IBM-Anwender werden über den Preis bestraft, Kunde des Marktführers zu sein:

Siemens zieht in der 3380-Welt weiter mit

31.05.1985

MÜNCHEN (ru) - Die Siemens AG wird nun auch die neuen Versionen des Magnet-plattenspetchers IBM 3380 vermarkten. Allerdings darf der Münchener Konzern die im Februar angekündigten Modelle nicht mehr an IBM-Anwender verkaufen, sondern nur noch an eigene Kunden mit IBM-kompatiblen 7.800-Systemen von Fujitsu oder an User anderer PCM-Mainframes.

Spekulationen hatte es viele seit dem IBM-Announcement für die jüngsten 3380-Einheiten gegeben, ob und in welcher Form Siemens weiter mit Big Blue Händchen halten wird. Mit der Einigung über den Vertrieb der D- wie auch der E-Einheit (Double Density) durch die Münchner haben beide Unternehmen noch einmal die schon oft beschworene Langfristigkeit des OEM-Vertrages unterstrichen.

Das Anfang Februar vergangenen Jahres zwischen der deutschen IBM-Tochter in Stuttgart und Siemens geschlossene Abkommen über den Vertrieb der 3380-Speicher hatte nicht gerade auf allen Seiten eitel Freude ausgelöst. Verärgert reagierten Vertriebsbeauftragte des Marktführers, weil ihre Siemens-Kollegen auch ungeniert bei IBM-Usern akquirieren durften.

Den richtigen Zündstoff gab dieser Wettbewerbssituation noch die Preiskalkulation. Während sich die IBM-Verkäufer weitgehend an den Listenpreis halten mußten, brachten die Verkaufskanonen aus der bayerischen Landeshauptstadt die IBM-Speicher mit Preisnachlässen von bis zu 20 Prozent an den Kunden. Wegen dieses Tiefschlags für die eige-nen Mannen machte, so Insider, auch der Betriebsrat der IBM mobil. Reaktion: Das Management Arbeitete einen Incentive-Plan aus der einem Großkundenbetreuer auch dann die Punkte sicherte, wenn Siemens ein 3380-System in dessen Bereich installierte.

Um erneuten Querelen, vorzubeugen überarbeiteten die beiden Kon-zerne wohl jetzt Formulierungen ihres Abkommens. Nach wie vor aber werden Kunden des Hauses Siemens preisgünstiger bedient als die des Stuttgarter Konzerns. So bietet das deutsche Renommierunternehmen das Gerät 15 Prozent unter dem IBM-Preis an, der Controller ist gar 20 Prozent günstiger.

Zusätzlich gelten Mengenrabattstaffeln, die mit denen des Branchenprimus identisch sind. Neu geregelt ist, daß reine IBMAnwender sich nicht mehr bei Siemens mit den verbilligten Speichern eindecken dürfen. Sie müssen künftig mit den Wölfen heulen und artig beim Marktführer ordern. Es verwundert daher kaum das Meinungskonzert der Anwender: "Die vorherige Regelung war uns lieber."

Siemens gibt die 3380-Speicher nur frei für einen Anschluß an eine 7.800-Zentraleinheit und/oder an die Zentraleinheit eines anderen PCM-Herstellers. Eine kleine Ausnahme besteht jedoch: Greift ein Siemens-Mainframe auch gleichzeitig auf einen Plattenspeicher für eine IBM-Einheit zu, darf der User sich ebenfalls des Siemens-Angebotes bedienen. Ebenfalls werden 3380-Platten auch für das Spektrum der 7.500 Serie offeriert, jedoch in Verbindung mit einem selbstentwickelten Controller.

Ursprünglich habe man in der Vergangenheit auch keine 3380-Stationen an 100prozentige IBM-Anwender abgeben wollen, dies jedoch nur getan, wenn der Kunde über kurz oder lang auf Siemens-Zentraleinheiten umzusteigen beabsichtigte, lautet die Redewendung des Konzerns an der Isar. Die nunmehr restriktivere Handhabung des Platten-Vertriebes sei aber nicht auf Druck der IBM zustande gekommen, sondern "Siemens habe sich entschieden, daß man dieses nicht mehr will".

Ihre Trennung von den IBM-Anwendern versucht Siemens auch gegenüber den Brokern zu unterstreichen: "Bei Siemens einkaufen und dann an Kunden des Marktführers weitergeben - dies geht nicht mehr".