Neueste Entwicklungen werden den Computer kalt lassen:

Siliziumtechnik stößt demnächst an ihre Grenzen

21.10.1983

Die Josephson- sowie die Galliumarsenid-Technologie verfolgt die Computer Systems Group von Sperry an erster Stelle, um neue Schaltungstechniken für Hochleistungsrechner zu entwickeln. Frank A. Sewell, Director Research Semiconductor Operations in Eagan/Minnesota, referiert über die Überlegungen, die zu diesem Forschungskonzept führten. Die Frage, wieso unterschiedliche Technologien für die modernen Rechner benötigt werden, läßt sich leicht beantworten. Die Datenverarbeitungskapazität der mit Silizium-Halbleiterschaltungen bestückten Rechner wird etwa bis zum Ende der 80er Jahre linear zunehmen, von da ab werden aber ihre physikalischen und elektrischen Eigenschaften das weitere Wachstum immer stärker behindern.

So können die Elektronen im grundlegenden Kristallgefüge des Siliziums nur eine bestimmte Geschwindigkeit annehmen, die ein Maß für die Schaltzeit ist. Auf diese allein kommt es aber nicht an. Je kürzer die Schaltzeiten sind, desto mehr Wärme wird in den Schaltungen entwickelt, und davon wiederum hängt die Packungsdichte ab. Höchste Schaltleistungen können aber nur erzielt werden, wenn die Schaltungen extrem dicht gepackt sind. Es ist inzwischen offensichtlich, daß man mit der Siliziumtechnik an kaum mehr zu überwindende Grenzen stößt.

Dies läßt sich an Hand eines einfachen Beispiels veranschaulichen: Ein heutiger Prozessor möge eine Kantenlänge von einem Meter haben. Steigert man nun die Schaltgeschwindigkeit um den Faktor 10, muß die Prozessorgröße auf wenige Zentimeter reduziert werden. Man kommt auf diese Weise in die Nähe der Lichtgeschwindigkeit, die die absolute Grenze für die Übertragungsgeschwindigkeit darstellt.

Ein Blick in die Zukunft: Ein Rechner ist im Prinzip ein Riesenapparat von Schaltern. Sehr schnelle Schalter sind die Josephson-Kontakte, die beim Schalten nur sehr wenig Wärme erzeugen. Um arbeiten zu können, müssen sie aber auf die Temperatur von flüssigem Helium gekühlt werden, das die erzeugte Wärme leicht abführt. Hinzu kommt, daß sie mit Strukturarbeiten von weniger als einem Mikrometer hergestellt werden müssen. Man hat demnach die Möglichkeit, Millionen von Josephson-Kontakten in einen Prozessor mit einer Kantenlänge von wenigen Zentimetern zu packen, ohne den Rechner zu überhitzen.

Der Josephson-Kontakt besteht aus einem Sandwich mit zwei supraleitenden Elektroden, die durch einen dünnen Tunnelisolator von einigen Nanometern Dicke getrennt sind. Supraleiter sind Stoffe, die bei extrem tiefer Temperatur jeglichen elektrischen Widerstand verlieren. Kreist ein Strom in einem supraleitenden Stromkreis, so fließt er praktisch unaufhörlich. Im Gegensatz zu Halbleiterschaltungen muß das supraleitende Material nicht die regelmäßige Struktur eines Kristallgefüges aufweisen.

Bestand das technologische Hauptproblem in den frühen Tagen des Transistors in der Entwicklung von Verfahren zur Erzielung dieser regelmäßigen Struktur und Reinheit, so besteht heute das Problem bei den Josephson-Elementen in der Entwicklung von Stoffen, die so stabil sind, daß sie wiederholt in flüssiges Helium getaucht werden können, die in Schichten von atomarer Dicke herstellbar sind und die extrem schnell schalten, kaum Energie verbrauchen und nur sehr niedrige Leckströme aufweisen.

Wissenschaftler bei Sperry haben diese Probleme mit verschiedenen Erfindungen gelöst, die die Basis für eine Fertigung von Josephson-Schaltungen für zukünftige Rechner bilden. Die Erfinder sind Dr. H. Kroger, Dr. L. N. Smith und Dr. D. W. Jillie.

Als Material wurde Niob gewählt, weil es bei tiefsten Temperaturen supraleitende Eigenschaften aufweist und weil es sehr stabil ist, insbesondere bei wiederholtem Temperaturwechsel zwischen Raumtemperatur und Temperaturen in der Nähe des absoluten Nullpunkts.

Beispiele für bereits entwickelte Geräte in Josephson-Technologie sind induktiv gekoppelte Josephson-Magnetometer als extrem empfindliche Sensoren für Magnetfelder und Millimeterwellen-Detektoren. Die Galliumarsenid-Technologie ist eine weitere Alternative zu Siliziumschaltungen. Galliumarsenid ist ein Halbleiter wie Silizium, aber aus den beiden Elementen Gallium und Arsen zusammengesetzt. Aus diesem Grund ist die Erforschung dieses Halbleiters schwieriger als die des Siliziums mit seinem einfachen Aufbau. Dasselbe gilt für die Verarbeitung. Es hat auch kein natürliches Oxid, das als Isolator benötigt wird. Andererseits hat es als Folge seiner Kristallstruktur eine Elektronenbeweglichkeit, die die von Silizium um das Fünffache übertrifft.

Galliumarsenid-Schaltungen eignen sich damit hervorragend für sehr schnelle Rechner. In heterogener Konfiguration und gekühlt auf die Temperatur flüssigen Stickstoffs, stehen sie den Josephson-Schaltungen hinsichtlich der Schaltzeiten nur wenig nach.