Schmiergeldaffäre

Siemens will Schadenersatz von Pierer und anderen Ex-Vorständen

29.07.2008
Siemens will im milliardenschweren Schmiergeldskandal Schadenersatz vom früheren Vorstandschef Heinrich von Pierer und weiteren ehemaligen Top-Managern verlangen.

Das beschloss der Aufsichtsrat am Dienstag, wie die Siemens AG in München mitteilte. Die Forderungen sind nicht beziffert. Sie richten sich neben Pierer auch gegen seinen Nachfolger Klaus Kleinfeld sowie weitere Mitglieder des einstigen Zentralvorstandes. Der Vorwurf lautet: Verletzung der Organisations- und Aufsichtspflichten im Zusammenhang mit Bestechungszahlungen und schwarzen Kassen in den Jahren 2003 bis 2006, die Siemens finanziell belastet hätten.

Damit könnten auch Schadenersatzklagen auf die Ex-Vorstände zukommen. Zunächst sollen die Betroffenen aber zu den Vorwürfen Stellung nehmen können. Neben Pierer und Kleinfeld gehören dazu auch die früheren Zentralvorstände Johannes Feldmayer, Thomas Ganswindt, Edward Krubasik, Rudi Lamprecht, Heinz-Joachim Neubürger, Jürgen Radomski, Uriel Sharef und Klaus Wucherer. Hinzu kommen Schadenersatzforderungen gegen die beiden Ex-Zentralvorstände Feldmayer und Günter Wilhelm im Zusammenhang mit der Affäre um verdeckte Zahlungen an die Arbeitnehmerorganisation AUB. "Die Geltendmachung von Ansprüchen ergibt sich auch aus der Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber ihren Eigentümern", hieß es.

In Zeitungsberichten war zuletzt spekuliert worden, dass auf die einstigen Top-Manager jeweils Millionen-Forderungen zukommen könnten. Die "Süddeutsche Zeitung" (Mittwochausgabe) schreibt von der Möglichkeit "horrender" Beträge und beziffert den möglich Anspruch im Fall der AUB mit bis zu 20 Millionen Euro.

Ohnehin gelten die Regressforderungen gegen die früheren Top-Manager als beispiellos in der deutschen Wirtschaftsgeschichte. In Unternehmenskreisen hieß es am Dienstag, um mögliche Interessenskonflikte zu vermeiden, seien auch etwaige Beraterverträge mit den Betroffenen gekündigt worden. Außerdem sollen sie keine Leistungen mehr von dem Unternehmen erhalten. Dabei könnte es sich beispielsweise um Dienstwagen oder Büros handeln.

Insgesamt geht es im bisher größten deutschen Schmiergeldskandal um dubiose Zahlungen von 1,3 Milliarden Euro, die vermutlich zur Erlangung von Aufträgen im Ausland eingesetzt wurden. Am Vortag hatte das Landgericht München I einen früheren Manager der Siemens-Festnetzsparte ICN wegen Untreue in 49 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren sowie 108.000 Euro Geldstrafe rechtskräftig verurteilt. Mittlerweile ist im Siemens-Komplex von rund 300 Beschuldigten die Rede, dazu gehören auch Ganswindt, Neubürger und Sharef. Parallel wird gegen Pierer und weitere Mitglieder der früheren Führungsspitze wegen einer Verletzung der Aufsichtspflicht im Rahmen sogenannter Ordnungswidrigkeitenverfahren ermittelt. Dabei drohen den Betroffenen Geldbußen von jeweils bis zu einer Million Euro.

Pierer hatte selbst bisher jede Verwicklung in den Korruptionsskandal von sich gewiesen. Der Korruptionsskandal hat Siemens bisher rund 1,9 Milliarden Euro gekostet. Darin sind rund 500 Millionen Euro an Steuernachzahlungen sowie Anwalts- und Prozesskosten und Strafzahlungen enthalten. (dpa/tc)