Finanzielle Spritze kommt zur rechten Zeit

Silicon Graphics kauft die angeschlagene Mips Computer

20.03.1992

CW-Bericht, Jan-Bernd Meyer

HANNOVER - Die Bombe ist geplatzt: Silicon Graphics hat wochenlange Verhandlungen mit der finanziell angeschlagenen Mips Computer Inc. mit einer Merger-Vereinbarung abgeschlossen, die dem Aufkauf des ACE-RISC-Hardwarelieferanten gleichkommt.

Mips-Anleger erhalten für jede der 25 Millionen Anteile 0,61 Aktien von Silicon, was sich in dem gemeinsamen Unternehmen zu einem 23,5 prozentigen Aktien-Anteil summiert. Die von den Boards of Directors beider Unternehmen bereits abgesegnete Aktientransaktion soll voraussichtlich Ende Juni 1992 abgeschlossen sein. Branchen-Insider gehen davon aus, daß weder von Aktionären noch von amerikanischer Regierungsseite eingebrachte Einwände den Aufkauf zu Fall bringen werden.

Selbst unbeteiligte Zuschauer mußten bei der Demontage des ACE-Prozessorlieferanten Mips langsam Mitleid entwickeln: Nachdem ACE-Gründungsmitglied DEC mit gespaltener Zunge sprach, ACE-Mitglied Bull sich in die vermeintlich starken Arme von Big Blue warf und Äußerungen von Olivettis Top-Manager Elserino Piol die italienische Benedetti-Company auch als unsicheren ACE-Kantonisten erscheinen lassen, kam das Aus für Mips als eigenständiges Unternehmen nicht Überraschend.

Schon seit längerem kursierten in der Branche Gerüchte darüber, daß Mips-Aktieneigner Digital Equipment Corp. Interesse an einer Übernahme der RISC-Company habe. In Gesprächen mit der COMPUTERWOCHE auf der CeBIT 92 hatten sich schon vor Bekanntwerden des Aufkaufs sowohl Werner Brockhagen, Vorstandsvorsitzender der Bull AG, als auch Scott McNealy, President von Sun Microsystems Inc" als verbale Totengräber für den Lieferanten der ARC-Plattform (Advanced RISC Computing) der ACE-Initiative betätigt. Brockhagen führte Erhellendes über die marode finanzielle Situation von Mips an: "Wir haben für unser RISC-Engagement jemanden gesucht, der finanziell stabil ist. Mips kam da nicht in Frage." Auf die Nachfrage, wie er denn die Zukunft von Mips sehe, erschöpfte er sich in der sarkastischen Aussicht: "Die werden nicht überleben."

Mit dieser Ansicht stand der Top-Manager der Bull AG nicht allein: McNealy, konfrontiert mit dem Bull-Requiem auf Mips, und gefragt, ob er die Lebenserwartung seines Konkurrenten auf dem RISC-Markt ähnlich beurteile, faßte sich kurz: "Ja."

Die Mips-Mannschaft habe in der Vergangenheit den Fehler gemacht, nicht klar zu sagen, was sie eigentlich wolle. Anstatt sich darauf zu beschränken, eine Prozessortechnologie zu lizenzieren, habe Mips dann auch noch den Ehrgeiz entwickelt, als Systemlieferant aufzutreten.

Der in Kalifornien ausgehandelte Deal wird auf etwa 334 Millionen Dollar geschätzt. Zumindest an der Wallstreet zeigten sich Börsianer nicht gerade begeistert von dem Schulterschluß: Als bekannt wurde, daß Silicon die RISC-Company, die in dreien der vergangenen fünf Quartale mit Verlusten zu kämpfen hatte, übernehmen werde, fiel der Kurs des Grafikspezialisten aus Mountain View um 18 Prozent. Mips-Aktien kletterten hingegen von 11 auf 13,5 Dollar.

Besinnung auf die ursprünglichen Mips-Stärken

Für Robert C. Miller, CEO von Mips, kommt die finanzielle Spritze zur rechten Zeit. Seine Ingenieure verbrauchen für Forschung und Entwicklung 20 Prozent des Gesamtumsatzes, acht Prozent mehr als branchenüblich. Miller stellte denn auch fest, der Zusammenschluß sei für Mips Computer notwendig gewesen, um weiterhin bei der Chip-Entwicklung mithalten zu können.

Trotzdem sind Zweifel angebracht, ob mit Silicon Graphics der bestmögliche Partner gewählt wurde: Erst vor kurzem hatten die Kalifornier ein vergangenes Jahr mit Compaq geschlossenes Abkommen wieder aufgekündigt, das ihnen Hilfen in zweistelliger Millionenhöhe für die finanzielle Absicherung ihrer Entwicklungsaktivitäten sicherte. Unter anderem wegen der Aufkündigung dieser Zusammenarbeit waren Zweifel am Zusammenhalt innerhalb der ACE-Konsortiums aufgekommen.

Matthias Ehrlich, Marketing-Leiter der Silicon Graphics GmbH, wehrte jetzt vorsorglich gegenüber der COMPUTERWOCHE Bedenken ab, innerhalb des ACE-Komitecs könne es wegen des Aufkaufs zu erheblichen atmosphärischen Störungen kommen. Die waren von dem Zusammenschluß alle sehr angetan."

Daß dem Spezialisten für den Nischenmarkt hochpotenter Visual-Processing-Computersysteme und Software für dreidimensionale Grafik und Echtzeit-Bewegungen unbillige Technologievorteile aus dem Zusammenschluß mit Mips entstehen könnten, versuchte Ehrlich mit einem einleuchtenden Argument abzuschwächen: "Den Vorteil haben wir bereits früher gehabt, weil wir schon immer - unter anderem bei der Multiprozessor-Unterstützung - eng mit Mips zusammengearbeitet haben."

In das neue Unternehmen wird die Mips Computer Systems Inc. als Subunternehmen unter dem Namen Mips Technologies Inc. eingehen, dem Miller vorstehen wird. Miller wird zudem einen der drei für Mips-Manager geschaffenen neuen Stühle im Board of Directors bei Silicon Graphics einnehmen. Aus Fehlern der Vergangenheit hat der Workstation-Hersteller gelernt: Mips Technologies wird sich Silicon-CEO Edward McCracken zufolge in Zukunft ausschließlich auf die Entwicklung der RISC-CPU-Technologie konzentrieren.