Skepsis gegenüber der Green Card

26.06.2001
Von Jean-Pierre Lhomme
Als großen Erfolg verbucht die Bundesregierung die Green Card, mit der IT-Spezialisten aus Nicht-EU-Ländern in Deutschland arbeiten können. Indessen ist bei den Unternehmen eine eher ablehnende Haltung zu beobachten.

Am 1. August 2000 trat die Green-Card-Regelung in Kraft. Innerhalb von drei Jahren sollten 10000 Spezialisten der Informations- und Kommunikationstechnologie aus Ländern außerhalb der Europäischen Union eine auf fünf Jahre befristete Arbeitserlaubnis für Deutschland erhalten. Die Bedingungen sind klar definiert: Es dürfen nur IT-Fachkräfte angeworben werden, die über einen Hochschulabschluss verfügen oder deren Qualifikation durch ein Mindestjahresgehalt von 100000 Mark nachgewiesen wird.

Die Erwartungen, die die deutsche Regierung mit den Green-Card-Regelungen verband, haben sich bisher durchaus erfüllt. Acht Monate nach Vergabe der ersten Green Card sind rund 5700 IT-Spezialisten aus Ländern außerhalb der EU in Deutschland zusätzlich beschäftigt worden. Nach Plan sollten es nach acht Monaten etwa 2800 sein. Die Rekrutierung dieser IT-Kräfte erfolgte hauptsächlich über eigene Anzeigen, Bewerberanzeigen und über Internet-Jobbörsen.

Allerdings sank die Zahl der pro Woche vergebenen Green Cards bis März 2001 nicht unerheblich. Der Trend zeigt eine immer größere Reserviertheit, Verträge auf dieser Basis abzuschließen. Im Rahmen einer telefonischen, branchenübergreifenden Befragung im April dieses Jahres ermittelte die Heidelberger Amontis Consulting AG einige Ursachen für diese Entwicklung.

In vielen Fällen bestand kein Interesse an Arbeitskräften, die auf Green-Card-Basis arbeiten möchten. Unternehmen, die bereits Erfahrungen mit IT-Experten aus Ländern außerhalb der EU gemacht haben, wurden größtenteils enttäuscht, so dass sie nicht bereit sind, erneut solche Bewerber einzustellen. Als Gründe hierfür wurden hauptsächlich bürokratische Hürden in Deutschland genannt. Hinzu kamen nach Aussagen der Befragten falsche Angaben über die Qualifikation von Bewerbern, was sich natürlich erst hier vor Ort herausstellte.

Eine Zunahme an qualifizierten IT-Kräften im Vergleich zum letzten Quartal 2000 ist mit 6,25 Prozent lediglich in der Automobilindustrie sowie im Kreditwesen und in der Versicherungsbranche zu verzeichnen. In den Branchen Maschinenbau, Chemie, Energie, Verkehr und Nachrichtenübermittlung setzte keines der befragten Unternehmen zusätzliche IT-Spezialisten ein.

Bedarf an weiteren IT-Experten gaben insbesondere Unternehmen in den Bereichen Informations-und Kommunikationstechnologie sowie Maschinenbau an. Gefragt waren hauptsächlich Anwendungsentwickler und technische Spezialisten auf Zeitvertragsbasis. Als gewünschte Qualifikationen wurde meist Know-how zu Datenbank-Management, Java, Visual C, Visual Basic sowie Customizing genannt.

Etwa drei Prozent der Befragten erwogen die Möglichkeit des Outsourcings bestimmter Aufgabenbereiche. Sie dachten dabei hauptsächlich an Vertragspartner innerhalb der EU. Andere Alternativen, wie etwa Südostasien, wurden häufig als zweite Wahl betrachtet, da mit dortigen Partnern die Verständigung wegen der Unterschiede in Sprache, Kultur und Arbeitsweise schwieriger ist.

Mehr als ein Viertel der Befragten machte allein die Qualifikation der Bewerber zum Einstellungskriterium. Ein Großteil der Befragten nannte indes den Aufwand bei der Einstellung als besonders problematisch und kostenintensiv, da die angegebenen Qualifikationen nur hier vor Ort überprüfbar sind. Vorab-Interviews durch unabhängige Vermittler mit den Bewerbern in ihrer Heimat können nicht alle Aspekte der benötigten Qualifikation und schon gar nicht das Zusammenpassen mit der künftigen Arbeitsgruppe prüfen.

Darüber hinaus befürchten einige der befragten Unternehmen zu hohe Provisions- und Nebenkosten durch Vermittlungsorganisationen. Hinzu kommt, dass die Qualifikationen der Bewerber häufig zu spezialisiert sind. Deutsche Unternehmen benötigen meist Mitarbeiter mit breit gefächerten Kenntnissen.

Etwa ein Drittel der Firmen setzt Kenntnisse der deutschen Sprache bei den Bewerbern voraus, damit sie mit Kunden und mit anderen Abteilungen problemlos kommunizieren können. Zitat eines Befragten: "Man kann vom Kunden nicht verlangen, seine IT-Probleme auf Englisch zu schildern, viele haben da im Deutschen schon Probleme."

Denkbar ist allenfalls der Einsatz von Anwendungsentwicklern und technischen Spezialisten, die kein Deutsch sprechen. Interessant ist auch, dass Deutschland nicht immer Traumziel für Arbeitssuchende aus Nicht-EU-Ländern ist. Berichte über rechtsextremistische Aktionen werden in den Medien einiger Ländern besonders betont und schaffen dadurch eine ängstliche Haltung dem Leben in Deutschland gegenüber.

Die Integration der Green-Card-Inhaber wird meist als wenig problematisch angesehen. Allerdings beklagen einige Firmen die längere Einarbeitungszeit. Die Mitarbeiter benötigen Kenntnisse zu üblichen Arbeitsweisen und Standards des deutschen Gesamtmarktes sowie der Unternehmensbranche. Zusätzlich müssen sie mit speziellen deutschen Vorschriften wie etwa den Richtlinien des Deutschen Instituts für Normung (DIN) sowie Steuer- und Arbeitsgesetzen vertraut sein.

Vielen Unternehmen sind die bürokratischen Hürden zu hoch und die Wartezeiten zu lang. Des Weiteren ist es gesetzlich verboten, IT-Experten per Arbeitnehmerüberlassung in Deutschland arbeiten zu lassen. Manche Länder genehmigen die Ausreise erst dann, wenn ein Visum für Deutschland vorliegt. Ein Visum für einen längeren Aufenthalt in Deutschland erhält indes nur, wer einen gültigen Arbeitsvertrag mit einem deutschen Unternehmen in der Tasche hat. Es ist also ein relativ großes Risiko, Mitarbeiter aus Nicht-EU-Ländern anzuwerben.

Über 50 Prozent der befragten Unternehmen sehen die Green-Card-Regelung als nicht ausreichend an, um den Mangel an IT-Kräften in Deutschland auszugleichen. Der Hauptteil der Kritik gilt dabei der mangelnden Flexibilität der Vorschriften. So gibt es Stellen, die keinen Hochschulabschluss des Bewerbers voraussetzen. In diesem Falle macht der Gesetzgeber die Erteilung einer Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis von einem Mindestgehalt von 100000 Mark im Jahr abhängig. Es gibt auch Posten, für die auch ein deutscher Bewerber kein Gehalt in dieser Höhe gezahlt bekäme. Green-Card-Inhaber sind also für viele zu teuer.