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Sinti und Roma wollen gegen IBM klagen

07.06.2001
Girca, ein Interessenverband von Sinti und Roma, will IBM wegen seiner Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten verklagen. Dem Konzern drohen Entschädigungszahlungen von bis zu zwölf Milliarden Dollar.

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die Vergangenheit holt IBM weiter ein: Nach dem Pressetrubel um das Buch "IBM und der Holocaust" von Edwin Black (Computerwoche online berichtete) wollen nun Sinti und Roma den Hersteller wegen seiner Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten vor Gericht bringen. Der Interessenverband Girca (Gypsy International Recognition and Compensation Action) hat den Genfer Anwalt Henri-Philippe Sambuc mit der Angelegenheit betraut.

Nach Angaben der Kläger wurden während des so genannten Dritten Reiches zwischen 600.000 und 1,5 Millionen Sinti und Roma als "Zigeuner" umgebracht, das entspricht mehr als der Hälfte der Bevölkerungsgruppe im damals von den Nationalsozialisten besetzten Europa. Sambuc klagt nach eigenen Angaben auf 10.000 Dollar Entschädigung für jeden durch den Holocaust verwaisten Sinti und Roma. Deren Zahl wird auf 1,2 Millionen geschätzt, so dass sich die möglichen Entschädigungszahlungen auf zwölf Milliarden Dollar summieren.

Nach Schweizer Recht müssen die Klagen allerdings individuell eingereicht werden. Girca sammelt zurzeit nach eigenen Angaben "hunderttausende" Einzelansprüche und hofft, das Verfahren im Herbst dieses Jahres mit mindestens 1000 substanziellen Fällen zu eröffnen. Genf wurde ausgewählt, weil sich dort die für den Vertrieb nach Nazideutschland zuständige IBM-Niederlassung befand. Der Historiker Black vertritt in seinem Buch die Auffassung, dass die "Hollerith"-Zählmaschinen von IBM maßgeblich zur perfiden Organisation des Völkermords an Juden, Sinti und Roma sowie anderen von den Nationalsozialisten drangsalierten Gruppen beigetragen haben.