SieNix: Geld bringt keine Ideen

19.01.1990

"Wir galten als Konkurrent Nummer eins der IBM."

Konrad Zuse in seinen Memoiren über den deutschen Computermarkt in den fünfziger Jahren. Die Zuse KG ging später in der Siemens AG auf.

"Wir stehen in einem tödlichen Abwehrkampf gegen die IBM mit ihren kleinen Systemen."

Heinz Nixdorf

COMPUTERWOCHE vom 7. November 1975

"Die Zeichen stehen nicht günstig - weder für Siemens noch für Nixdorf. Warum versuchen es beide nicht gemeinsam?"

Aus der CW-Kolumne vom 12. Dezember 1980

Dies vorweg: Siemens ist ein seriöser Laden. Und: Kein Grund zur Freude, was Nixdorf betrifft. Nur: Die Notwendigkeit der Fusion dokumentiert, daß es eine lebendige deutsche DV-Industrie de facto nicht mehr gibt.

Der Schein trügt, mit der Verbindung von Siemens-DI und Nixdorf entstünde ein europäischer DV-Gigant. Stark sind die Münchner und die Paderborner nur im heimischen Markt, Siemens mit DV-Relikten (BS2000) aus der Alt-Mainframe-Zeit im Geld-spielt-keine-Rolle-Markt, bei Behörden und Buy-german-Anwendern also, Nixdorf mit proprietärer Bürocomputer-Architektur (8870) beim Mittelstand - in einer Defensiv-Position gegenüber der IBM alle beide. Und wer mit Zahlen hantiert, die die eigentliche Firma Siemens, den Elektrokonzern mit Weltgeltung, in die Rechnung einbeziehen, der will den Anwendern Scheuklappen verpassen. Man stelle sich vor, Exxon hätte Nixdorf gekauft.

Gewiß ist die "SieNix"-Gründung unter nationalen Aspekten sinnvoll. Sie schafft klare Fronten (gemeinsames Feindbild "IBM"). Das Thema "Siemens/Nixdorf" ist in der CW schon vor zehn Jahren angesprochen worden. Vielleicht kommt die Hauruck-Aktion zu spät. Geld bringt ja keine Ideen. Und Vorsicht vor Augenwischerei. Die Zusammenlegung allein bedeutet noch gar nichts. Ob Marketing mit Elan folgen wird, ist zunächst völlig offen. Wo ist denn das klare Konzept. Von wem kommen die Impulse? Warum wurde in bezug auf den Unternehmensverbund eine Entscheidung gefällt (Einbringung der Siemens-DV in die Nixdorf AG), die der Spekulation über einen Ausstieg der Siemens AG aus dem Computergeschäft neue Nahrung gibt? Vor allem: Wie kann das Vertrauen der Kunden gewonnen werden?

Tatsache ist: Es gibt einen Anbieter weniger. Und die Siemens-DV hat es im Konzernschoß nie geschafft, ein eigenes Profil zu gewinnen. Das neue Unternehmen startet beim Nullpunkt. Autorität muß rein, ein ordnender Geist, der die Bindung der Mitarbeiter und der Kunden zu dem neuen Unternehmen herstellt. Welche "Köpfe" können dafür aufgeboten werden? Lauter offene Fragen. Und ein Siemens-Management, das vorerst keine Antworten gibt. Die Verrenkungen bei der Ankündigung lassen nichts Gutes erwarten.