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Siemens will schneller werden

27.06.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nach dem Verkauf der Handy-Sparte drückt Siemens-Chef Klaus Kleinfeld bei den übrigen Sparten aufs Tempo. "Wir müssen schneller werden", kündigte er in einem Gespräch mit dem "Spiegel" an. "Schneller die Zukunft sehen, schneller Patente anmelden, schneller auf Kundenwünsche eingehen." Von den 13 Bereichen des Konzerns seien zwei - der IT-Dienstleister SBS und Communications - weit von den Vorgaben entfernt. "Dort ist wie bei allen anderen die Innovationskraft der Schlüssel", sagte er.

Bereits jetzt gebe Siemens allein fünf Milliarden Euro jährlich für Forschung und Entwicklung aus. 45.000 Mitarbeiter arbeiten in diesem Bereich. "Den 'Krieg' gewinnen Sie mit Ideen, nicht mit Sparmaßnahmen", sagte Kleinfeld. Der Nachfolger Heinrich von Pierers hatte es sich zum Ziel gesetzt, in den nächsten 18 bis 24 Monaten alle Unternehmensteile auf Kurs zu bringen. Sieben der 13 Bereiche erfüllen die Renditevorgaben bereits, vier seien auf einem guten Weg, sagte er.

Kritisch äußerte sich Kleinfeld über die Drohung der IG Metall, in der Handysparte wieder zur 35-Stunden-Woche zurückzukehren. Diese Diskussion sei nicht im Sinne des örtlichen Betriebsrats und der Belegschaft. Nach dem Verkauf des Handygeschäfts BenQ fürchtet die IG Metall um die Sicherheit der Arbeitsplätze in Deutschland. Im vergangenen Jahr hatten sich die Arbeitnehmer in den Werken Kamp-Lintfort und Bocholt auf längere Arbeitszeiten bei gleichem Lohn eingelassen. Siemens gab im Gegenzug eine Jobgarantie bis Mitte 2006. Die IG Metall droht nun mit der Kündigung dieses Zusatztarifvertrags.

Siemens will nach dem Verkauf der defizitären Handysparte an seiner Festnetzsparte festhalten und sich nicht - wie vielfach spekuliert - auch von diesem Segment trennen. "Wir sehen im Festnetz erhebliche Innovationspotenziale und eine enge Verbindung mit unserem Infrastrukturgeschäft", sagte Siemens-Vorstand Thomas Ganswindt dem "Tagesspiegel". "Dieser Bereich gehört zu unserem Kerngeschäft. Wir wollen uns nicht davon trennen." Er kündigte weitere Investitionen in diesem Bereich an.

Ganswindt verantwortet im Vorstand den Bereich Communications, zu dem neben dem Infrastrukturgeschäft (Technik für Mobilfunk- und Festnetze) auch die Produktion schnurloser Festnetztelefone in Bocholt und Handys in Kamp-Lintfort zählt.

Zu dem Werk in Bocholt, wo derzeit unter anderem Schnurlostelefone produziert werden, sagte Ganswindt: "Dort werden wir zukünftig stärker auch andere Endgeräte produzieren." Als Beispiel nannte er verschiedene Geräte für den Zugang ins Internet. "Telefonieren und Fernsehen über das Internet - das sind große Wachstumsfelder, in die wir investieren."

Unter den Zulieferern der Siemens-Handyproduktion gibt es laut "Financial Times Deutschland" nach der Übernahme der Sparte durch BenQ ein erstes Opfer. Die taiwanische Lite-On Technology Corporation, zu deren größten Kunden Siemens zählt, stelle ihre Produktion für Mobiltelefone ein, schreibt die Zeitung.

Eine Siemens-Sprecherin bestätigte der "FTD", dass der Konzern gemeinsam mit BenQ bestehende Zulieferverträge prüfe. Details wollte sie angesichts der Vielzahl der Zulieferer jedoch nicht nennen. Sie dementierte aber einen Zusammenhang mit der angekündigten Werksschließung von Lite-On.

Weitere Verlierer könnten nach Einschätzung von Analysten Infineon, die US-Firma Flextronics sowie der deutsche Gehäusebauer Balda sein. Diese hätten bisher keine Verträge mit BenQ, heißt es weiter. Nach dem Willen von BenQ soll die Siemens-Handyproduktion bereits 2006 wieder Profit erwirtschaften. Dazu muss die Produktion erheblich gestrafft werden und zwischen den Siemens- und BenQ-Werken neu aufgeteilt werden. (dpa/tc)