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Sind Blogs böse?

25.10.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - In den USA hat eine Diskussion darüber eingesetzt, ob Unternehmen den Zugriff auf Blogs durch ihre Mitarbeiter unterbinden sollen. Dabei geht es nicht nur um den Ausfall der Arbeitszeit, sondern auch um die Frage, ob sicherheitskritische Informationen über Blogs im Internet verbreitet werden - wissentlich oder unbeabsichtigt. So haben die Unternehmen Forrester (Marktforschung) und der Auftraggeber Proofpoint (Blockade-Software) in einer Studie herausgefunden, dass 57 Prozent der teilnehmenden Unternehmen Sorge vor dem Geheimnisverrat durch ihre Angestellten hätten. Der Prozentsatz sei höher als bei den vermuteten Risiken durch Peer-to-Peer-Tauschbörsen.

Daher reift in US-amerikanischen Unternehmen das Bewusstsein dafür, nicht nur den eingehenden Traffic, sondern auch die aus der Firma herausgehenden Informationen zu untersuchen beziehungsweise zu filtern. Einfaches Beispiel: Bei vorab "veröffentlichten" Quartalszahlen eines börsennotierten Unternehmens haftet gegebenenfalls das Management persönlich für das Leck. Folglich haben Manager kein Interesse an einem gesteigerten Mitteilungsbedürfnis ihrer Angestellten. Dies betrifft natürlich nicht das kanalisierte Bloggen von Mitarbeitern, um Kunden, Partner und andere Stakeholder bei der virtuellen Stange zu halten. So greifen offizielle Unternehmens-Blogs inzwischen auch in Deutschland immer weiter um sich und verbreiten vermeintlich heiße Innenansichten aus der (Tiefkühl-)Wirtschaft.

Zudem dürfen in diesem Zusammenhang auch Erhebungen über den Arbeitsausfall durch den Blog-Konsum nicht zu kurz kommen. US-amerikanische Arbeitnehmer verwenden 2005 insgesamt 551 000 Jahre für das Lesen von Blogs, heißt es beim Branchenmagazin "Advertising Age". Rund 35 Millionen Berufstätige in den USA besuchen demnach Blogs und verschwenden dafür durchschnittlich 3,5 Stunden pro Woche oder neun Prozent der Arbeitszeit. Umgerechnet seien dies etwa 2,3 Millionen Vollzeitstellen. Das erinnert an eine Meldung der Unternehmensberatung Mummert + Partner aus grauer Vorzeit (Februar 2000), wonach die Jagd auf Moorhühner die Stabilität der IT-Netze in der deutschen Wirtschaft bedrohte.

Aber auch außerhalb der Wirtschaft kommen Blogs ins Gerede: In den USA hat jetzt der Direktor einer Privatschule seinen Schülern untersagt, private Blogs zu führen. Laut einem Artikel der "Netzeitung" sollen zudem bestehende Schüler-Blogs gelöscht werden. Die Internet-Tagebücher würden von "Pädokriminellen genutzt, um persönliche Informationen über Kinder und Jugendliche zu sammeln", wurde als Begründung für den Schritt angegeben. Wie sich dies mit der ersten Ergänzung zur US-Verfassung ("Freie Rede" - Amendment I) verträgt, müssen andere Stellen klären. (ajf)