ArbeitsmarktBei Cisco werden alle Mitarbeiter aufgefordert, zu Hause zu arbeiten

Silicon Valley: Dorado für Leute mit guten Ideen und viel Geld

10.10.1997

Während die Köpfe deutscher Politiker rauchen, um die hohe Arbeitslosenquote in den Griff zu bekommen, kämpfen kalifornische Arbeitgeber darum, jeden guten Mitarbeiter für sich zu gewinnen. Mit einer Arbeitslosenquote von vier Prozent ist es zu einem vorrangigen Problem für die schnell wachsenden Computerfirmen geworden, neue, gut ausgebildete Arbeitskräfte zu werben und zu halten. Gerade kürzlich suchte der Netzwerkanbieter Cisco Systems im "San Jose Mercury" per Stellenanzeige 1000 neue Mitarbeiter.

Die Gebäude des Unternehmens können dem Wachstum nicht mehr standhalten - jedes zukünftige Büro der zwei im Rohbau befindlichen Komplexe ist bereits mit einem Namensschild versehen. Gleichzeitig werden alle Mitarbeiter regelmäßig aufgefordert, Telearbeit zu betreiben.

Noch Ende des vergangenen Jahrzehnts sah die Situation in der Bay Area um San Franzisko und San Jose ganz anders aus: Mit dem kalten Krieg starb die Verteidigungsindustrie - eine über Jahrzehnte unerschöpfliche Geldquelle für die Region -, Computerunternehmen warfen sich im Konkurrenzkampf mit Japan gegenseitig aus dem Rennen.

Warum läßt sich im Silicon Valley das Blatt so schnell wenden? Weltweit schauen Unternehmen auf dieses Beispiel und versuchen, das wunderbare Wachstum zu wiederholen. Um die Spielregeln und Zusammenhänge des Silicon Valley zu verstehen, muß man jedoch etwas weiter in die Vergangenheit schauen.

Innerhalb eines Monats läuft eine Firma

Wie eine Studie der John Hopkins University ermittelte, legte bereits der Vater dieses High-Tech-Tals, Frederick Terman, 1951 den Grundstein für den heutigen Erfolg. Er gründete den Stanford Business Park und führte damit die unterschiedlichen Denkweisen und Absichten von Industrie und Universitäten zusammen. Noch heute befinden sich Unternehmen wie Hewlett-Packard oder Lockheed auf diesem Gelände, und die zahlreichen Universitäten und Colleges werden als Forschungsstätte beziehungsweise Ausbildungs- und Wissensschmieden genutzt.

Entscheidend war jedoch, daß ein Sinn für Gemeinschaft entstanden ist, dank dem nicht nur Unternehmen und Forschungsinstitute Hand in Hand arbeiteten, sondern ebenso die Firmen des Silicon Valley untereinander.

Ein ebenso entscheidender Faktor für das Wohlbefinden der Region ist dessen Finanzkraft. Gill Cogan, Managing Partner von Weiss, Peck & Greer Venture Partners, einem der größten Investment-Unternehmen der USA, beobachtet das Auf und Ab der Region bereits seit Jahrzehnten.

Er zieht eine Parallele zwischen der Wirtschaft und den Investitionen seines Unternehmens: "Anfang der 80er Jahre wurden Unmengen von Geldern in neue Computerunternehmen gepumpt, ohne auf die wachsende Konkurrenz zu achten."

Folge war, daß immer weniger junge Firmen überleben konnten. Erst Ende des vergangenen Jahrzehnts wurden die Investitionen in Neugründungen so verteilt, daß die jungen Firmen die Gemeinschaft im Silicon Valleys nutzen konnten, so Cogan. Nach seiner Ansicht ist die Region einzigartig: "Wir verfügen über eine Vielfalt technischen Wissens und eine hervorragende Infrastruktur, so daß sich innerhalb eines Monats ein Unternehmen gründen läßt - komplett mit Inventar, Mitarbeitern, DV-System, Finanz- und Rechtsbeistand."

Auch Cogan ist der Meinung, daß die Gemeinschaft eine besondere Rolle spielt: Er bezeichnet Silicon Valley als ein "Very-high-Energy-System", in dem viele hochkarätige Menschen aus Forschung und Wirtschaft zusammenkommen und bereit sind, ihr Wissen zu teilen - eine unübliche Maßnahme, besonders in Anbetracht der hohen Konzentration von Unternehmen, die in der gleichen Branche tätig sind.

Nach Cogans Meinung ist dieser Boom erst am Anfang: "Die Informationstechnologie beginnt erst zu wachsen. Der große Markt dafür - zum Beispiel Haushaltsgeräte oder Fahrzeuge - ist noch relativ unberührt." Tatsächlich scheinen die Investitionen in DV-Unternehmen unentwegt zuzunehmen: Wie die Risikokapital-Gesellschaft Venture 1 belegt, hat sich das Investitionsvolumen für Neugründungen in den Bereichen Software und Informationsservices seit 1993 um das Vierfache und im Bereich Kommunikation und Netzwerke um das Dreifache erhöht. Andere Branchen blieben hingegen nahezu stabil.

Schlechte Luft und viele Mülldeponien

Für Leute mit neuen Ideen ist die Gegend ein Eldorado. Jeff Hyman, ein Veteran der Firma Intuit, nutzt die Tatsache, daß es seit 17 Jahren schwierig ist, Manager in der Region zu finden. Er hat in Palo Alto die Firma MBA Central gegründet, die alleine auf Basis von E-Mail Manager mit MBA-Grad oder MBA-Studenten an die nach guten Führungskräften suchenden Firmen vermittelt. Besonders junge Unternehmen nutzen diesen Service, so Hyman, denn herkömmliche Bewerbungs- und Auswahlverfahren wären ihnen viel zu teuer.

Das rasende Wachstum hat jedoch einige Schattenseiten. Der Verkehr im Silicon Valley verdichtet sich zusehends. Die Autoschlangen ziehen sich bis über die Bergkette nach Santa Cruz und sogar in die kargen Grashügel im Nordosten der Bay Area. Wohnungen sind knapp, und viele Mitarbeiter zieht es in ruhigere Gegenden mit besserer Luft. Die Region verfügt mittlerweile über die höchste Anhäufung gefährlicher Mülldeponien in den USA. Trichlorethylen beziehungsweise Trichlorethan haben das Trinkwasser in der gesamten Gegend verseucht. Computer zählen nach wie vor zu den größten Stromschluckern und geben zudem bei der Entsorgung giftige Schwermetalle ab.

Angeklickt

Das High-Tech-Eldorado Silicon Valley findet ständig neue Nachahmer, aber in keiner Gegend der Welt hat sich diese fruchtbare Zusammenarbeit aus Hochschulen, Unternehmen und Finanzleuten so gut etablieren können wie an Amerikas Westküste. Experten meinen, daß vor allem der Gemeinschaftssinn ein Rezept für den Erfolg dieser Region ist. Wobei damit nicht nur die Verbindung der Firmen zu den Unis, sondern auch der Betriebe untereinander gemeint ist. Allerdings zeigt das rasante Wachstum von neugegründeten Unternehmen auch seine Schattenseiten. Nirgendwo sonst in den USA soll es so viele Mülldeponien geben wie im Silicon Valley.

*Peter Matthies ist freier Journalist in Carmel, Kalifornien.