einsatz von Drohnen in der Fertigung dar. Wenn die Rechtslage geklärt ist, könnten die fliegenden Helfer sich aber nicht nur bei Transportaufgaben als nützlich erweisen, sondern auch, wenn es um komplizierte Montage-, Reparatur- oder Wartungsarbeiten geht. Im Bereich der physischen Sicherheit könnten Drohnen ebenfalls einen Mehrwert bieten - beispielsweise für den schnellen Transport von Defibrillatoren.

Kunststoff war gestern: Im Audi Werk Ingolstadt entstehen Prototypen und Werkzeugteile im Metall-3D-Drucker.
Kunststoff war gestern: Im Audi Werk Ingolstadt entstehen Prototypen und Werkzeugteile im Metall-3D-Drucker.
Foto: Audi AG

Der Einsatz von Kunstoff-3D-Druckern ist für Audi ein alter Hut: Bereits seit den 1990er Jahren setzen die Ingolstädter nach eigener Aussage diese Technologie ein. Auch BMW und Mercedes nutzen die additive Fertigung seit längerem für die Erstellung von Prototypen und Werkzeugteilen. Im neu gegründeten Metall-3D-Druck-Zentrum im Audi Werk Ingolstadt entstehen an drei riesigen Druckern nun auch Teile aus Stahl- und Aluminium im Laserschmelzverfahren. Der Einsatz der Technologie könnte künftig für (noch) mehr Leichtbau sorgen: Eine Gewichtsersparnis zwischen 20 und 30 Prozent hält man bei Audi für realistisch. Die Herstellung komplexer Fahrzeugteile dauert in den High-Tech-Monstern momentan allerdings noch zu lange für den Einsatz in der Serienfertigung: Ein 1000 Gramm schweres Metallrohr benötigt eine Fertigungszeit von einem Tag. Der praktische Einsatz der Technologie ist in einigen Jahren zumindest in der Kleinserie denkbar. Allerdings entstehen im Audi-Werk Ingolstadt bereits Werkzeugteile im Metall-3D-Druckverfahren. Wegen des hohen Innovationsgrades im Bereich der 3D-Drucker setzt man bei Audi im Übrigen auf Leasing, wenn es um die Geräte selbst geht, die von EOS und SLM Solutions stammen.