Warten auf den Startschuß:

Siliziumsensoren als Schrittmacher neuer Computeranwendungen

21.12.1979

Die technischen Möglichkeiten für die Produktion von kostengünstigen Mikroprozessor-kompatiblen Sensoren sind inzwischen so weit entwickelt, daß die entsprechenden Hersteller eigentlich nur noch auf den Abschluß der Systemüberlegungen der zukünftigen Hauptabnehmer, Automobilindustrie und Haushaltsgerätehersteller, warten, um ihre Preisversprechungen wahr zu machen. Die technischen und finanziellen Voraussetzungen für ein neues breites Anwendungsbiet von Mikrocomputern in der Konsumgüterindustrie scheinen also gegeben. Herbert Reichl vom Institut für Festkörpertechnologie der Fraunhofer-Gesellschaft München, beschreibt im folgenden, wie es zu dieser Ausweitung der Anwendungsmöglichkeiten von Mikroprozessoren durch Siliziumsensoren kam.

Die Leistungsfähigkeit der Silizium-technologie und die "design cleverness" der Schaltungsentwickler führen jedes Jahr zu einer Verdopplung der Komponenten auf einem Chip. Dies sind die Erfahrungen aus den vorangegangenen 16 Jahren der Herstellung von integrierten Schaltungen. Nur eine derartige Erhöhung der Integrationsdichte ermöglichte die Entwicklung moderner Halbleiterbauelemente, wie es Mikroprozessoren sind. Die faszinierenden technischen Möglichkeiten dieser hochintegrierten Schaltungen führten zu einer Popularität weit über den Bereich der Datenverarbeitung hinaus. Für viele Industriezweige war der Einsatz der Mikroprozessoren aber erst nach einem deutlichen Preisrückgang möglich. Zusätzlich konnten in den letzten Jahren auch leistungsfähige periphere integrierte Schaltungen zur Verfügung gestellt werden.

Nicht zuletzt die Entwicklung von Mikrocomputern auf einem Chip war ausschlaggebend für den Einsatz dieser Bauelemente in kostengünstigen "intelligenten" Spielgeräten, Mini-Übersetzern oder neuerdings auch in Skibindungen. Mit Mikroprozessoren lassen sich natürlich auch umfangreiche elektronische Schaltungen aus Einzelelementen, zum Beispiel Gattern, ersetzen. Dabei bietet alleine die Änderung der Software oft die gewünschte Flexibilität und Anpassungsfähigkeit dieser Geräte hin sichtlich spezieller Kundenwünsche. Auch mechanische Steuerungen können rationell und verschleißfrei durch Mikroprozessorsteuerungen realisiert werden. Damit entfallen beim Ersatz einer mechanischen Ablaufsteuerung eine Menge von Hebeln, Federn, Zahnrädern, Nockenscheiben, Rollen, Zahnrollen, Wellen und Motoren. Andererseits muß die elektronische Ablaufsteuerung mit den tatsächlichen Funktionsabläufen synchronisiert werden. Das bedeutet, daß der Zustand einzelner Teilprozesse erkannt werden muß, was in mechanischen Steuerwerken bisher ebenfalls durch komplizierte mechanische Übertragungen bewerkstelligt wurde.

Die Elektronik benötigt dazu spezielle Geber, die dem Mikroprozessor mitteilen, ob eine Position erreicht wurde, ein bestimmtes Material vorhanden ist, die Temperatur angestiegen ist etc. Die Konsequenz daraus ist, daß eine große Anzahl von zusätzlichen Abstandsfühlern, Positionsgebern, Temperaturfühlern oder ganz allgemein Sensoren in derartigen Systemen eingesetzt werden müssen. Diese Sensoren haben die Aufgabe, die verschiedenen zu erfassenden physikalischen Parameter in elektrische Signale umzuwandeln. Nur derartige Signale können vom Mikroprozessor verarbeitet werden.

Mikroprozessor gibt Impulse

Bisherige käufliche Sensoren zeichnen sich durch hohe Präzision, aber auch durch einen hohen Preis aus. Frühere Abnehmer verlangten für die meist in analog anzeigenden Meßgeräten verwendeten Sensoren eine gute Linearität zwischen der Eingangsgröße und dem elektrischen Ausgangssignal. Wegen der oft relativ geringen Stückzahlen, aber auch den speziellen Anforderungen der Kunden waren meist nur halbautomatische Fertigungsmethoden rentabel. Hier gibt der Mikroprozessor bereits andere Impulse. Sein Einsatz insbesondere in der Kraftfahrzeug- und Haushaltsgerätetechnik rechtfertigt sehr hohe Stückzahlen für Druck-, Temperatur-, Durchfluß-, Positions-, Füllstands-, Feuchte- und Gassensoren. Erheblich unterscheiden sich dabei die wirtschaftlich noch vertretbaren Kosten gegenüber den derzeitigen Preisen für Sensoren. Deshalb ist eine Änderung bisheriger Sensorkonzepte notwendig.

Zukünftige Sensoren müssen optimal auf die Anforderungen eines Meßwerterfassungssystemes mit Mikroprozessoren ausgerichtet sein. Eine häufig verwendete Bezeichnung für diese sich abzeichnende Entwicklung ist der "Mikroprozesor-kompatible Sensor" geworden. Diese Sensoren sollen hinsichtlich einer geeigneten Anpassung an den Mikroprozessor ein leicht digitalisierbares Ausgangssignal haben. Damit könnten relativ teure Bauelemente, wie Analog/Digital-Umsetzer und Analog-Multiplexer, zukünftig vermieden werden. Die Meßgrößen werden in Mikrocomputern meist untereinander und mit bestimmten Umrechnungsfunktionen verknüpft. Deshalb genügt es meist, wenn die Sensorkennlinie für verschiedene Stützpunkte bekannt ist. Die übrigen Werte können mittels Interpolation errechnet werden. Nichtlineare Sensorcharakteristiken sind deshalb kein Hindernis und können oft ohne großen Mehraufwand am Speicherplatz verarbeitet werden.

Silizium auch Sensormaterial

Mit welchen Fertigungsmethoden und Materialien sind nun solche kostengünstigen, mit "digitalfreundlichen" Ausgangssignalen und reduzierten Anforderungen ausgelegten Mikroprozessorkompatiblen Sensoren herstellbar? Eine mögliche Antwort findet man wieder in der Halbleiter- oder speziell in der Siliziumtechnologie. Diese ausgereifte Herstellungstechnologie ermöglicht eine kostengünstige Fertigung von Bauelementen mit hohen Stückzahlen. Silizium ist als Sensormaterial auch dann anwendbar, wenn es nur geringe Empfindlichkeiten gegenüber einer physikalischen Meßgröße aufweist. Durch die monolithische Integration eines Verstärkers kann dieser Nachteil leicht ausgeglichen werden. Dies jedenfalls konnte anhand von Magnetfeld-empfindlichen Hall-Generatoren nachgewiesen werden. Zusätzlich können Signalaufbereitungsschaltungen für eine optimale Anpassung an den Mikroprozessor monolithisch mit dem Sensorelement integriert werden. Nicht zuletzt besteht die Möglichkeit, mehrere geeignete Sensorfunktionen auf einem Chip zu realisieren. Diese natürlich nicht für alle Meßbereiche, Sensorfunktionen und Anwendungen zutreffenden Überlegungen haben dennoch zu einer Fülle von Forschungsaktivitäten auf internationaler Ebene geführt. Die derzeit laufenden Entwicklungstätigkeiten für Silizium-Sensoren lassen sich in folgende Schwerpunkte einteilen:

- Gas- und Feuchtesensoren aus Metall-Isolator-Semiconductor (MIS)-Strukturen;

- diverse Sensoren aus Mikro-Mechaniken, aufbauend auf Silizium-, Nitrid- und Oxidfolien in einem Dickenbereich von kleiner als drei tausendstel Millimeter;

- Mikroprozessor-kompatible Sensoren über die Entwicklung geeigneter monolithisch integrierbarer Sensorprinzipien und Oszillatoren ohne externe Schaltelemente;

- Druck-, Kraft-, Temperatur- und Durchflußsensoren auf der Basis von polykristallinem und amorphem Silizium für höhere Temperaturbereiche.

Zusatzinformation:

1974 betrug der Wert der ausgelieferten General Purpose-Computer 10,7 Milliarden Dollar; für 1983 prognostiziert IDC einen Wert von 20,8 Milliarden Dollar. Für die Small Business-Computer lauten die gleichen Zahlen: 200 Millionen Dollar und 3,85 Milliarden Dollar; die Entwicklung bei den Minicomputern geht von 940 Millionen auf 10,3 Milliarden Dollar.

Noch ein Marktrisiko

Bereits jetzt sind einige Auswirkungen auf den Sensormarkt zu verzeichnen. Drucksensoren, die vor Jahren noch in der Preislage von 300 bis 1000 Mark erhältlich waren, werden in diesem Jahr schon für unter 100 Mark angeboten. Die Bereitstellung von Siliziumdrucksensoren mit Spezifikationen für Automobilanwendungen wird von amerikanischen Herstellern für das nächste bis übernächste Jahr prognostiziert. Der genannte Verkaufspreis von zwei Dollar unterbietet demnach den derzeitigen Preis um den Faktor 30. Damit bahnt sich auch bei Sensoren eine Entwicklung an, die bei elektronischen Bauelementen ohnehin nicht unbekannt ist. Auch die Herstellung monolithisch integrierter Sensoren für einige physikalische Größen stellt heute keinesfalls mehr ein technisches Problem dar. Nur wird derzeit das Risiko als zu hoch eingeschätzt, derartige Sensoren auf den Markt zu bringen, bevor sich die Hauptabnehmer, wie Automobilhersteller, deren Zulieferfirmen und Haushaltsgerätehersteller, nicht auf Standardprodukte geeinigt haben. Grünes Licht für mikroprozessorkompatible Sensoren kann es daher erst geben, wenn die Systemüberlegungen der Anwender abgeschlossen sind.

*Dr. Herbert Reichl, Institut für Festkörpertechnologie Fraunhofer-Gesellschaft, München