1700 Teilnehmer auf dem achten Weltkongress der Personaler

Silicon Valley ist nicht unbedingt nachahmenswert

23.06.2000
PARIS (hk) - Den Personalern brennen drei Probleme auf den Nägeln, wie der achte HR- (Human-Resource-)Weltkongress zeigte: das dringend gebrauchte Know-how im Unternehmen zu halten, eine zufriedenstellende Entlohnung bei wachsendem Wunsch nach Aktienoptionen und leistungsstärkeren Vergütungskomponenten sowie generell der fehlende qualifizierte Nachwuchs.

Es war schon beeindruckend, was die World Federation of Personnel Management (WFPMA) bei ihrem achten Welttreffen im Pariser Kongresszentrum auf die Beine stellte: 1700 Teilnehmer aus 60 Ländern, 150 Referenten aus 22 Ländern, 200 Aussteller und eine Menge - zumindest von den Funktionen her - hochkarätiger Referenten. Allerdings und das war auffallend: an den Podiumsdiskussionen war kein einziger Vertreter der New Economy anwesend, keine Internet-Startup, kein Gründer. Gut vertreten waren dagegen Global Player wie IBM, Dienstleister wie Accor, Manpower und DHL, der Automobilbauer Fiat oder der weltgrößte Baustoffhersteller Lafarge. Ganz fehlten die jungen Firmen nicht. Vor allem die Online-Jobbörsen bemühten sich um die Aufmerksamkeit der Personaler. In dieser Sparte reichte das Spektrum von jungen europäischen Firmen, die jetzt weltweit aktiv werden, bis zu amerikanischen Riesen wie Monster und Carriermosaic, die nun in Europa Fuß fassen wollen.

Für Abwechslung sorgten vor allem die nichtfirmengebundenen Referenten, also Berater und Wissenschaftler. Die Topmanager der Konzerne gingen eher behutsam miteinander um. Keiner wollte dem anderen weh tun, und kritische oder gar selbstkritische Töne liessen sich die Bosse der großen Konzerne sowieso nicht entlocken - mussten sie auch nicht, da die Moderatoren sehr zahm agierten: keine unangenehme Nachfragerei, keine Provokationen - alles schön harmonisch.

Wer indes genau hinhörte, wusste schnell, wo die Unternehmen der Schuh drückt. So hatte Robert Greene, Consultant bei der US-amerikanischen Beratungsfirma Reward System Inc., die Lacher auf seiner Seite, als er erzählte, dass im Silicon Valley im Moment die Brauereigaststätten und die BMW-, Porsche und Mercedes-Händler vom Internet-Boom am meisten profitieren: "Die ausgelaugten Programmierer der verschiedenen Startups treffen sich abends bei frischgezapftem Bier - und weg ist das Wissen, das eigentlich im Unternehmen bleiben sollte", so der Berater. Dass auch die Autoverkäufer Hochkonjunktur haben, verwundere insofern nicht, als viele der jungen Unternehmer ihre Aktienoptionen sobald als möglich versilberten.

Das Know-how im Unternehmen zu halten, wird wohl auch in den nächsten Jahren wichtiger Tagesordnungspunkt solcher Personalkonferenzen sein. Bei der Umsetzung tun sich alle schwer. Hier bekamen auch die Personaler ihr Fett weg: Sie sollten sich stärker in Fragen des Wissens-Managements und der Organisation einmischen. Greene vertrat die Meinung, dass die ganzen Management-Wellen der letzten Jahre wie Downsizing und Reengineering dazu geführt haben, dass der Druck auf die Mitarbeiter ständig erhöht wurde. Durch die permanente Forderung nach Effizienzsteigerung sei es heute so weit gekommen, "dass eine Stunde Plausch unter Kollegen undenkbar geworden ist". Greenes einleuchtende Schlussfolgerung: "Das Wissen geht verloren, weil keiner noch etwas erzählt." Er sieht es sogar als größte Herausforderung für die Unternehmen, das Know-how der Beschäftigten zu sammeln und damit etwas anzufangen. Anthony Giddens, Direktor der London School of Economics and Political Science, ist überzeugt, dass Wissen noch einen ganz anderen, nämlich einen gewaltig höheren Stellenwert bekommen wird als man sich heute denken kann. So will er seine begehrten Studenten einfach versteigern lassen. "Warum nicht?" fragt er keck. "Die Firmen sollen richtig bezahlen für wertvolles Know-how". Auch einige Tempel der Wissensvermittlung würden noch ihr blaues Wunder erleben, prophezeit der streitbare Professor: "Die Studenten werden sich weltweit die besten Hochschulen aussuchen". Wer es schaffe, auf der Homepage ein attraktives Angebot zu präsentieren, habe schon halb gewonnen.

Den gutausgebildeten Absolventen scheinen rosige Zeiten bevorzustehen, denn Podiumsteilnehmer kamen immer wieder auf den Mangel an qualifizierten Mitarbeitern zu sprechen. Manpower-President und Chief Executive Officer (CEO) Jeffrey Joerres meinte gar, dass "die Jagd nach Talenten zur Überlebensfrage von Unternehmen" wird. Diese ließen sich nur durch ein attraktives Weiterbildungsangebot halten.

Intranet hilft bei der KarriereplanungAuch IBMs Europa-Personalchef Frederico Castellanos hat sich auf einen verschärften Wettbewerb um die besten Köpfe eingestellt. Er setzt - wie könnte es anders sein - auf die Technik, die ihm bei der Rekrutierung und vor allem der Personalentwicklung, also dem Halten von Mitarbeitern, helfen soll. So hat der Computerriese mit HR-Acces ein Programm entwickelt, das sowohl den Personaler bei seiner Arbeit unterstützt als auch dem Beschäftigten hilft, im Unternehmen Karriere zu machen. Castellanos nennt das Transparenz und Planung. Alle firmeneigenen Stellen sind im Intranet ausgeschrieben mit der Jobbeschreibung und den gewünschten Fähigkeiten. Mitarbeiter sollen somit schnell und unbürokratisch die Möglichkeit bekommen, sich weltweit innerhalb des Konzerns zu bewerben - ein Argument, um sie bei der Stange zu halten. Wer sich auf eine bestimmte Position bewirbt, erfährt elektronisch, welche Fähigkeiten und Kenntnisse er mitbringen muss, und kann sie mit seinen abgleichen. Zusätzlich erhält er Seminarempfehlungen, um die gewünschte Karrierestufe zu erreichen.

Wenn es darum geht, Mitarbeiter zu binden, fallen immer wieder die Stichworte Beteiligung am Unternehmen und Aktienoptionen. Hier beginnen einige Firmen aus dem Silicon Valley bereits zurückzurudern. Gehaltsberater Greene weiß von börsennotierten Startups, die ihre besten Mitarbeiter verloren haben, weil der Aktienkurs in den Keller rutschte. Manpower-Chef Joerres merkt kritisch an, dass die Silicon-Valley-Firmen in der Regel niedrige Gehälter zahlen und viele Stock options bieten. Besser sei "eine Balance zwischen festen und variablen Anteilen". Auch Wissenschaftler Giddens beobachtet argwöhnisch die Entwicklung an der Börse, die "nicht immer produktiv" sei. Er bevorzugt eher Prämien, Incentives und Gewinnbeteiligungen, um Mitarbeiter an den Betrieb zu binden. Sein Credo: "Wer gute Leute halten will, gibt nicht mehr Geld, sondern mehr Verantwortung und interessante Aufgaben." Topmitarbeiter seien wie Popstars oder Spitzenfußballer, die man hegen und pflegen müsse. Greene wies noch auf einen wunden Punkt hin und forderte von den Unternehmen mehr Mut bei der leistungsorientierten Entlohnung, also größere Unterschiede in der Bezahlung der einzelnen Beschäftigten.

Nur individuelle Leistung wird honoriertEs wirke auf die guten Mitarbeiter nicht besonders motivierend, wenn Spitzenkräfte eine Erhöhung um vier Prozent erhielten und der Rest der Mitarbeiter drei Prozent. Ungeklärt sei die Frage, wie Mitarbeiter zu bewerten sind, die einen wichtigen Beitrag für das Unternehmen bringen, sich darum Bemühen, ihr Wissen der Firma zur Verfügung zustellen. "Bisher wird nur die individuelle Leistung belohnt", kritisiert der Berater.

Was auf so einem Kongress natürlich nie fehlt, ist die Versicherung, dass die Bedeutung der Personalverantwortlichen in den nächsten Jahren steigen wird. Manpower-CEO Joerres bemühte einen Vergleich mit der IT-Abteilung: Auch sie galt jahrelang als Kostenfaktor und habe sich nun "zu einem strategischen Element gemausert". Und genau das müssten die Personaler ebenfalls anstreben.